- Kapitel 27 -

Lhasziareh

   Er kam sich schäbig vor. Aber andererseits war es einfach zu verlockend. Es würde vermutlich in einem Schlammbad enden, denn noch war nicht alles an Schnee ums Osttor und die Ställe geschmolzen, wenn auch die Sonne schon ihre Kräfte mit den Überresten des Winters zu messen anstrebte. Sie stand bereits über dem Observatorium und erleichterte ihm nicht gerade die Sicht. Der sachte peitschende Schweif war dennoch mehr als nur gut zu erkennen. Um sie herum grasten mehrere Pferde und der Stallbursche mühte sich in etwas Entfernung mit zwei besonders mürrischen Exemplaren ab. Nun ja, es waren drei. Eines davon war die offensichtlich sehr anspruchsvolle Besitzerin. Deren Treiben interessierte Link aber im Moment ausgesprochen wenig.

   Sein Fokus lag auf einer bestimmten Stute, die ihn nicht zu bemerken schien. Hockend schlich er sich von hinten an sie heran, ganz langsam, sehr bedacht darauf, keinen Laut von sich zu geben – und in der Hoffnung, keines der anderen Pferde würde ihn sichten. Er setzte alles auf sein sandfarbenes, weites Leinenhemd, das sich nicht viel vom Stein der Stadtmauer abhob. Allerdings hatte er das Gefühl, dass sein Plan nicht aufgehen würde. Erst recht, als Epona den Kopf hob. Stockstarr kauerte er in ewig wirkenden Sekunden, die blauen Augen auf ihre Reaktion fixiert. Ihr Kopf senkte sich wieder und sie graste weiter.

   Link war unsicher. Hatte sie ihn bemerkt und tat nur so? Oder – im Grunde war es egal. Er tat es ohnehin nur aus einer Laune heraus. Trotzdem noch wachsamer, kroch er langsam an sie heran. Erst als er sich ganz sicher war, auch richtig zu landen, setze er zum Sprung an und zog sich von hinten auf ihren Rücken. Die anderen Pferde schraken laut wiehernd auf und sprangen in alle Richtungen davon. Sofort spürte er aber, dass sich Epona nicht aus Überraschung aufbäumte, sondern lediglich, um auf sein Spiel einzugehen. Ihre Bemühung ihn abzuwerfen war so lasch, dass er wusste, sie hatte ihn tatsächlich entdeckt und erkannt.

   Laut lachend krallte er sich in ihre Mähne, während sie spielerisch springend immer wieder nach ihm schnappte, wobei sie sich schlussendlich mehrmals im Kreis drehte. Was sie dann versuchte, wusste er ebenfalls und er rutschte seitlich von ihr herunter, damit sie sich ungehindert umfallen lassen konnte. So purzelte er herab und kam zwischen ihren Beinen zum Liegen. Auch ihr Wiehern verstand er als das kindische Lachen, das er selbst zu den spärlichen Wolken schickte, als der kühle, feucht-sandige Boden und das taunasse niedrige Gras bereits seine Kleidung durchnässten.

   Es war ihm egal. Eingeklemmt zwischen ihren Vorderläufen aber nicht von ihr erdrückt, musterte er ihren Gesichtsausdruck. Wie sehr sie ihren Hals verrenken konnte, nur um ihn anzusehen, hatte er schon immer bewundert. Sein eigenes Lächeln spiegelte sich in ihrem Auge und er begann sofort, sie zu kraulen, wogegen sie natürlich nicht abgeneigt war. Selbst dass sie ihm quer übers Gesicht leckte, störte ihn nicht. Das kannte er von ihr nur zu gut. Manchmal fragte er sich, ob sie vielleicht in einem vorangegangenen Leben ein Hund gewesen war. Im Moment aber zog er nur ihren Kopf sachte an seinen.

   Ihr Schnauben war so laut, aber gleichzeitig so beruhigend, dass er auf der Stelle einschlafen hätte können. Epona wusste das allerdings zu verhindern, indem sie sich erhob. Die Augen auf seine gerichtet, die ihr folgten, begann sie um ihn zu tänzeln. Link verstand es noch immer nicht, aber er wollte es auch nicht verstehen, worin genau ihre Verbindung lag. Er wusste nur, sie war immer da gewesen, und dafür war er dankbar. Alleine die Tatsache, dass sie sich, wenn sie gemeinsam unterwegs waren, immer nur so weit von ihm entfernt hatte, dass sie in Hörweite war, falls er sie benötigen sollte, außer wenn sie das Gebiet nicht erreichen konnte, gab ihm zu verstehen, wie wichtig er ihr war. Nicht einmal wenn er sich mit der Okarina an andere Orte teleportiert hatte, hatte sie das davon abgehalten. Sie wusste immer wo er war, und er hatte irgendwann beschlossen, es nicht mehr zu hinterfragen, sondern einfach nur dankbar zu sein.

   Denn welches andere Pferd verstand schon, unter anderem, was es hieß, wenn sein Besitzer den eigenen Hemdausschnitt umklammerte und sich auf den Bauch drehte? Epona verstand es. Gekonnt und ohne den Stoff zu beschädigen, packte sie sein Hemd mit den Zähnen und zog ihn auf die Beine, bevor sie wieder um ihn herum ging, bis sie einander gegenüber standen. Was die Frau neben dem Stallburschen sagte, konnte er genau hören, aber es kümmerte ihn nicht. Seine Aufmerksamkeit war nur auf Epona fixiert. Auf nichts anderes. Auf nichts, außer sie. Auf – im rechten Augenwinkel entdeckte er jedoch jemanden, der aus der Stadt heraus auf ihn zuging, die Arme hinter dem Rücken.

   Trotzdem bevorzugte er es, Epona’s Kopf und Hals zu streicheln. Auch als Dotour bereits neben ihnen stand. Ein sanftes Schmunzeln im Gesicht, beobachtete er lediglich, wie Link seinem Pferd einen Kuss auf die Stirn platzierte und ihren Kopf abermals an seinen zog. Erst dann ergriff Dotour das Wort.

 

   „Ich muss sagen, sie ist schon etwas Besonderes.“

   „Das ist sie.“, hauchte Link.

   „Und dir macht es anscheinend nichts aus, dich für sie zu suhlen.“

   „Kleidung kann man waschen.“, meinte Link nur.

   „Wohl wahr. Verzeih mir, wenn ich etwas indiskret bin, aber was war das für ein Brief, den du gestern erhalten hast? Es kommt ja immer häufiger vor, dass Suro auch dir Briefe überbringen, aber du hast sehr aufgewühlt gewirkt.“, schlagartig änderte sich Link’s Stimmung und er ließ etwas von Epona ab.

   „Ach. Wirklich.“, gluckste er finster. „Das war nichts.“

   „Noch dreister kann man mich wohl nicht anlügen.“, sagte Dotour bestimmt, wirkte aber nicht wütend, sondern mehr besorgt.

   „Sag, gibt es noch einen anderen Weg nach Hyrule, außer die Alten Wege? Ich meine, einen schnellen Weg. Nicht quer durch Ikana.“

   „Ich dachte, du hättest nicht vor, je wieder schnell einmal nach Hyrule zu reisen?“

   „Das hab ich auch nicht. Es ist nur – ich frag mich – “

   „Der schnellste Weg wäre, dich teleportieren zu lassen.“

   „Über Landesgrenzen hinweg? Ist das nicht gefährlich?“, er sah den älteren Mann leicht nervös an.

   „Nun, nur, wenn man ungeübt ist. Ich muss gestehen, ich kann es nicht.“

   „Aber du kennst jemanden, nehme ich an.“

   „Natürlich. Ihr Name lautet Eijalash.“

   „Dann haben wir ein Problem.“, schnaubte Link, den Blick wieder auf Epona richtend. „Sie sitzt in Kakariko.“

   „Du kennst sie?“

   „Natürlich. Sie hat früher am Hof gedient, in beratender wissenschaftlicher Funktion. Und sie ist eine von denen, die stark dafür plädieren, dass Kakariko den Shiekah gehört.“

   „Nun, sie ist ein Winterschopf. Sie sind alle recht fanatisch was Heimat, beziehungsweise Herkunft betrifft. Aber genau das ist es, was sie zu einer Expertin aller Dinge macht, mit denen sie sich beschäftigt. Es ist diese gewisse Leidenschaft.“

   „Ja. Die hab ich oft genug mitbekommen. Und das hilft mir im Moment wenig.“

   „Nun, wenn du unbedingt so dringend nach Hyrule musst, schlage ich vor, du lässt Toru dich und Epona an die Grenze bringen und reitest den Rest. Oder du fragst Sirileij. Sie kennt sich in Hyrule aus und kann dich vermutlich dort weiterbringen. Auch kennt sie Eijalash.“

   „Ach vergiss es. Es war ohnehin nur eine Überlegung.“, Link tätschelte Epona freundschaftlich den Hals und wollte die beiden schon zurücklassen, um sich umziehen zu gehen.

   „Meiner Meinung nach, klingt es nach wesentlich mehr als nur einer Überlegung. Ich nehme an, der Brief war von Zelda?“

   „Nein. Er war von einem Mädchen mit dem ich mich wesentlich besser verstehe, weil sie nicht versucht, mich zu manipulieren.“

   „Und worum ging es, da du schon so wundervolle Anspielungen machst?“, Link seufzte nur und starrte in die Ebene. „Du weißt, dass du auf mein Schweigen vertrauen kannst.“

   „Schon. Es ist nur, dass du Eijalash erwähnt hast, mach die Sache nicht gerade leichter. Denn vermutlich muss ich mich mit ihr auseinandersetzen.“, für einen Moment lang schwieg Dotour ihn nur an, aber Link konnte nicht recht deuten, ob er bloß auf weitere Erklärungen wartete – allerdings wurde er alarmierend ernst.

   „Was haben sie gefunden.“

   „Was?“, schrak Link auf.

   „Was, haben sie gefunden.“, wiederholte er. „Und versuch nicht, dich irgendwie hinauszureden. Ich weiß, welchen Legenden Eijalash hinterherjagt.“

   „Du weißt davon?“, jammerte Link unsicher.

   „Wovon.“, sein dunkler Blick verunsicherte ihn nur noch mehr.

   „Was – “

   „Was haben sie gefunden, Link.“

   „Ich – eigentlich – “

   „Wann.“, allmählich reichte es ihm.

   „Eigentlich schon vor Jahren.“, stutzte Link. „Schon weit vor dem Großen Beben. Woher weißt du von diesen Maschinen?“, Dotour ließ den Kopf fallen.

   „Also ist es wahr.“, er hob den Kopf wieder – und Link war regelrecht entsetzt über die Verzweiflung, die ihm entgegensah. „Wie viele.“

   „Ich – kann es nicht mit Sicherheit sagen – es waren nur ein paar und sie waren nicht gerade, was man intakt nennen kann. Aber manche davon haben sich zumindest zeitweise reaktivi– “, nun war es nicht mehr Verzweiflung, sondern Panik, die Link ernsthaft verstörte.

   „Sieh zu, dass du nach Hyrule kommst. Und dass du Zelda die Sache ausredest, bevor es zu spät ist.“

   „Wie kommst du auf die Idee, es würde um Zelda – “

   „Link. Wenn Eijalash für ihren Vater gearbeitet hat, steckt auch Zelda in der Sache mit drin. Wir wissen beide, dass sie sich ebenfalls für die Geschichte ihres Landes interessiert. Und das sollte sie; sehr sogar. Denn wenn sie es tut, dann muss sie auch wissen, dass sie umkehren soll, bevor es zu spät ist.“

   „Du machst mir Angst. Ehrlich.“

   „Ich denke, Angst ist angebracht.“, jammerte Dotour. „Wie weit auch immer diese Nachforschungen sind, bitte tu mir den Gefallen, und halte sie auf. Tu uns allen den Gefallen. Wenn Eijalash auch nur ansatzweise so viel über das Altertum und diese Schlacht weiß wie ich, dann wird sie es verstehen. Hoffentlich. Wenn nicht, sag ihr nur ein Wort. Und Zelda vielleicht auch.“

   „Und das wäre?“

   „Lhasziareh.“

   „Bitte?“

 

   Dotour allerdings marschierte nur zielstrebig in die Stadt zurück und ließ ihn entgeistert stehen. Bevor er die Stadt betrat, drehte er sich dennoch kurz zu ihm um.

 

   „Ach und Link – kein Wort zu Kafei. Oder sonst jemandem.“

 

 

~o~0~O~0~o~

 

 

   Irgendwie war er froh, dass sie einen anderen Ort gewählt hatte. Zwar gab es im Schloss genug Räumlichkeiten, um eine geheime Zusammenkunft abzuhalten, aber er hatte die erdrückende Vorahnung, dass er sich gerade jetzt auf keinen Fall dem Schloss nähern sollte. Vielleicht war es auch Dotour’s seltsames Verhalten, das ihm zu schaffen machte. Er hatte tatsächlich Angst. Eine Angst, die er beinahe vergessen hatte. Jene Angst, das Schloss alleine zu betreten. Die Angst, dass wenn er es tat, eine Katastrophe hereinbrechen würde. Er wusste nicht warum, aber diese Angst war er nie wirklich losgeworden. Deshalb hatte es ihm nichts ausgemacht, dass Zhani die Angewohnheit entwickelt hatte, sofort zur Stelle zu sein, sobald er auch nur einen Fuß in die Nähe des Gebäudes gesetzt hatte. Das hatte die Angst etwas unterbunden, aber ausgelöscht war sie nicht. Und das obwohl er normalerweise nicht gerade anfällig für Angstzustände war.

   Nun, war sie wieder da, diese Angst. Trotz dessen, dass es sich nicht um das Schloss handelte, sondern lediglich um eine verlassene Mühle im Süden. Vielleicht aber, war es nur die Angst, dass er zu spät war. Denn er war spät dran, das musste er zugeben. Er hatte so lange mit der Überlegung gekämpft, dass Epona nun sehr außer Atem war. Zwar hatte Sirileij sie beide an die Grenze teleportiert, aber die Wälder hatte er so schnell durchquert, dass er nicht einmal Zeit gehabt hatte, zu befürchten, Epona könnte eine Wurzel übersehen.

   Am Rand der Wälder floss ein Bach entlang, an welchem sich das leicht verfallene Haus befand. Daneben standen zwei Pferde. Während ihm das dunkle Pferd aufgrund seiner Größe auffiel, tat es das andere durch seine Zierde. Sie waren also beide schon hier. Daruk vermutlich auch. Denn, wie er erst bemerkte, als ein Felsen den Blick freigab, mitten im Bach standen zwei Zoras, die sich in ihrer Körpergröße fast genau so unterschieden wie die Pferde.

   Selbst über Epona’s Schnauben hinweg konnte er ihren leisen Streit hören. Dass es ein Streit war erkannte er nur am wesentlich größeren Mann. Mipha war wie immer die Ruhe in Person, auch wenn sie deutlich ihren Standpunkt klarstellte. Dieser basierte; so viel konnte er aus deren Sprache heraus verstehen; auf reiner Logik. Ihr Gegenüber schien nicht zu begreifen, dass es ein Fehler gewesen war, ihr zu folgen. Schließlich war er nicht eingeladen. Da sie ihm aber nicht sagen durfte, worum es ging, waren beide bereits am Rande der Verzweiflung angelangt. Link spürte auch, dass seine Ankunft die Krönung war.

   Es lag wohl daran, dass der Zora mit einem Schlag die Diskussion einstellte und ihn misstrauisch dabei beobachtete, wie er abstieg und Epona zu verstehen gab, dass sie sich eine Pause gönnen durfte. Diese nutzte sie sofort, um am Bach zu trinken, während Link auf die beiden Zoras zuging. So abrupt wie ihre unerwünschte Begleitung den Streit unterbrochen hatte, legte sich auch ihr resoluter Gesichtsausdruck und wich einem sanften Lächeln, das Link nicht verhindern konnte, zu erwidern.

   Um die Lage nicht noch unnötig zu verschärfen, grüßte er den Mann wie es für Zoras üblich war. Wohl mehr aus Höflichkeit antwortete dieser auf die Geste. Seine Verbeugung fiel knapper aus als Link’s und sein mürrischer Blick änderte sich nicht im Geringsten. Womöglich aber auch, weil Link seine offensichtliche Eifersucht erneut entflammte, als er Mipha zur Begrüßung sachte in die Arme schloss.

 

   „Es tut gut, dich zu sehen. Aber was soll der Wachhund?“, flüsterte er ihr ins Ohrloch.

   „Keine Sorge.“, hauchte sie ebenfalls sehr leise. „Er beißt nicht wirklich.“

   „Aber er hat hier nichts zu suchen.“

   „Ich weiß. Doch wenn ich ihn nicht vertreiben kann, so wird es die Prinzessin tun.“

   „Vermutlich.“, er streichelte ihr freundschaftlich den Rücken, bevor sie die Umarmung wieder lösten.

   „Allerdings weiß ich nicht, warum du hier bist. Hast du meine Nachricht nicht erhalten?“

   „Doch. Hab ich. Und ich hab auch das Gefühl, dass ich mich da raushalten sollte. Aber ich bin nicht hier, weil sie es angeordert hat. Ich bin hier, weil ich gewisse Dinge anscheinend genau so wenig geheim halten kann, wie du.“

   „Dann weiß er davon?“, ihre Augen waren mit einem Mal verunsichert.

   „Nein. Aber sein Vater. Und der hat mich gebeten, Eijalash etwas zu übermitteln. Ist sie schon hier?“

   „Was sollst du übermitteln?“

 

   Link schrak auf und riss den Kopf so schnell herum, dass sein Genick krachte. Die Arme verschränkt, stand die Shiekah in weniger Abstand hinter ihm, als ihm lieb war. Sie hatte genau so viel Ähnlichkeit mit einem Raubtier wie Sirileij, aber mit dem Unterschied, dass sie tatsächlich den Eindruck erweckte, jederzeit zum Angriff bereit zu sein.

 

   „Ithamnajar.“, sagte Link finster.

   „Satrithamnajar.“, entgegnete sie nicht nur seinen Gruß auf die selbe Art. „Ich sehe, du lernst.“

   „Wer wäre ich.“

   „Natürlich. Und es ist unmissbar, woher – wenngleich deine Aussprache noch zu wenig nasal ist. So, als wärst du hier geblieben. Aber wärst du das, hättest du mich wohl mit – “

   „Hailthandathira begrüßt, ja. Aber ich bin eben nicht hier geblieben.“, es erfüllte ihn regelrecht mit Stolz, sie verwundert zu sehen.

   „Nun, anscheinend ist dein Horizont doch nicht so beschränkt, wie man es von einem Hylianer üblicherweise erwartet. Doch von einem Zora höherer Muschel hätte ich durchaus erwartet, dass er der Bitte seiner Prinzessin nachkommt, seine Schwimmhäute aus Angelegenheiten herauszuhalten, die ihn nichts angehen.“, dennoch verlor dieser nichts an seinem Unmut. „Hast du nicht gehört? Sieh zu, dass du Strömung bekommst! Oder muss ich dir erst einen unterzeichneten Befehl von Ralis in die Kiemen reiben?“

 

   Es war nicht gerade leicht für Link, sein Lachen zu unterdrücken. Immerhin hätte es für einen Außenstehenden wie eine Beleidigung gewirkt, aber sie verwendete tatsächlich legitime Ausdrucksformen. Allerdings machte ihr Tonfall deutlich, dass sie es durchaus provozierend meinte. Glücklicherweise verstand der Zora, dass er sich besser nicht mit einer Shiekah ihres Kalibers anlegen sollte. Auch Mipha wirkte mehr als erleichtert, als er sich ohne ein Wort oder sonstige Anstalten abwandte und im tiefen Bachbett verschwand.

 

   „Das wurde aber auch langsam Zeit.“, gluckste eine weitere Frau.

 

   Er hatte nicht bemerkt, dass die wackelige Tür zur Mühle aufgegangen war, geschweigedenn, dass jemand davor stand. Etwas hatte unter Eijalash’s Stola hervorgeblitzt – und sie hatte gemerkt, dass er es gesehen hatte. Fast gelangweilt zog sie das Lederband mit dem gelben Stein hervor. Er hatte die Form einer Mondsichel.

 

   „Ein Geschenk von meinem Enkel Koga. Komischer kleiner Kerl. Aber ich habe mir ihn genau so wenig ausgesucht, wie meine Tochter. Dennoch stammen sie von mir ab, und das alleine reicht mir, sie zu schätzen.“

 

   Eigentlich hatte er keine Reaktion von ihr erwartet. So wenig wie ihn ihre Antwort kümmerte. Das Gesicht, das hinter Urbosa auftauchte, lenkte ihn nun davon ab. Etwas war anders an Zelda. Um ihre Augen waren ungewohnte Ringe. Nicht solche, wie er sie von langen Nächten in der Bibliothek kannte. Es wirkte eher, als hätte sie tagelang nichts anderes getan, als zu weinen. Auch wirkte Daruk’s massive Hand auf ihrer zierlichen Schulter alles andere als zuversichtlich.

 

   „Link.“, Mipha’s zarte Stimme zog seine Aufmerksamkeit von ihr ab.

   „Es ist der Todestag ihres Vaters, ich weiß.“

   „Das ist es nicht. Ihr Onkel ist vor einigen Tagen verschwunden.“

   „Rhoam? Wieso verschwunden?“

   „Es gibt keine Hinweise, keine Forderungen, nichts. Was wir mit Sicherheit sagen können ist, dass in seinen Gemächern ein Kampf stattgefunden hat. Sie waren völlig verwüstet. Aber niemand hat etwas gehört oder gesehen.“

   „Und er kann nicht einfach nur ausgerastet sein? Ich meine, er ist doch noch launischer, als sein Bruder es war.“

   „Nein. Es waren auch Blutspuren in den Räumen. Aber keine außerhalb. Wir können nur hoffen, dass er seinen Angreifern entkommen ist und auf die richtige Gelegenheit wartet, zurück zu kommen. Oder darauf, dass eine Forderung eintrifft. Auch steht sie nun noch mehr unter Druck der Bevölkerung.“

   „Was meinst du?“

   „Ja, er hat nach dem Tod von Daltus zu ihren Gunsten auf den Thron verzichtet, aber böse Zungen behaupten anderes.“

   „Was.“, gluckste Link ungläubig. „Etwa dass sie ihn aus dem Weg schaffen hat lassen, damit – “

   „Manche sagen auch, Vaati hätte sie dazu gezwungen, sodass er endgültig an die Macht kommt.“

   „Aber wenn es nach ihm ginge, – “

   „Würde er verzichten, selbst wenn das hieße, dass er sie nicht heiraten darf, ja. Ich habe nie verstanden, warum Hylianer keiner unverheirateten Frau den Rang einer Königin gewähren.“

   „Ich auch nicht.“, meinte Link knapp. „Sollte Kafei – sollte er – endgültig sterben, darf Anju sehr wohl weiter regieren, bis Taya siebzehn ist. Dann muss sie sogar abdanken, auch wenn Taya den Thron nicht will. In Ikana zählt Blut mehr als Geschlecht. Juro würde den Thron nur bekommen, wenn niemand mehr übrig ist.“

   „Deshalb war Ikana auch viel länger durchgehend ein Königreich.“, murmelte Eijalash. „Und keine Ansammlung an uneinheitlichen Fürstentümern.“

   „Also Akkala hält sich ganz gut, dafür, dass es alleine zwischen zwei Königreichen eingequetscht liegt.“, entgegnete Link, ohne sich zu ihr umzudrehen.

   „Aber nur, weil sie diesen Koloss von Festung an der passierbaren Grenze stehen haben. Mit einer Meeresschneise, einem Vulkan, einem tiefen Graben und steilen Felswänden um einen herum, kann man leicht unabhängig bleiben. Nur wozu eigentlich? Das Land hat nichts zu bieten, das man verteidigen müsste.“

 

   Link sagte nichts dazu. Er hatte noch nicht viel von Akkala gesehen. Nur das, was er auf seinem Weg zur Fähre nach Holodrum erkennen hatte können. Im strömenden Regen. Aber der Wachturm, der mehr einem befesteten Berg glich, hatte durchaus Eindrücke bei ihm hinterlassen. Auch konnte er nichts sagen, da Mipha wieder zum ursprünglichen Thema zurückkehrte.

 

   „Link.“, sie nahm seine linke Hand in ihre. „Niemand zwingt dich dazu, hier zu sein. Wenn wir es geschafft haben, all diese Maschinen tatsächlich zu kontrollieren, hat Zelda vermutlich genug Kraft, schlimmeres zu verhindern, falls Ganon wirklich nicht vernichtet wurde. Aber im Moment deutet nichts darauf hin, dass er je wieder angreift. Jedenfalls nicht zu unseren Lebzeiten.“, ihr Daumen strich über das Symbol auf seinem Handrücken. „Auch wird sie im Ernstfall die Alten Drachen um Hilfe bitten. Sie haben kaum eine Gelegenheit ausgelassen, ihre Kräfte zu demonstrieren. Wir kommen auch ohne dich zurecht. Dein Platz ist nun wo anders.“

 

   Sie nahm auch seine rechte Hand mit einem zuversichtlichen Lächeln, der kühle Zeigefinger bewusst auf Kafei’s Armband ruhend.

 

   „Du musst nur wissen, dass ich mich für dich freue. Du hast alles Glück verdient, das du bekommen kannst.“

   „Danke.“, seufzte er, fuhr aber deutlich genug fort, damit selbst Zelda ihn hören konnte. „Aber ich bin, wie gesagt, ohnehin nur hier, um eine Nachricht zu übermitteln.“

   „Dann spuck endlich aus, was der alte Blauschopf mir zu sagen hat.“, raunte Eijalash genervt.

 

   Um sich nicht unnötig zu verrenken, drückte er kurz Mipha’s Hände, bevor er seine aus ihren zurückzog und sich halb zu Eijalash umdrehte. Mehr um weitere Spannung aufzubauen als auch ein überzeugtes Gesicht aufzusetzen, ließ er sich ein paar Sekunden Zeit, die er deutlich in das dunkle Rot ihrer Augen legte. Wie von allen Winterschöpfen, hatten auch ihre Augen eher die Farbe von blutigem Leder oder Fels. Ihre Herkunft war aber nicht der Grund dafür, dass sich deren Ausdruck veränderte, als wäre sie vom Blitz getroffen worden, sowie das Wort seine Lippen verlassen hatte.

 

   „Lhasziareh.“

 

   Sich nichts anmerken lassend, wartete er ihre Reaktionen ab. Aber es war nicht Eijalash’s tiefer Atemzug, der ihm signalisierte, dass sie verstanden hatte, es war Zelda’s Schnappen nach Luft, das sein Verlangen nach dem Wissen über die Bedeutung des Wortes intensivierte. Allerdings hatte er beschlossen, eher Dotour danach zu fragen, anstatt vor den beiden dumm dazustehen. Zu seiner Erleichterung wurden ihm keine Fragen gestellt. So konnte er sich wieder getrost Mipha zuwenden, wenn er auch die ersten Worte etwas lauter sagte, nach wie vor, damit Zelda sie verstand.

 

   „Ich hoffe inständig, dass Rhoam unversehrt wieder auftaucht. Und auch, dass ihr euch bei – dieser Sache – nicht übernehmt.“, nun nahm er sie erneut in seine Arme, und sie ihn. „Und dir auch, dabei ihn loszuwerden.“, flüsterte er wieder.

   „Sorge dich nicht um mich. Ich kann durchaus auf mich aufpassen.“

   „Ich weiß. Und ich bitte darum, dass du dein Glück findest.“

   „Im Gegensatz zu ihr, sind mir Grenzen bewusst.“, er spürte ihr Lächeln an seiner Wange und wie sich ihre feinen Schuppen bei jedem Atemzug leicht durch die Berührung bewegten. „Ja, in einem anderen Leben vielleicht. In einem anderen Leben, wärst du es gewesen. Aber wir sind in diesem Leben und ich akzeptiere die Dinge, wie sie sind. Ich weiß auch, du verstehst, dass ich ehrlich so empfinde.“

   „Ja. Und dafür bin ich dankbar. Dass du so anders bist als sie. Dass du verstehst, dass man jemanden auf verschiedene Arten lieben kann.“

   „Natürlich. Auch liegt der Unterschied zwischen uns wahrscheinlich darin, dass ich dich nicht loslassen muss, weil ich immer gewusst habe, dass es nicht an mir ist, dich zu halten. Zudem muss ich sagen, dass ein ehrlicher Bruder mir mehr wert ist als ein Geliebter. Zum Glücklichsein gehört nicht viel, und du weißt, wie genügsam ich bin. Mir ist es lieber, du bist wo anders glücklich, als hier, und unglücklich.“

   „Danke.“, seufzte er, mit einem zarten Kuss auf ihre Schläfe.

 

   Sie legte ihm zum Abschied kurz die Hand auf’s Herz, das liebliche Lächeln erfüllt mit Zuversicht über eine heile Zukunft.

 

   „Wenn wir uns das nächste Mal sehen, hast du ihn entweder im Griff, oder davongejagt, hörst du?“, scherzte Link, aber Mipha’s Lächeln blieb völlig unverändert.

 

   Mit einem letzten Blick zur Mühle, aber nicht zu Zelda, sondern unter anderem auf einen Schnabel, der hinter Daruk’s muskulösem Arm hervorlugte, ging er zu Epona und stieg in den Sattel. Er wusste nicht, womit er sie verdient hatte, aber sie nahm es hin, dass sie relativ sofort, die selbe Strecke noch einmal zurücklegen musste. Diesmal aber, hatte er Zeit. Zeit, die er sich gerne nahm.

   Es war lange her, dass er die Wälder durchstreift hatte. Der sandige Südwind aus der Steinwüste im Osten Ikanas war selbst in den Ebenen jenseits des Baches in der Luft sichtbar gewesen. Aber den alten Bäumen konnte er nichts anhaben. Sie bildeten einen schützenden Baldachin aus bereits kräftigen Frühlingsblättern. Zwar waren es noch nicht viele, aber die Dichte des Astwerks reichte aus, um einen zartgrünen Schimmer zwischen den Stämmen zu schaffen.

   In der Ferne der Stille hörte er altbekannte Geräusche, mal hier, mal da. Einem Fremden wären sie unheimlich gewesen, aber er wusste, dass er nicht von feindseligen Augen beobachtet wurde. Irgendwann richtete er seine nach oben. Fast unsichtbar, verschmolzen mit dem Baum.

 

   „Karadikhelu.“, lächelte er. „Manisa ilakomeno.“

 

   Mit hölzernem Klimpern, leichtem Rascheln und golden zerstobendem Licht, verschwanden seine Beobachter ringsum. Beobachter, die er allesamt beim Namen kannte.

 

 

~o~0~O~0~o~

 

 

   „Ich muss doch wohl bitten!“

 

   Wenn er etwas hasste, dann war es Feigheit. Nicht die Feigheit von anderen, seine eigene. Aus diesem Grund wusste er noch immer nicht, was das Wort zu bedeuten hatte. Was er aber noch mehr hasste, waren Leute, die mit dem Schiff ankamen, Kutsche und Pferde an Bord, von den Tieren verlangten, sofort zu Diensten zu stehen und sich aufregten, dass der Stallbursche sie nicht beruhigen konnte. Auch nicht Tage danach. Aber solchen Leuten zu sagen, dass die Pferde nur in deren Anwesenheit unruhig waren, war ein Ding der Unmöglichkeit, weil sie eben solche Leute waren. Leute, die in eine kleine Stadt kamen und verlangten, wie Könige behandelt zu werden. Leute, deren Wohlstand, den sie sich nicht einmal selbst erarbeitet hatten, ihnen das Gefühl gab, sie hätten das Recht, allen Anspruch zu stellen. Eine Art von Leuten, die nach anderen an die Rezeption kamen, aber erwarteten, dass man sich ab ihrem Erscheinen ausschließlich um sie kümmerte.

 

   „Diese Ignoranz muss ich mir von einer kleinen Rotznase nicht gefallen lassen! Rollt im Schlamm herum und glaubt, er ist was Besseres, nur weil er eine Ausbildung und freie Unterkunft in einer drittklassigen Absteige genießt!“, aber er war der Situation gewachsen, anders als die beiden Brüder, die er gerade beraten hatte, und sich nur entgeistert ansahen.

   „Mit Verlaub, meine Dame, aber auch wenn Gäste bei uns Vorrang haben, bedeutet das nicht, dass potenzielle Gäste im Regen stehen gelassen werden. Obwohl ich laut Hylianischen Bräuchen noch nicht volljährig bin, gibt es kein Gesetz, dass mir vorschreibt, was ich in meiner Freizeit zu machen habe. Eine Freizeit die nur daraus entsteht, dass es zu jeweiligen Zeitpunkten keine Arbeit gibt, die ich, wohl gemerkt, meiner Familie abnehmen könnte. Zudem bevorzuge ich es, wie Sie vermutlich auch, nicht beschimpft oder degradiert zu werden. Natürlich kann ich gerne nachfragen, ob es möglich ist, dass Sie und Ihre Tochter statt im Betrieb, den sich meine Familie hart aufgebaut hat, ein Zimmer im Schloss von Ikana bekommen.“

   „Bitte?“, sie blinzelte verwirrt.

   „Aber falls dem so sein sollte, müssen Sie bitte damit rechnen, dass Ihnen die Prinzessin unheimliche Streiche spielt, die Sie leider hinnehmen müssen, da Sie sonst Gefahr laufen, wegen Hochverrats angeklagt zu werden. Und darauf steht in Ikana die Todesstrafe. Daher erlauben sie mir bitte Ihnen zu raten, Sie mögen sich Gedanken darüber machen, wie viel Arbeit es ist, Bettzeug zu nähen und zu waschen oder Böden zu schrubben und jeden Tag ein abwechslungsreiches Menü in den Speisesaal zu zaubern, ganz zu schweigen davon, dass Sie Ihre hygienischen Angelegenheiten vermutlich unter hygienischen Umständen verrichten wollen. Dann können wir gerne darüber reden, warum Ihre Pferde höchstwahrscheinlich auf der Rückreise dem Herztod erliegen werden. Und nein, ganz sicher nicht durch meine Hand. Denn ich liebe Pferde. Aber andererseits weiß ich nicht, ob ich mir nicht etwas zu Schulden kommen lasse, wenn ich ihnen kein schnell wirkendes Gift ins Futter mische, um sie frühzeitig zu erlösen.“

   „Und ich dachte, mein Tag hätte übel angefangen.“

 

   Kafei war gerade zur Tür herein gekommen. Dass er einen miserablen Start in den Tag gehabt hatte, war für Link durchaus ersichtlich. Seine Augen wirkten müde und auch wenn es farblich nicht den Eindruck machte, so wusste er, dass Kafei seine Kleidungsstücke nicht gerade aufeinander abgestimmt hatte, wie er es an guten oder gar nur normalen Tagen tat.

 

   „Blaue Haare, elegante Kleidung, ja, Sie sehen nach jemandem aus, den man mir als den Bürgermeister beschrieben hat.“, rümpfte die Frau ihre Nase.

   „In der Tat, der bin ich.“

   „Gut. Könnten Sie dann bitte diesem Bengel verbieten, mich herablassend zu behandeln?“

   „Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, Frau Jelmeni,“

   „Woher wissen Sie – “

   „Aber in meiner Familie legt man Wert auf Moral und Anstand. Dazu gehört auch, dass man unter Umständen akzeptiert, wenn man von jemandem eine ähnliche Gegenreaktion bekommt, als die, die man ihm zuvor erbracht hat. Auch bin ich ein Mann des Gesetzes; jemand, dem Recht und Ordnung sehr wichtig sind. Es wäre also auch für mich persönlich sehr kontraproduktiv, jemanden in die Schranken zu weisen, der lediglich auf angemessen höfliche Art Tatsachen offen legt. Zudem halte ich nicht sonderlich viel von Amtsmissbrauch. Also nein, ich werde meiner Frau nicht befehlen, meinen Trauzeugen rauszuwerfen, der uns in allen Dingen stets behilflich ist. Das würde nichts an Ihrer Weltanschauung ändern.“, er nahm die Hände hinter den Rücken, wie es sein Vater normalerweise tat, wenn er seinen Standpunkt klarstellte.

   „Also Zustände sind das hier – “, murmelte sie.

   „Wie Link aber schon gesagt hat, wenn Sie lieber in einem Schloss logieren wollen, dann müssen Sie sich auch mit meiner Tochter arrangieren. Sie hat es nicht so gerne, wenn Fremde bei uns wohnen, die keinen Wert auf Gleichbehandlung legen. Und sie ist erst neun Jahre alt.“

   „Ihre Tochter?“

   „Ganz recht. Wenn Sie also meinen, es wäre Ihnen lieber, sich mit dem König von Ikana zu unterhalten, anstatt mit dem Bürgermeister von Termina, habe ich kein Problem damit. Ich kann meine beiden Verwaltungsgebiete als auch meine jeweiligen Rollen diesbezüglich sehr konkret trennen. Und apropos, Link, würde es dir was ausmachen, heute für mich einzuspringen? Oder – “

   „Nein, nein. Ich werde hier ohnehin bald abgelöst. Sieh auf Uhr.“

   „Oh. Ja.“, stutzte Kafei, mit plötzlich sehr gedankenverlorenem Blick auf die große Wanduhr. „Wie die Zeit vergeht – “

   „Alles in Ordnung?“

   „Was?“, schrak Kafei auf. „Ja. Ja, mit mir ist alles in Ordnung.“, Link aber hakte weiter nach.

   „Und mit wem nicht?“

   „Hm?“

   „Kafei,“

   „Ja – sag – wo warst du gestern eigentlich?“

   „Lenk nicht vom Thema ab.“, wurde Link ernster als er beabsichtigt hatte.

   „Ich wusste gar nicht, dass wir ein Thema angefangen hätten.“, schnaubte Kafei. „Wen du’s genau wissen willst, nein, nichts ist in Ordnung. Ich muss eine Wohnung von oben bis unten katalogisieren und schätzen.“

   „Wie jetzt – für eine Erbschaft?“, riet Link anscheinend richtig. „Wer ist denn gestorben?“

   „Niemand. Noch nicht, jedenfalls. Frau Sinder will ihren gesamten Besitz frühzeitig ihrer Cousine vermachen. Wenn du errätst, warum, bist du befördert.“

   „Tz. Da muss ich nicht raten. Jeder weiß, dass ihre Tochter auf das Erbe scharf ist – und auch jeder außer dieser weiß, dass da nichts zu holen ist.“

   „Eben. Aber weil sie es nicht kapieren will und weil die Erbgesetze es vorschreiben, muss trotzdem eine Schätzung durchgeführt werden.“

   „Wieso? Ach ja. Die Steuer.“, fiel Link in dem Moment ein. „Aber sie fällt doch auf keinen Fall hinein!“

   „Das ist egal. Es muss immer davon ausgegangen werden, dass die Grenze überschritten wird. Also darf ich jede verdammte Teetasse begutachten.“

   „Ehrlich, du solltest dafür jemanden einstellen.“

   „Wozu? Für einen Sterbefall alle paar Jahre? Wir sind hier nicht Hyrule Stadt, wo die alten Leute wie die Fliegen von den Wänden fallen.“

   „So schlimm ist es dort auch wieder nicht.“

   „Aber die Stadt hat mehr Einwohner, also von vorne herein auch eine höhere Anzahl an Todesfällen.“

   „Auch wieder wahr.“

   „Und du vergisst, dass ich Termina nicht wieder an Ikana anschließen werde, nur um unterbezahltes Personal für Dinge zu rechtfertigen, die ich selbst erledigen kann. Diesen Bürgerkrieg braucht niemand.“

   „Wäre es wirklich so schlimm?“

   „Du hast keine Ahnung. Frag Vater, wenn du mir nicht glaubst.“

   „Schon gut.“

   „Er steht ohnehin vor der Tür.“, sagte Kafei etwas lauter und diese öffnete sich. „Was ist denn los?“

 

   Auch Dotour wirkte nicht gerade glücklich über welchen Verlauf des Morgens auch immer. Noch mehr, er sah aus, als hätte er Verfolgungswahn. Sein Blick war panisch und so auch die Hektik, mit der er die Tür hinter sich schloss. In dem Moment kam Anju mit einem feuchten Geschirrtuch aus der Küche und stellte sich neben Link hinter der Rezeption. Offenbar hatte sie gelauscht und war neugierig geworden.

 

   „Alma Sinder ist los.“, jammerte Dotour. „Sie verfolgt mich schon den ganzen Morgen wie ein hungriger Wolf und gerade als ich dachte, sie hätte aufgegeben, kommt sie direkt aus dem Nordviertel auf mich zu und keift mich an, ich solle etwas dagegen unternehmen. Aber wogegen, hat sie nicht gesagt. Nur, dass du, ich zitiere, ein `korrupter Arschkriecher´ wärst und ich `deine Erziehung verbockt´ hätte.“

   „Sosh.“, fauchte Kafei. „Also weiß sie es.“

   „Was hast du bitte verbrochen?“

   „Gar nichts. Ihre Mutter will verhindern, dass sie automatisch erbt.“

   „Sie liegt doch nicht etwa im Sterben? Davon w– “

   „Nein.“

   „Also eine aktive Erbschaft. Ach herrje.“

   „Du sagst es. Ich sollte los und Tassen zählen, bevor sie auf schlimmere Gedanken kommt, als mich bei dir schlecht zu reden.“

   „Du denkst, sie würde so weit gehen, Hand anzulegen?“

   „Ihren Bruder hat sie ja schon vor Jahren aus dem Weg geschafft.“, schnaubte Kafei.

   „Er ist an einer Fischvergiftung gestorben.“, mahnte Dotour.

   „Und ihr Vater war Tränker; das weißt du so gut wie ich. Auch haben wir vom selben Fang gekauft und bei uns ist niemand vom Stuhl gekippt.“

   „Du denkst also wirklich, sie würde wegen ein paar Teetassen und zwei Perlenketten über Leichen gehen?“

   „Lhasziareh, Vater. Sie mag sich zwar dumm und hysterisch stellen, aber diese Frau ist berechnend. Ich muss die Erbschaft nagelfest machen, bevor der Leichenbeschauer an die Tür klopft.“

   „Wem will sie vererben?“, wirkte Dotour mit einem Mal seltsam entschlossen.

   „Ihrer Cousine. Sonst bleiben nicht mehr viele.“

   „Gut. Ich kümmere mich um das Erbe. Sieh zu, dass du ins Bergdorf kommst. Nimm sie in Schutzhaft, wenn es sein muss.“

   „Auf einmal?“, gluckste Kafei trüb.

   „Ich weiß, dass du nicht belanglos mit Omen um dich wirfst. Komm.“

 

   Nicht nur die beiden reisenden Männer oder die anspruchsvolle Frau Jelmeni blieben perplex im Empfangsraum zurück. Auch Link starrte entgeistert auf die Tür, die Dotour hinter sich und seinem Sohn geschlossen hatte. Langsam drehte er den Kopf nach links. Anju hielt eine Hand auf den Mund, die andere hing schlaff mit dem Geschirrtuch neben ihr. Sie so zu sehen, sagte ihm, dass Kafei’s Befürchtung vermutlich gerechtfertigt war. Die Augen nicht von der Tür nehmend, senkte sie dennoch die Hand, bevor sie ihn leise ansprach.

 

   „Wo warst du gestern wirklich?“

   „Ich war beschäftigt.“

   „Und womit?“

   „Dem Überbringen einer Botschaft.“

   „An wen? Welche Botschaft?“

   „An eine alte Bekannte. Und – “, er seufzte kurz, „Lhasziareh.“, Anju schnappte nach Luft und ihr Blick schnellte endlich zu ihm hoch. „Ja, genau. Ich hab das Wort inzwischen schon oft genug gehört.“

   „Ja, viel zu oft in letzter Zeit; du hast Recht.“, hauchte sie.

   „Und trotzdem weiß ich noch immer nicht, was es heißt.“

   „Oh.“

   „Dotour hat gerade was von einem Omen gesagt – “

   „Ja. Lhasziareh war ein Orakel. Sie wurde sehr alt, selbst für eine Shiekah, und hatte immer Recht. Selbst ihren eigenen Tod hat sie vorausgesehen.“

   „Und – “

   „Sie hat gesehen, dass sie indirekt durch die Hände jener stirbt, denen sie gedient hat. Sie wurde von Majora getötet, wenn du eins und eins zusammenzählen kannst.“

   „Äh – ja – schon – aber – “

   „Nun, nicht nur ihren eigenen Tod hat sie gesehen. Sie hat alle Tode vorhergesehen, aber über die meisten hat sie nicht gesprochen. Sie war empfänglich für das Schlechte. Wenn sie eine Katastrophe gesehen hat, ist diese auch eingetreten. Und sie hat restlos alle Katastrophen kommen sehen. Manche sagen, gerade weil sie davon gesprochen hat, haben alle mit ihrer Angst diese Ereignisse erst hervorgerufen. Aber das kann man glauben oder nicht. Tatsache ist, dass Lhasziareh immer Recht hatte. Wenn längere Zeit nichts passiert ist, haben die Leute angefangen, ihren Namen scherzhaft zu verwenden, für alle schlechten Vorahnungen – und sei es nur, dass irgendjemand Gefahr läuft, einen Braten zu verkochen. Aber jene Shiekah, die ihre Weissagungen wahr werden haben sehen – “

   „Schon klar. Also wenn jemand das sagt, heißt das so viel wie – lass die Finger davon oder du bist tot? Oder – wenn das so weitergeht, gibt es Tote? Und nicht nur im übertragenen Sinn?“

   „Wenn du von jemandem wie Kafei oder gar Dotour ihren Namen hörst, fängst du besser an zu beten. Dotour ist nicht dumm und Kafei mag sich in gewisse Dinge hineinsteigern, aber seine Mutter war ebenfalls eine Seherin. Manchmal denke ich, er hat viel mehr von ihr geerbt, als nur ihr Aussehen und ihre Kampfkünste. Ich will nicht schwarzmalerisch klingen, aber ich denke nicht, dass irgendeine Schutzhaft lange genug dauern kann, um diesen Erbstreit unblutig verklingen zu lassen.“

 

 

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   Zumindest hatte er die Hoffnung gehabt, alles hätte sich nach seinem versehentlichen aber dennoch nicht gültigen Heiratsantrag geändert. Tatsache war aber, Kafei hatte sich wieder einmal eingeschlossen. Diesmal, in seinem Büro. Einen richtigen Mordprozess hatte Link noch nie erlebt. Auch diesmal, da die Morde mehr als offensichtlich waren, gab es keinen. Wie vorausgesehen, hatte ihr niemand etwas nachweisen können. So gab es nun zwei Unfalltote und eine heimlich hämisch grinsende Frau, die nun wie ein Geier auf einer Wohnung der Stadt und einem Haus im Bergdorf saß, stolz auf ihr erzwungenes Erbe.

   Nicht nur Kafei’s Gemütszustand hatte sie damit ebenfalls ermordet. Anju war blasser als den Winter über und Dotour die meiste Zeit unauffindbar. Seine Frau hingegen hatte wieder einmal ihre Heimat in der Milchbar gefunden. Tag und Nacht.

   Er hatte mit dem selbstlosen Bürger mitfühlen können. Doch der Aufstand den dieser gemacht hatte, war in mürrischer Stille versandet, als Link genervt an Kafei’s Bürotür gehämmert hatte, dieser aber nur mit wütendem Schweigen dem Mann eine dickes Buch in die Hände gedrückt hatte, welches er für ihn; wie Link gerade noch sehen hatte können; auf Seite vierundneunzig aufgeschlagen hatte, bevor er sich wieder im Büro eingeschlossen hatte.

   Den Mann hatte er auf dem Sofa zurückgelassen. Die Stimmung außerhalb des Rathauses war zwar nicht so erdrückend wie innerhalb des Gebäudes, aber die tief hängenden Wolken waren dunkel und grau und die feucht-kühle Luft als auch der vorahnende Gesang der Vögel in Kombination mit dem sehr eindeutigen Geruch in seiner Nase ließen ihn wissen, dass es schon bald unmöglich war, trocken im Freien zu stehen. Deshalb war es nicht verwunderlich, dass die Nervosität der Handwerker groß und deutlich ersichtlich war. Verzweifelt versuchten sie so viele der großen Masken wie möglich anzubringen, bevor der Regen die Arbeit undurchführbar machen würde.

   Noch waren nicht viele Gäste eingetroffen. Es war auch noch zu früh. Nur ein bereits im Gasthof nächtigendes Ehepaar rätselte über den älteren Mann mit blauen Haaren, der gemächlich mit Händen hinter dem Rücken über den Platz schlenderte und das alljährlich planlose Treiben mit einem unbewussten Schmunzeln beobachtete. Eine bekannte Stimme klärte sie im Vorbeieilen auf, dass es sich bei ihm um den Altbürgermeister handelte, welchen sie mit einer beschwingten Handbewegung grüßte, bevor sie in der Zentralpassage verschwand. Offensichtlich hatte Ydin das Banner für die Bühne in der Milchbar schon fertiggestellt. Um die neuen Sitzbezüge, um die Herr Barten so vehement gebettelt hatte, würde sie sich erst nach dem Karneval kümmern, wenn eventuelle Missgeschicke mit dem einen oder anderen Trunk rarer sein würden.

   Es beinahe als Zeichen sehend, ihn just in diesem Moment anzutreffen, ließ sich Link die Gelegenheit nicht entgehen und marschierte zielstrebig auf Dotour zu. Dieser empfing ihn mit einem sanften Lächeln und schließlich einer Hand am Rücken.

 

   „Was bedrückt dich, Junge.“, natürlich hatte er Link’s Ausdruck richtig gedeutet.

   „Das Gesetz.“

   „Ach herrje. Bist du schon wieder der Ansicht, du hättest gegen eines verstoßen?“, gluckste Dotour, lenkte ihn aber entschieden vom Ehepaar weg, zur südlichen Treppe.

   „Nein. Es ist nur – Herr Namsin hat gerade einen kleinen Aufstand im Rathaus gemacht. Ich kann ihn verstehen. Er will unbedingt, dass ein Mordprozess auch möglich ist, wenn lediglich dringender Verdacht besteht. Kafei hat ihm daraufhin irgendein Gesetzbuch entgegengeknallt.“

   „Nun,“, lachte Dotour kurz amüsiert aber auch beklemmt auf, „Das war wohl die kürzeste Lösung. Dieses Gesetz ist dazu da, um Verleumdungen einzuschränken und Unschuldige zu beschützen.“

   „Aber alle wissen, dass sie – “

   „Und doch ist es Hörensagen. So sehr wir es alle wissen, bei Fehlen rechtlicher Beweislast gilt stets `Im Zweifel für den Angeklagten´.“

   „Könnte er aber bewirken, dass an diesem Gesetz was gefeilt wird? Rein theoretisch, meine ich?“, Dotour nahm die Hand von seinem Rücken und führte sie zurück hinter seinen eigenen, während sie zum Südplatz spazierten.

   „Natürlich. Und ich vermute, genau mit diesen Regelungen hat Kafei ihn konfrontiert. Ehrlich, Junge, ich will nicht unhöflich klingen, aber du bist nun schon lange genug bei uns, dass es mich wundert, wie viel Zeit vergangen ist, ohne dass du dich bereits nach allen Grundgesetzen erkundigt hast.“

   „Ja, ja.“, grummelte Link. „Dann erkundige ich mich eben jetzt.“

   „Gut. Vermutlich ist es aber auch besser so, als wie wenn du versuchst, diese Dinge nachzuschlagen und am Rechtsjargon scheiterst. Also. Wie du weißt, ist unser Land als auch diese Stadt demokratisch.“

   „Ja. Das Volk hat das Sagen.“

   „Nun, fast. Aber im Prinzip ja. Ich erkläre es dir im Bezug auf die Stadtgesetze. Die landesbezüglichen Feinheiten wirst du dir höchstwahrscheinlich selbst zusammenreimen können. Um also eine Gesetzesänderung in die Wege zu leiten, musst du zuerst einen Antrag auf Volksbefragung stellen, mit dem betreffenden Anliegen. Es muss vollständig und verständlich aufgeführt werden. Diesen Antrag besieht sich nicht nur der Bürgermeister, sondern das gesamte Stadtkomitee, welches, wie du hoffentlich weißt,“

   „Aus allen Bereichen des Arbeitslebens als auch mündigen Alterschschichten zusammengesetzt ist, ja.“

   „Gut. Wird dieser Antrag für rechtens befunden, darf die Volksbefragung innerhalb der gesetzlich geregelten Frist von zwei Wochen durchgeführt werden. Eine weitere Woche steht zur Auswertung zur Verfügung. Diese muss zu siebzig Prozent positiv für das Anliegen ausfallen.“

   „Aber ich nehme an, abstimmen dürfen nur Mündige?“

   „Natürlich. Da unsere Gesetze sich mit den Hylianischen Gebräuchen abgleichen, geht unter achtzehn Jahren gar nichts.“

   „Also unterschreibt jeder mit Namen und Unterschrift?“

   „Ja, und nein. Selbstverständlich könnte der Antragsteller peinlich genau arbeiten und festhalten, welcher Haushalt welche Stimmen abgegeben hat, aber im Grunde ist die Befragung anonym durchzuführen.“, ein stärkerer Windhauch kündigte das Näherrücken des Regengusses an. „Das Ergebnis muss bloß anhand der Anzahl Mündiger abgleichbar sein. Die Stimmen werden gezählt und dürfen diese Anzahl nicht überschreiten.“

   „Aber man könnte dann ganz einfach negative Stimmen beiseite schaffen?“

   „Nein. Die Überprüfung und Zählung nimmt das Komitee durch. Stimmen werden direkt in einer verschlossenen Kiste im Rathaus eingeworfen, die erst bei Ende der Befragung aufgebrochen werden darf. Fällt diese zugunsten des Antrags aus, darf der Antragsteller die Befragung als Referenz bei der Antragstellung zur Gesetzesänderung anführen. Dieser Antrag wird wiederum auf seine Rechtlichkeit und Verfassungskonformität überprüft und wenn positiv, im Komitee in Anwesenheit des Bürgermeisters verhandelt. Das Ergebnis muss allerdings am Ende einstimmig sein.“

   „Ich nehme an, wenn es sich um ein Landesgesetz handelt, muss die Befragung landesweit durchgeführt werden und die Regionsvertreter verhandeln ebenfalls mit?“

   „So ist es.“, bestätigte Dotour, was er zuvor suggeriert hatte.

   „Aber was, sagen wir, wenn alle dafür sind, aber der Bürgermeister dagegen?“

   „Dann ist das Ergebnis nicht eindeutig und sämtliche Anträge hinfällig. Das Komitee alleine darf genauso wenig über Gesetze bestimmen als der Bürgermeister im Alleingang.“

   „Um einen Putsch, beziehungsweise eine Diktatur zu verhindern.“

   „Ganz genau.“, Dotour nickte, wenn auch auf zu den Wolken, da er einen Tropfen gespürt hatte. „Allerdings darf, auf selbigem Wege jeder Bürger jederzeit einen Misstrauensantrag gegen den Bürgermeister stellen. Eine Volksbefragung ist in diesem Fall dennoch unumgänglich. Einzig wenn das Komitee den Misstrauensantrag stellt,“

   „Fallen die Verhandlungen darüber vermutlich weg.“, auch Link spürte nun ein paar Tropfen und bemerkte deutlich, dass Dotour die Richtung änderte – gen Weststadt anstatt zum Waschplatz.

   „In der Tat.“

   „Und was, wenn der Misstrauensantrag – durch ist?“

   „Dann gibt es Neuwahlen.“, Link stockte, wenn er die Antwort auch eigentlich erwarten hätte müssen.

   „Gilt bei denen auch die Regelung von siebzig Prozent?“

   „Na na, werd nicht gleich naiv.“, gluckste der Shiekah. „Es müssen stets mindestens drei Kandidaten antreten. Wenn einer über fünfzig Prozent erhält, ist die Wahl gewonnen. Liegt er – oder sie – aber darunter, entscheidet eine Stichwahl zwischen den beiden Stimmenstärksten. Das ist auch bei jeder regulären Wahl eines Volksvertreters so, ob nun Bürgermeister oder bei der Bestimmung eines Komiteemitgliedes. Lediglich die Dekus stehen noch zu ihren Adeligen.“

   „Was, wenn sich nach Ende der Amtsperiode keiner zur Wahl meldet? Ist der Bürgermeister dann automatisch – “

   „Glaub mir, so zufrieden sind die Bewohner dieses Landes nicht. Irgendjemand meldet sich immer, und wenn es nur zum Spaß ist. Aber diese werden recht schnell aus dem Rennen geworfen. Dafür herrscht doch noch genügend Vernunft unter den Wählern. Zum Glück. Und das hatte Kafei. Er darf sich sehr glücklich schätzen, dass das Ende seiner ersten Periode genau in die Invasion gefallen ist. Sein Einsatz hat die Chancen von Nebenbuhlern in Grund und Boden gestampft.“

 

   Als sie beim Westtor ankamen, nieselte es bereits merklich. Jene Bewohner die ihnen untergekommen waren, hatten ihre Schritte so verschnellert, dass Link das Gefühl gehabt hatte, sich in mit Dotour in Zeitlupe fortzubewegen. Dieser stoppte vor der Tür zur Kampfschule.

 

   „Ich hoffe, ich konnte dir zumindest etwas behilflich sein.“

   „Oh ja. Das konntest du, danke. Weißt du, da wir gerade hier stehen, als Kafei sich nach der Hinrichtung abgeschottet hat, bin ich auch zu Ydin gegangen. Naja, ich dachte, sie kennt Kafei. Aber sie hat mir nur gesagt, ich solle still sein und mich ansehen.“, Dotour schmunzelte leicht. „Ich war so wütend, weil ich nicht wusste was sie damit meint, dass ich einfach schweigend hinter mir die Tür zugeknallt hab. Das ist mir eigentlich so peinlich, dass ich mich noch nicht einmal bei ihr entschuldigt hab.“

   „Denn ich nehme an, du weißt inzwischen, was sie dir damit sagen wollte?“

   „Ja. Es hat zwar etwas länger gedauert, aber ich bin draufgekommen, dass ich selbst oft genau das getan hab, was Kafei tut, wenn er etwas vermeiden möchte. Ich musste feststellen, dass gewisse Dinge erst ins Rollen kommen, wenn man mit Leuten spricht. Also hab ich mich, wenn ich mit etwas noch nicht konfrontiert werden wollte, dafür entschieden, andere nicht mit mir zu konfrontieren. Ich – hab mich von der Welt abgeschottet, bis ich bereit war, etwas zu tun – oder bis es unaufschiebbar wurde. Wir – so verschieden wir sind, so erschreckend ähnlich sind wir uns, eigentlich.“, Dotour nickte.

   „Nun gut. Wenn du mich nun entschuldigst, ich lasse dich zwar ungerne im Regen stehen, aber mich hat das Bedürfnis gepackt, Frano einen Besuch abszustatten.“

   „Kein Problem. Ich muss ohnehin zu Ydin. Viscen hat mir die Ohren vollgejammert, von wegen die Wachen würden nach neuer Unterwäsche verlangen.“

   „Ach herrje.“

   „Ja. Hab mir gerade noch einen Witz verkneifen können.“

   „Aber hallo!“, gluckste Dotour. „Solche Hosenscheißer sind sie nun auch wieder nicht!“

   „Ja, ja.“, schnaubte Link, enttarnt. „Ich weiß. Die Wachen von Hyrule Stadt sind größere Feiglinge.“

 

 

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