- Kapitel 10 -

Masken

   Dieses Frühstück hatte dem Hochzeitsmahl von Kafei und Anju in nichts nachgestanden. Erst gegen Ende war alles ein bisschen lockerer geworden und auch Romani hatte sich wieder einmal an Link’s Seite gequetscht und bei jeder Gelegenheit versucht, ihm näher zu kommen. Diesmal hatte es ihm gereicht. Nach wiederholten Annäherungsversuchen hatte er sich zur fast allgemeinen Belustigung schlichtweg auf Kafei’s Schoß gesetzt und von dort aus weitergegessen. Sogar Zelda hatte sich nach erstem Misstrauen wieder daran erinnert, was Link ihr über die Hochzeitsfeier erzählt hatte. Nachdem Romani ihn angejammert hatte, warum er nur so abweisend ihr gegenüber war, hatte er ihr sagen müssen, dass er vergeben war. Zwar hatte er nicht gesagt an wen, aber die mehrmalige Wiederholung des Wortes `vergeben´ hatte es dann doch irgendwann geschafft, dass sie die Hoffnung vorerst aufgab und ihn in Ruhe ließ.

 

   Der Rest des Tages verlief eher hektisch. Anju und Kafei gingen ihren letzten Pflichten nach. Das Mittagessen war ein Kommen und Gehen. Danach erschien das Bürgermeisterpaar; Kafei wieder in seiner Alltagstracht und ungeschminkt; auch erst wieder bei einem viel zu kurzen Abendessen, während dem Anju’s Schwester auftauchte und sie beide mit dem Drachen, der Stunden zuvor fast vor der Prinzessin gerettet werden hätte müssen, kurzerhand die Flucht ergriffen. Zelda hatte beim Kochen noch einen Auszucker gehabt und eine leere Pfanne nach Anidja geworfen, als sie schlimmer denn je über Kafei gelästert hatte. Link war irgendwie froh, dass es Zelda’s Pfanne gewesen war und nicht das Küchenmesser in seiner Hand, denn das hätte getroffen. Link vermutete nur, dass ihr plötzliches Verlassen des Speisezimmers irgendetwas mit den von Zelda erwähnten Säbeln und ihren Kostümen zu tun hatte.

   Cremia und Romani, die den ganzen Tag im Gasthof geholfen hatten, folgten den drei anderen Frauen. Kafei’s Kinder stürzten sich ohne viel Zeit zu vertrödeln ins Festgetümmel und ließen die drei Männer mit Zelda und der – Seniorengesellschaft – zurück. Zelda hatte über den ganzen Tag hinweg immer wieder versucht, Link näher zu kommen. Doch zu ihrem Pech hatte er ebenfalls wie sie und die Milchschwestern mitgeholfen und war immer genau dann zu einer Arbeit eingeteilt und von ihr weggelockt worden.

   Mit der Zeit merkte er, dass vor allem Dotour eine Vorliebe dafür entwickelt hatte, ihn für irgendwelche belanglosen Tätigkeiten zu missbrauchen. Das Altbürgermeisterpaar hatte zu Link’s Verwunderung versucht, sich an allen Ecken und Enden nützlich zu machen. Anidja hatte den Feldwebel gespielt und Rim zu Cremia’s Missfallen durch die Gegend kommandiert. Er jedoch hatte alles über sich ergehen. Link wusste inzwischen auch, dass Malon tatsächlich die Cousine von Romani und Cremia gewesen war. Ihre Mütter waren Zwillingsschwestern gewesen. Mittlerweile hatte Cremia, die Malon auch gekannt hatte, sich wieder einigermaßen von der Tatsache erholt, die sie Link nicht ganz glauben hatte können. Auch für ihn selbst war es noch immer recht schwer, dass die Rettung Terminas den Lauf der Geschichte so geändert hatte.

   Durch den Aufprall des Mondes waren irgendwelche unterirdischen Lavaströme geändert worden und somit das Erdbeben verhindert worden, was dank der Abwendung des Absturzes doch ausgebrochen war und eben auch Malon und Talon getötet hatte – zumindest war die Theorie mit den Lavaströmen die der Goronen und Zelda’s. Da er bisher keine plausiblere Erklärung für das Erdbeben gehört hatte, nahm er diese hin und verbreitete sie auch beizeiten. Tatsache war jedenfalls, dass dieser damalige Eingriff in die Vergangenheit, die gesamte Zukunft geändert hatte. Auch wenn er zutiefst bedauerte, dass so viele hatten sterben müssen, so waren nun jene in Hyrule gestorben und nicht wie ursprünglich die in Termina. Es hatte immer nur die Wahl zwischen Toten und Toten gegeben, mit dem Unterschied, dass er nun manche kannte, die sterben hätten sollen und manche, die er zuvor gekannt hatte, tot waren. Aber Kafei war am Leben. So skrupellos es gegenüber den Toten klingen mochte, das war alles, was für Link momentan zählte

 

   So saß die reduzierte Gruppe nun beim Rest des Abendessens und Zelda verließ sie mit Rim schlussendlich, um sich umzuziehen. Auch erklärte sie sich im selben Atemzug bereit, Triri zu verschönern. Esra hatte sich schon vor dem Abendessen in Schale geworfen. Lediglich von ihrer Maske hatte sie noch nichts sehen lassen. Dotour folgte Zelda hinaus, mit den Vorwänden, sich doch noch verkleiden zu wollen und die Mädchenbande aus dem Badezimmer zu werfen. Esra wollte sich diesen Spaß nicht entgehen lassen.

   Übrig blieben also nur noch das verhinderte Liebespaar und einige Gäste. Plötzlich ging die Tür auf und unterbrach das Schweigen des Duos. Das Gesicht einer Person tauchte auf, mit der Link überhaupt nicht gerechnet hatte. Bei all dem Durcheinander hatte er völlig vergessen, sein Kostüm abzuholen.

 

   „Da seid ihr ja! Was war’n los?“, sang Ora, die nur wiederzuerkennen war, da sie ihre Maske hochhob – Link fand, dass sie wie eine Mischung aus Fee, Horror Kid und Kriegerin aussah.

   „Tut mir echt leid.“, jammerte Link und stand auf, Kafei kichernd auf den Fersen. „Ich hab komplett drauf vergessen.“

   „Hopp, hopp! Ydin steht draußn. Sie hat alles in ’nen Karren gepackt un’ zugedeckt, damit’s ja keiner sieht.“

 

   Ohne ein weiteres Wort folgten sie der Designerin vors Rathaus. Ydin, selbst in einer kunterbunten Wachmannsrüstung, erzählte ihnen, dass sie den umständlichsten Umweg genommen hatte, um keine Treppen passieren zu müssen. Da sie es allerdings mit einem Lächeln erzählte, wusste Link, dass sie ihm nicht böse war. Dennoch überhäufte er sie mit Entschuldigungen, die sie alle abtat. Gemeinsam hievten sie den Schubkarren über die Treppe in den ersten Stock und legten die Rüstung aufs Ehebett. Dort verscheuchte Ydin ihre Mitarbeiterin mit dem Wagen.

   Bevor sie die Tür schloss, traute Link seinen Augen nicht. Eine Horde wild kichernder Gerudo-Frauen lief daran vorbei. Kafei sperrte ab und bat Link, ihm seine Sachen wiederzugeben. Aber anstatt ihm zu sagen oder gar zu zeigen, was sie waren, legte er die beiden Schachteln nur aufs Bett und begann Link auszuziehen. Es war ihm etwas peinlich, da Ydin im Raum war. Deshalb wollte er ihm helfen, doch Kafei schlug neckisch Link’s Hände aus dem Weg und küsste ihn innigst, während er ihn weiter auszog. Link verstand es als Zeichen, dass Ydin von ihnen wusste und wurde entspannter.

   Er hatte diese unglaublich sinnlichen Lippen bereits so sehr vermisst, auch wenn es nur vierzehn Stunden gewesen waren. Kafei beendete den Kuss wieder und half Link mit dem Anziehen. Als er die Rüstung festgezurrt hatte, ging er zu seiner berühmtberüchtigten Kiste, während Link seine Kette umlegte, seine anderen Sachen zuerst in der grünen Mütze und seine Haare unter den anschließend ineinander gesteckten Mützen verstaute. Kafei kam mit einem kleinen, hohen Koffer, einem Tuch und einer Art Creme-Dose zurück und platzierte alles auf seinem Nachttisch. Link staunte nicht schlecht, als sein Freund den fast superlativen Schminkkoffer öffnete.

   Ydin hatte den Entwurf mitgenommen und legte ihn neben Kafei aufs Bett. Link stand so ruhig er nur konnte und beobachtete jede von Kafei’s konzentrierten Bewegungen. Zuerst trug er eine dezente, schwarze Betonung der Augen auf, dann hob er mit Rouge die restlichen markanten Partien von Link’s Gesicht zart hervor. Eine weiße Überpuder, nun folgten die farbigen Konturen für die andere Bemalung. Mit einem Pinsel und etwas Wasser, das er in eine Schale gezaubert hatte, füllte er die Flächen und verwischte die Farbe zuletzt mit den Fingern.

   Link genoss die warmen Streicheleinheiten bis aufs Letzte. Letzteres sollte ein erneuter Kuss sein, bevor Kafei ihm die sichtbaren Haare mit dem Mittel in der Dose einrieb und sie nach kurzer Trockenzeit ausbürstete. Dann schnallte er ihm nur noch das Schwert um und nickte. Erst jetzt ließ er Link vor den Standspiegel treten.

 

   „Haben wir was vergessen?“ fragte Ydin nur, doch Link schüttelte den Kopf, wobei ihm auffiel, wie weich seine Haare dennoch fielen.

   „Meine Augen waren vollkommen weiß. Aber ich will ja niemanden zu Tode erschrecken. Falls es überhaupt – “

   “Wirklich? Weil ich,”, Kafei schnappte sich ein kleines Fläschchen und schüttelte es verspielt.

   “Was zum – hast du tatsächlich eine Flüssigkeit, die – ”

   “Ja. Aber ich bin mir nicht sicher, wie gut deine Augen sie vertragen, oder wie lange sie wirken würde. Ich bin schließlich ein Shiekah. Sie könnten – ”

   “Nein, danke. Ich bevorzuge es, nicht zu erblinden.”

   “Es gäbe Feen, weißt du. Aber ich kann verstehen – ”

   “Aus welchem Grund würdest du wollen, dass deine Augen vollkommen weiß sind?”, jammerte Link.

   “Ähm – Karneval?”, kicherte Kafei.

   „Ja, hat er.“, bestätigte Ydin. “Und es hat unglaublich ausgesehen.”

   “Ah – ja. Aber danke.”, Kafei ließ das Fläschchen wieder hineinfallen. „Ich glaube – ich war auch viel größer, aber da ich mir da nicht ganz so sicher bin, ist das egal. Ich danke euch von ganzem Herzen.“, lächelte Link und gab Kafei einen Kuss auf die Wange. „Und sieh mich nicht so an, nur weil ich nicht bereit bin, bei all deinen Experimenten mitzumachen. So. Zeigst du mir jetzt dein Kostüm?“

   „Nein.“, grinste Kafei und fummelte unter seinen Haaren herum. „Kannst du den sicher für mich verwahren?“, er zog den Anhänger mit dem blauen Stein unter seinem Hemd heraus und reichte ihn Link.

   „Äh – ja. Sicher.“, überlegte dieser und nahm ihn an sich.

   „Danke. Und jetzt raus mit dir. Du siehst es früh genug.“

   „Wirfst du mich etwa hinaus?“

   „Ja. Es ist mein Zimmer, mein Haus, meine Stadt und du gehörst mir auch. Ich werfe dich, wohin ich will. Und komm bloß nicht auf die Idee, auf mich zu warten.“

   „Ja, ja. Ich geh ja schon.“, gluckste Link und Ydin ließ ihn aus dem Raum, bevor sie die Tür wieder hinter ihm absperrte.

 

   War das zu fassen? Seufzend starrte er den Anhänger einen Moment lang an, verstaute ihn aber dann unter seinen Mützen, ging nach unten und fand den Eingangsbereich recht belebt. Ora stand hinter Triri’s Rollstuhl. Die alte Dame trug ihr schönstes Kleid, ein Traum in Orange-Gold, vermutlich ein Relikt aus alten Tagen. Ihre Maske passte sich in Sachen Farben und Formen an. Esra’s blauroter Prunk war schon vorhin ein Augenschmaus gewesen, doch jetzt hatte sie mit Tüchern, Bändern und einer utopischen Vogelmaske noch eine Draufgabe gefunden. Kafei’s Kinder hätten Ora’s Kinder sein können, wobei Taya durch ihre Keaton Maske doch ein wenig aus der Reihe tanzte.

   Rim’s weite, schwarzviolette Robe ließ ihn wie einen Magier aussehen. Auch sein Gesicht war mit einer passenden Maske verdeckt. Zelda’s rosa Kleid war zwar schlicht vom Schnitt, aber doch recht aufreizend und schillerte immens. Auf Schmuck hatte sie natürlich nicht verzichtet. Ihre feminine Halbmaske wurde durch Federn verziert.

   Ein Zora mit prunkvollem Schmuck an Knöcheln, Handgelenken und Stirn sowie die fünf, voll bewaffneten Gerudos standen ebenfalls dabei. Was allerdings eigenartig war, die Frauen hatten nicht ganz die Haarfarbe von Gerudos und auch blaue Augen. Ihre Ohren waren ebenfalls alles andere als typisch für Gerudos und sie waren verglichen mit allen Gerudos, die Link bis jetzt gesehen hatte, extrem blass. Eine stach vor allem heraus, da ihre Körpermaße recht ungewöhnlich für das kriegerische Volk waren. Anidja’s Kostüm war grün, ihre beiden Töchter orange und violett, Cremia weiß und Romani knallrot – nicht nur ihr Gewand, sondern auch das, was oberhalb ihres Schleiers von ihrem Gesicht zu erkennen war.

   Plötzlich stürmte Zelda auf ihn zu. Sie hatte die Hände schon auf der Höhe seines Gesichtes, doch er konnte sie gerade noch abfangen und auf seine Rüstung lenken.

 

   „Nicht anfassen.“

   „Was?“

   „Das – “, er kniff die Augen zu. „Das ist nur Farbe.“

   „Farbe?“

   „Es tut mir leid. Nein, das ist alles nicht echt. Aber wenn du dir meine Augen noch komplett weiß vorstellst, dann hätte ich genau so ausgesehen.“

   „Wie jetzt?“

   „Ich Idiot hab überhaupt nicht bedacht, dass die Maske hier nicht funktioniert.“

   „Aber – aber wie bist du dann – “

   „Das war der Grund, warum ich immer verschwunden bin. Ora und Ydin haben mir das Leben gerettet. Kafei noch mehr. Er hat mir nicht nur die besten Künstler der Welt vorgestellt, sondern sich auch selbst als einer erwiesen. Die Bemalung ist einfach nur perfekt, oder? Und das Tollste, der Schmied hat seinen Beitrag geleistet. Geh ein Stück zurück.“, er zog sein neues Schwert, was alle in Staunen versetzte. „Das ist mit Abstand das schönste Schwert, das ich je gesehen hab. Auch ist die Klinge fast so, wenn nicht genau so scharf wie das Original.“

   „Sind das – ich kenne diese Materialien – “, hauchte Zelda. „Sie stammen aus Ikana! Aus den Bergen des Hinterlands, in der Nähe von Ordon! Die Mienen grenzen schon an die Wälder im Süden Hyrule’s an. Die leichtesten und härtesten Metalle der Welt. Nur ein Schmied der Shiekah hätte eine solche Waffe schaffen können.“

   „Nun – er ist zwar keiner, aber er hat bei einem gelernt.“, Zelda nickte.

   „Aber es ist nicht gehärtet.“

   „Nicht?“

   „Nein.“, sie fuhr vorsichtig über die flache Seite. „Nein. Ein Meisterwerk, doch es wird nicht lange halten.“

   „Dachte ich mir. Hundert Schläge, bis es zu brechen beginnt?“

   „Ja. Sicher nicht mehr. In diesem Fall würde das Härten ganze zwei Tage dauern.“

   „Dann ist mir so einiges klar, warum er es so schnell fertig bekommen hat.“, seufzte Link und steckte es vorsichtig zurück.

   „Wenn du noch länger bleibst, könntest du es mit Saszirstaub härten lassen. Aber er ist noch seltener als Goldstaub und ich habe keine Ahnung, wo man welchen herbekommt.“, sagte der Zora und Link traute seinen Ohren nicht.

   „Dotour?“, stutzte er.

   „Was dachtest du denn?“, lachte dieser.

   „Deine Augen – “, sie waren zur Gänze violett und so geschminkt, dass sie beinahe wie die eines echten Zora wirkten.

   „Ja, was ist damit?“, grinste Dotour.

   „Also schadet es nicht?“

   „Ich dachte mir, dass Kafei es versucht hat.“

   „Ja, hat er. Aber – “

   „Ich verstehe deine Bedenken. Noch nie hat es ein Hylianer versucht.“

   „Aber du wirkst so echt! Wie – “

   „Ein Prachtkostüm, oder?“, er zog kurz am Stoff an seinem Bauch, welcher sich sofort wieder zurechtformte. „Und – von irgendwem muss mein Sohn das Schminken ja gelernt haben. Leider musste der Bart dran glauben.“

   „Ach ja – wo ist mein Mann eigentlich?“, kam es von der orangen Gerudo und Link war froh, dass diese eine Sache zumindest für diese Nacht geklärt war.

   „Er ist noch oben. Ydin ist bei ihm und hilft ihm mit seinem Kostüm.“

   „Was ist es? Was ist es?“, sang Romani energisch.

   „Ich hab nicht die geringste Ahnung. Er hat mich rausgeschmissen.“

   „Was?“, kam es lachend von mehreren Seiten.

   „Ja. Was weiß ich denn, was das sein soll, dass er so ein Geheimnis darum macht. Auf jeden Fall wollte er, dass ich keineswegs auf ihn warte. Also nehme ich an, hat er auch kein Interesse daran, jemanden von euch zu sehen, bevor er es für nötig hält.“

   „Diese Sturheit hat er von seiner Mutter.“, seufzte Dotour. „Wir sollten uns ins Getümmel werfen.“

 

   Ein Getümmel war es wahrlich. Wenn hier schon so viele Leute waren, wie würde es dann erst um Mitternacht im Südviertel zugehen? Kafei hatte bezüglich der Gorman-Truppe nicht gelogen. Vom Südviertel her schallte fröhliche Tanzmusik. Auch am Ostplatz spielte ein altbekannter Mann mit seinem Leiherkasten, zu dessen Musik Tänzer und Feuerkünstler ihre Darbietungen lieferten. Alle Feiernden trugen teils aufwändige Kostüme und Masken. Link schämte sich irgendwie, dass er nicht ganz so maskiert war, aber trotzdem war er stolz auf seine Spontankleidung.

   Als sie an der Milchbar vorbeigingen, wurde die Tür geöffnet und eine Schar stürmte hinein. Link hörte einen vertauten Musikstil und erkannte Lulu’s Stimme. Sofort folgte er der Gruppe in die vollgestopfte Bar. Gerade noch konnten ihm die hinterher. Drinnen wurde es dadurch ziemlich eng. Sie schafften es ein Stück die Treppe hinunter, wo sie einen besseren Blick auf die Band hatten. Herr Barten hatte drei Kellner engagiert, die mit ihm hinter der Theke hin und her flitzten, um den Durst der Gäste rechtzeitig zu stillen.

   Von hier aus konnte er über die Absperrung vor der Bühne sehen. Davor hockten siebe kleine Zoras und wippten im Takt der Musik mit. Der neue Gitarrist, inzwischen schon eng mit der Band verschweißt, gab ein traumhaftes Solo zum Besten und die Menge jubelte. Gegen Ende des Liedes spielte er mit Japas regelrecht um die Wette, der zum Schluss den Refrain mit Lulu im Duett anstimmte. Anju erklärte Link, dass aufgrund der vielen Soli und Improvisationen sich die Live-Stücke der Indigo-Go’s immer mehr als doppelt so lang dahinzogen, als die Originalversionen. Link aber fand, dass sie dennoch nichts an Reiz verloren. Im Gegenteil. Sie bewiesen das enorme Talent der Musiker. Lulu’s Stimme umfasste eine Bandbreite, die er nicht für möglich gehalten hätte.

   Nach dem siebten oder achten Lied legten sie eine kurze Pause ein. Auch Link brauchte dringend frische Luft und bahnte sich mit seinem Gefolge den Weg aus der Bar. Die kühlere Luft tat gut. Leider waren die Eingänge zur Südstadt ziemlich belebt. So teilte sich ihre Gruppe auf und Zelda verschwand mit Link und den falschen Gerudos in die Nordstadt. Dort wurde ein kleines aber aufwendig inszeniertes Theaterstück aufgeführt, das die Geschichte des Karnevals erzählte. Gegen Ende erblickte Link die Dekukönigin und ergriff die Flucht in die Passage. Die anderen Frauen merkten es und folgten ihm etwas verwirrt nach West-Unruh, wo die Rosa-Schwestern mit sieben weiteren Frauen tanzten.

  Als sie es endlich geschafft hatten, auf den Hauptplatz durchzukommen, zeigte die Turmuhr bereits nach halb Zwölf. Der gesamte Platz war eine einzige Tanzfläche. Vor dem Holzturm, von dem aus ein gigantisch hoher Steg mit Geländer in den Himmel ragte, spielte eine bunt gekleidete und multikulturelle Truppe mit den seltsamsten Instrumenten. Die Menge selbst tanzte zwischen den geschmückten Marktständen; unter denen die Kisten entfernt worden waren; und vier verstrebten Holzpfeilern, die später den Steg zum Uhrturm tragen sollten. Der Holzturm war zusätzlich durch einen weiteren, abgesicherten und momentan gesperrten Steg mit dem Aufgang zum Waschplatz verbunden.

 

   „Ist das ein Kleid!“, kam es von Anidja.

   „Himmlisch.“, schwärmte Cremia.

 

   Link und auch die anderen Frauen folgten ihren Blicken. Eine wunderschöne Frau in einem rosa, weiß und goldenen, bodenstreifenden, prachtvollen Kleid mit hellblauen Bändern stach aus der Masse heraus. Das Kleid war über und über; doch nicht aufdringlich; mit Perlen und Seidenfäden bestickt und um den Oberkörper knalleng, ab der Hüfte aber weit ausladend. Die Enge des Oberteils betonte ihr Decolleté, auf dem ein zartes Geschmeide ruhte, extrem. Der Schmuck war golden, filigran und wurde durch glitzernde, rosa und blaue Steinchen verziert. Sie trug noch passende Ohrringe und einen Ring am rechten Ringfinger.

   Die Ärmel des schulterfreien Kleides waren an den Oberarmen bauschig und an den Ellenbogen abgenäht. Darunter verliefen sie in weit schwingenden, weißen aber farblich dazupassend bestickten Trompeten. Ihre Haare wurden zur Gänze durch einen bestickten, zartblauen Schleier eingefangen, der ihr weit bis unter die Hüften reichte. Von ihrem Kopf waren lediglich die Ohren, sowie die Partien ab den Wangen zu sehen, da sie eine glitzernde Maske trug.

   Ihre sinnlichen Lippen und die Wangen wurden durch ein zartes Rosa betont. Sie hatte sichtliche Freude am Tanzen und, wie Link nach einer Weile des Beobachtens feststellte, am Flirten mit allen männlichen Lebewesen, die ihr unterkamen. Auch analysierte er seine Begleiterinnen, die nur fasziniert, ja fast neidisch, dem eleganten Wesen nachstarrten. Sie hatte etwas von einer Prinzessin, dachte Link und wusste, dass er mit seinen Gedanken nicht alleine war. Irgendwie schien sie ihm aber bekannt vorzukommen. Vor allem die Ohren, die nicht gerade hylianischer Standardlänge entsprachen.

 

   „Ich glaube, ich muss zu ihr gehen und sie fragen, wo sie das Teil gekauft hat.“, hauchte Anju-Sorrei und ihre Schwester stimmte ihr nickend zu.

   „Man muss zugeben, sie hat nicht gerade viel.“, kicherte Zelda und alle lachten, als sie ihre eigenen Brüste in die Höhe hob, um zu verdeutlichen, was sie meinte. „Aber das was sie hat, weiß sie durchaus in Szene zu setzen.“

   „Ha! Da seid ihr ja!“, der andere Teil der Gruppe hatte sie gefunden.

   „Ach – ja.“, lachte Esra. „Die haben wir schon den ganzen Abend beobachtet. Außer mit Dotour hat sie wahrscheinlich schon mit allen Männern getanzt. Und wie sie reinbalzt – ich glaube, sie hat eine Ehrung als Königin des Festes verdient. Ein reizendes Mädchen.“

   „Wohl eher aufreizend.“, lachte Rim.

   „Ja. Das auch.“

   „Aber sie ist gar nicht so aufdringlich.“, bemerkte Link. „Sie flirtet nur.“

   „Und wie.“, grinste Dotour.

   „Und das Kleid ist diesem göttlichen Wesen würdig.“, seufzte Ydin. „Es hätte glatt von mir sein können.“

   „Wo ist Kafei hin?“, fragte Cremia.

   „Habt ihr ihn auch noch nicht gesehen?“, fragte Ydin entgegen. „Ihr seid ja wirklich blind. Aber bitte. Spätestens bei seiner Rede dann.“

 

   Plötzlich entdeckte Link ein anderes, bekanntes Gesicht in der Menge. Auch sie musste ihn entdeckt haben, da sie ihm kurz zulächelte. Es war jene weniger verhüllt gewesene der drei Frauen, die er zwei Tage zuvor im Rathaus gesehen hatte. Sie war wieder gleich gekleidet. Er wollte schon losstürmen, doch Zelda packte ihn am Arm und deutete auf eine andere Person. Der Schillernde Blickfang kam auf sie zustolziert. Um genau zu sein, direkt auf ihn.

 

   „Kann das möglich sein?“, sie hatte eine recht liebliche, vergnügte Stimme, überlegte Link. „Ein Gesicht, dessen Besitzer noch nicht mit mir getanzt hat?“, sie trat vor ihn und machte einen Knicks. „Wenn Ihr erlaubt, mein Herr? Die Nacht ist noch jung und die Tanzenslust hat von mir Besitz ergriffen.“

   „Na los.“, zischte Zelda und drängte den perplexen Link auf die Fremde zu.

   „I-i-ich kann nicht tanzen – “, stotterte dieser, nicht sicher, ob es so eine gute Idee war und erhielt ein herzergreifendes Lachen, nicht nur von jener, die ihn aufgefordert hatte.

   „Natürlich kannst du tanzen.“, kicherte Zelda. „Alle können das. Wenn du nicht gehst, gehe ich. Rein um dieses Kleid berühren zu dürfen. Also los. Oder willst du eine Dame abservieren?“

   „Ich – äh – nein – ich – “

   „Na eben.“, lächelte die schöne Frau und reichte ihm die Hand. „Wenn du willst, führe ich auch.“

 

   Als sich ihre Hände berührten und er Hals über Kopf in die tanzende Menge gezogen wurde, fand er seine Vermutung bestätigt. Er kannte diese Frau. Sogar sehr gut. Etwa in der Mitte zwischen den uhrturmnahen Unterständen zog sie ihn an sich und richtete seine planlosen Arme zurecht. Er hatte auf dem Weg dorthin versucht, die Schritte der anderen zu studieren. Doch irgendwie tanzte jedes Paar anders. Das Lied war zu Ende. Gleich darauf begann ein neues, zu Link’s Erleichterung langsameres Stück.

 

   „Was ist los?“, kicherte sein Gegenüber, das irgendwie gleich groß wie er war. „Warum so schüchtern?“

   „Kann es sein, dass ich weiß, wer du bist?“, er wurde bereits in die ersten Drehungen gezogen und war selbst erstaunt, dass er kaum Probleme mit dem Schritthalten hatte.

   „Vielleicht?“, lächelte sie. „Vielleicht auch nicht?“, erst auf diese Nähe leuchteten die blutroten Augen durch die Maske hindurch. „Was? Gefällt dir was du siehst?“

   „Und ob.“, kicherte Link verlegen.

   „Alle fragen sich nur, wo der Bürgermeister ist. Sie sagen, es wird bald Zeit für seine Rede. Hast du ihn gesehen?“

   „Vielleicht?“, konterte Link. „Vielleicht auch nicht? Weißt du, dass alle Frauen neidisch auf dein Kleid sind?“

   „Tatsächlich? Bis jetzt waren nur alle Männer aufeinander neidisch. Zumindest bis sie selbst mit mir tanzen durften.“, Link sah kurz zu seinen Leuten, welche ihn allesamt träumerisch beobachteten. „Die holde Maid an deiner Seite hatte ja keine Einwände, dass ich dich entführt habe.“

   „Oh – auch sie ist neidisch auf dich.“

   „Faszinierend. Wenn sie nur wüsste.“, bekam Link ein weiteres, hohes Kichern zu hören und wurde langsam unmittelbar vor dem Uhrturm zum Stillstand gebracht, obwohl das Lied noch etwas andauerte.

   „Was ist los, Kafei?“

   „Sch! Nicht so laut.“, gluckste er gerade hörbar in seiner normalen Stimmlage und legte seine Hände auf Link’s Brust, während dieser ihn leicht in die Arme schloss. „Es tut mir leid, aber ich kann nicht anders. Ich liebe dich.“

 

   Ungeachtet aller Beobachter holte er Link in einen minutenlangen, leidenschaftlichen Kuss, der sie beide alles um sich vergessen ließ. Mitten im nächsten Lied trennte Kafei ihre Lippen plötzlich, fuhr Link verträumt durch die Haare und platzierte einen letzten, kleinen, sanften Kuss.

   „Hast du den Bürgermeister gesehen?“, sagte er wieder mit verstellter Stimme. „Es ist bald so weit. Wenn er nicht gleich auftaucht, verpasst er seine Rede. Ich denke, ich werde nach ihm suchen lassen.“

   „Was? Was hast du – ?“

 

   Kafei antwortete mit einem breiten Grinsen und verschwand in Richtung Osten, zum oberen Durchgang. An der kleinen Rampe war eine Wache postiert, mit der er ein fragwürdig wirkendes Gespräch begann. Link konnte allerdings nicht hören, was sie sagten. Stattdessen spürte er mehrere Hände auf seinen Schultern. Seine ganze Meute war zu ihm geeilt, um ihn zu bewundern. Sogar Zelda nahm ihm nichts übel.

 

   „Und? Wie war es?“, hauchte sie neugierig.

   „Süß.“, überlegte Link. „Der Lippenstift war irgendwie – fruchtig.“

   „Du verdammter Glückspilz.“, seufzte Cremia und die beiden Anju’s nickten zustimmend.

   „Was – was macht sie jetzt?“, stockte Anidja, als Kafei sich von der Wache auf das Vordach helfen ließ.

   „Nicht doch.“, jammerte Dotour leise. „Was machst du denn. Nicht in diesem Kleid.“, Link verstand, dass er seinen Sohn schon längst erkannt hatte.

 

   Dieser stellte sich in der Mitte der Plattform zurecht und versuchte durch sehr überzeugend feminine Armbewegungen die Aufmerksamkeit der Musiker zu erlangen, damit sie ihre Darbietung beendeten. Wenn auch abrupt, rissen sie das Stück ab. Nun war es an Kafei, die Aufmerksamkeit aller anderen auf sich zu lenken. Der Platz war voll, wie er voller nicht hätte sein können, weil sich inzwischen aus den anderen Teilen der Stadt, Leute hineingedrängt hatten. Allerdings war es aufgrund seiner Position und dem glitzernden, wuchtigen Kleid nicht allzu schwer, erneut zum Mittelpunkt des Geschehens zu werden.

 

   „Könnten bitte alle herhören?“, so laut es ging, sprach er die Menge mit verstellter Stimme an. „Gut – danke. Wir haben hier ein kleines Problem. Hat jemand den Bürgermeister gesehen?“, ein fragendes Raunen ging durch die Masse und unzählige Köpfe begannen zu suchen. „Nicht? Aber es ist Zeit für seine Rede! Hat jemand – nein? Das darf doch nicht wahr sein. Aber egal. Ich hoffe, es stört niemanden, wenn ich inzwischen übernehme?“, der gesamte Platz lachte schallend. „Ich sehe das als Freigabe, also hoffen wir, dass ich es im Blut habe und nichts vermassle. Gut. Also – als erstes möchte ich mich bei allen Damen entschuldigen, falls ich ihren geliebten Begleitern etwas zu nahe getreten bin. Ich wollte keineswegs irgendwelche Beziehungen ruinieren. Auch sollten Sie Ihren Männern nicht böse sein, wenn sie sich mir ergeben haben. Es sind doch auch nur Männer.“

 

   Er legte eine weitere Lachpause ein, die er dafür nutzte, Link einen kurzen Blick zuzuwerfen.

 

   „Also – wo fange ich am besten an? Ja. Der Karneval der Zeit. Ich selbst bin nicht von hier, daher musste ich mir mein Wissen binnen kürzester Zeit erarbeiten. Wie ich gehört habe, war diese Stadt vor exakt sieben Jahren genau das Gegenteil von dem, was sie jetzt ist. Sie war wie ausgestorben, weil einer unserer Monde ebenfalls mitfeiern wollte.“, er wandte den Blick kurz zum Himmel. „Aber ich denke, ihm wurde eine Lektion erteilt und er feiert wieder dort, wo er hingehört. Nun gut. Zum Karneval an sich.“

 

   Link wusste, dass er damit niemandem zum Lachen bringen hatte wollen. Dennoch wirkte die plötzliche Stille beängstigend.

 

   „Es ist ein Fest der Freude, der Freude darüber, dass es Leben gibt. Genau dieses Leben feiern wir heute, denke ich. Wir kleiden uns in allerhand prachtvolle Stoffe; nehmt euch ein Beispiel an mir; verhüllen unsere Gesichter mit Masken und baden in der Menge, teils erkannt, teils unerkannt. Aber warum tragen wir Masken? Wir tragen sie, um jemand anders zu sein, als wir sind. Wir täuschen eine andere Identität vor. Doch tun wir das nur zum Karneval? Ich denke jeder und jede Einzelne von uns weiß, dass dem nicht so ist. Wir tragen jeden Tag unsere Masken, viele von uns haben unzählige. Wir tragen sie, um unser wahres Selbst zu verbergen. Wir tragen Masken um uns zu schützen und um andere zu schützen. Wir alle tun das, Tag für Tag. Ein Beispiel – was macht eine tolle Frau aus? Weiß es jemand?“, er tat genau das, was Zelda zuvor getan hatte. „Socken.“

 

   Noch schallenderes Gelächter erfüllte die Südstadt und er hatte echte Schwierigkeiten, sich wieder Gehör zu verschaffen.

 

   „Ja, Tag für Tag, Jahr ein, Jahr aus. Dabei vergessen wir jedoch eines – es gibt in unserem Kreis jene, die in der Lage sind, unsere Tarnung zu durchschauen. Bei manchen sind es viele, bei anderen nur eine handvoll oder gar nur eine Person. Wie viele es sind, ist nicht wichtig, Hauptsache sie sind da und wir erkennen sie als solche.“

 

   Mit einer sachten Geste seines Kopfes, die er geschickt als rhetorisches Ausdrucksmittel tarnte, sah er explizit seinen Vater, als auch seine Frau an.

 

   „Es sind genau diese Personen, denen wir wirklich vertrauen können. Sie sind es, in deren Hände wir manchmal durchaus sogar Teile unseres Schicksals legen dürfen. Es sind die, die uns lieben, so wie wir sind. Sie erkennen uns unter jeder Maske, unter jeder Verkleidung. Und es macht ihnen nichts aus, das wir unsere wahre Identität verleugnen. Denn sie lieben uns so sehr und alles an uns, dass es ihnen egal ist, wie sehr wir uns verstellen. Sie erkennen uns immer. Für sie feiern wir heute. Denn wie gesagt, sie lieben uns immer, egal ob mit – “, er schob seine Maske mitsamt Schleier nach hinten herunter und beendete den Satz in seiner eigenen Stimme, „Oder ohne Maske. Und dafür sollten wir dankbar sein.“

 

   Nachdem sich das erste Staunen gelegt hatte, brach der gesamte Platz in tosenden Applaus aus und zauberte ein verlegenes Lächeln auf Kafei’s Lippen. Mit einem kurzen, verspielten Knicks bedankte er sich bei der Menge. Link war den Tränen nahe. Interessiert beobachtete er die Leute um sich. Dotour johlte, klatschte und Pfiff freudig. Seine Frau klatschte ebenfalls, aber zögernd fasziniert darüber, dass es ihr Stiefsohn war, der in diesem wunderschönen Kleid steckte. Die anderen Frauen standen nur da und starrten Kafei perplex an. Anju-Anila hatte ihren Mann anscheinend auch schon früher enttarnt, denn sie lächelte nur zu ihm empor. Der Gesichtsausdruck ihrer Mutter gefiel Link aber ganz und gar nicht. Ihre Verblüfftheit wandelte sich nach und nach zu offensichtlichem Ekel. Kafei sah über die linke Schulter auf die Uhr und brachte die Menge zum Schweigen.

 

   „Himmel, wie die Zeit verfliegt. Wer hilft mir beim Zählen?“, er wartete kurz ab. „Zehn – neun – acht – “, fast der gesamte Platz stieg ein, nur Anidja verschwand plötzlich nach Süden aus der Sicht. „Fünf – vier – drei – “, Link sah, wie Kafei jemandem zu seiner Linken ein Zeichen gab, „Zwei – eins – “

 

   Der Lärm der nun ausbrach war überwältigend. Der Platz bebte fast unter dem Jubel, als die Uhr auf Mitternacht rückte, die Glocke läutete, das gigantische Feuerwerk losging, die Kugel sich hob und mitsamt der Uhr in ihre neue Position fiel, das Tor sich öffnete und anschließend langsam die Brücke zum Uhrturm niedergelassen wurde.

   Kaum war dies geschehen, stürmte eine massige Frau in knappem Gerudo-Kostüm über den Steg, auf Kafei zu und verpasste ihm mit solcher Wucht eine Ohrfeige, dass es ihn fast herunterriss. Genau so schlagartig legte sich Stille über den Platz, nur gestört von einigen getuschelten Fragen der Gemeinschaft, nicht sicher, was das zu bedeuten hatte. Instinktiv wollte Link ihm zur Hilfe stürmen, aber Zelda hatte ihn vor Schock ohne es zu merken am Handgelenk gepackt.

 

   „Du!“, wütete Anidja, doch ihre Tochter zeigte plötzlich was in ihr steckte.

 

   Kafei’s Frau kletterte gleich geschickt wie ihre eigene Tochter auf den Marktstand neben sich, sprang vom Dach und landete nach einer Rolle mit gezückten Säbeln zwischen ihrer mit einem Mal geschockten Mutter und Kafei, der sich die linke Wange hielt.

 

   „Du auch!“, ihr Ton war nicht minder kalt, als sie Anidja einen der Säbel an die Kehle hielt, während sie den Schleier auf einer Seite löste, sogleich aber auch mit dem anderen Säbel in Angriffsposition ging. „Wage es ja nicht.“

   „Anju! Was tust du da?“

   „Hast du nicht gehört, was er gesagt hat?“

   „Ich habe gesehen, was er getan hat!“, ihre Wut kam wieder zurück.

   „Ja. Und ich auch. Wir alle haben es gesehen und vermutlich noch viele andere. Aber ich frage dich, hast du nicht gehört, was er gesagt hat?

   „Kommt darauf an, welchen Teil seiner Beichte du meinst.“

   „Du weißt, welchen Teil ich meine. Es ist mir egal, wie viele Masken er trägt, ja? Denn ich liebe ihn – und sie. Egal ob mit oder ohne Maske. Und wenn du das nach so vielen Jahren noch immer nicht kapierst, tust du mir aufrichtig leid.“

   „Anju – “

   „Ich bin seine Frau und liebe ihn mehr als du jemals jemanden geliebt hast. Und ich bemitleide dich für deine Unfähigkeit zur Akzeptanz. Wenn du ihn schon nicht so akzeptieren kannst, wie er ist, dann lass ihn wenigstens in Ruhe.“

   „Anju! Siehst du denn nicht, was er ist? Siehst du denn nicht, wie er dich benutzt und auch noch betrügt?“

   „Ausgerechnet du sagst das. Muss ich dich an Grog erinnern? Und siehst du denn nicht, wie Kafei wirklich ist?“, konterte sie. „Du willst es gar nicht sehen. Du, in deiner kleinen, engstirnigen, mit Vorurteilen plakatierten Welt. Entweder du machst die Augen auf oder du lässt ihn in Ruhe. Er hat weder dir noch sonst jemandem etwas getan und doch tyrannisierst du ihn bis aufs Letzte. Mir reicht es endgültig. Entweder du akzeptierst ihn wie er ist, lässt ihn in Ruhe oder du bist nicht länger Teil meiner Familie.“

 

   Nun war es totenstill. Kafei hatte aber im Moment größere Sorgen als seine Schwiegermutter. Link sah, dass etwas nicht stimmte. Er spürte auch selbst, das etwas nicht stimmte. Zelda, Rim, Dotour und die beiden Kinder wurden ebenfalls unruhig. Kafei blickte nur hektisch umher, die pure Angst ins Gesicht gebrannt. Sein Atem wurde schneller und seine Augen richteten sich verzweifelt auf etwas zu seiner Linken, das niemand sehen konnte.

   Dann geschah alles schnell. Irgendetwas durchfuhr ihn. Er stolperte einen Schritt rückwärts, die Maske entglitt seiner Hand und er fiel leblos von der Plattform. Link reagierte noch rechtzeitig und fing ihn auf die Knie fallend auf, als die Menge geschockt Platz machte. Anju schnellte herum, sprang verzweifelt zu ihnen und ließ ihre Säbel achtlos zu Boden gleiten. Auch Zelda und Ydin waren zur Stelle. Zelda kniete sich Link gegenüber an Kafei’s Brust.

 

   „Ich wusste, ich hätte das Kleid nicht so eng schnüren dürfen.“

   „Nein.“, hauchte Link und starrte auf Kafei’s geschlossene Augen und den leicht offenen Mund.

   „Das war nicht das Kleid!“, jammerte Zelda, auch die anderen hatten sich um sie versammelt, als sie ihre eigene Maske vom Gesicht riss, Kafei’s Augenlider anhob und verzweifelt den Kopf schüttelte. „Bleibt weg von ihm. Bitte. Link. Leg seinen Kopf in deinen Schoß, halte ihn vorsichtig an der Stirn fest und auch seine rechte Hand. Anju – du die andere. Ydin. Halte seine Beine auf den Boden.“

   „Was war das? Was hat ihn da angefallen?“, Link zitterte.

   „Ich weiß es nicht. Irgendetwas Böses. Es ist in ihm – und irgendwo um uns. Ich spüre es. Aber ich denke, ich weiß woher es stammt.“

 

   Sie atmete tief durch und rieb die Handflächen aneinander, welche sie dann knapp über Kafei’s Brust hielt. Nun schloss sie die Augen und begann Worte in einer völlig fremdartigen Sprache zu sprechen. Link hatte schon viele Sprachen gehört, doch diese glich keiner von ihnen auch nur annähernd. Allerdings hatte er etwas Ähnliches zwei Tage zuvor vernommen. Sie wirkte exotisch, war sehr betont und leicht abgehakt. Die tiefen Selbstlaute waren teilweise in die Länge gezogen.

   Zelda’s Stimme schien leicht zu hallen. Er spürte, wie etwas, das sie beobachtete, öfters seinen Position änderte. Zelda sprach immer wieder die selben Sätze. Immer wieder, doch nichts geschah. Plötzlich stürmte eine andere Frau auf sie zu und kniete sich links neben die Prinzessin. Es war eben jene mysteriöse Frau mit den orangen Haaren und der türkis-schwarzen Hautfarbe. Zelda sah kurz verzweifelt zu ihr auf, unterbrach die Formeln aber nicht. Die andere Frau stieg auf die selbe Art auf ihre Beschwörungen ein.

   Endlich tat sich etwas, wenn auch nicht das, was Link sich gewünscht hatte, aber zumindest das, was er erwartet hatte. Kafei begann, noch immer mit geschlossenen Augen, heftig zu zittern und rang nach Luft. Link versuchte so gut es ging, ihn festzuhalten. Auch Anju und Ydin gaben ihr Bestes. Die beiden anderen Frauen zogen etwas Rotes, Waberndes aus Kafei’s Brust heraus, der sofort wieder regungslos zusammenbrach.

   Die anscheinend materielose Kugel wirkte wie tänzelnde Flammen und pulsierte leicht. Die Unbekannte entfernte ihre Hände mit einem Schmerzensschrei und rieb sie, in der Hoffnung, es würde ihren Schmerz lindern. Zelda war zu neben sich, um den Schmerz zu registrieren, als es ihre rechte Hand zu befallen begann.

 

   „Was ist da?“, kam es nicht nur von Link.

   „Schnell! Gib mir einen Lichtpfeil!“, bettelte Zelda. „Bitte!“, so schnell er konnte, zog er einen unter seinen Mützen hervor und reichte ihn ihr. „Nicht hinsehen! Alle! Bitte!“

 

   Doch sie konnte niemanden davon abhalten. Sie presste die Lippen und blutroten glühenden Augen zusammen, zog auf und rammte sich den Pfeil mit vollster Wucht in die rechte Handfläche. Ihr eigener Aufschrei wurde von einem trommelfellzerreißenden, abnormalen Kreischen übertönt, als der Pfeil in Millionen grelle Funken zerstob und sich mit dem Schimmer auflöste. Keuchend ballte sie die Hand zu einer Faust und Link sah, wie sich das Loch in ihr wieder makellos schloss. Dann folgte er ihrem in der Luft umherschnellenden Blick, konnte aber nichts erkennen.

   Ein heftiger Windstoß fuhr über die aufschreiende Menge und sie. Die Fremde rappelte sich panisch auf und ergriff angsterfüllt die Flucht. Zelda’s eigene Angst wich einer jähen Entschlossenheit. Sie stemmte sich hoch, kletterte auf die Plattform von der Kafei gefallen war, ging ein Stück auf die Brücke und lauschte über die vor Angst schweigende Menge hinweg.

 

   „Wahrheitslinse?“, war alles, was Link herausbrachte.

   „Nein. Ich finde dieses Biest auch so. Aber danke.“

 

   Als sie sah, dass Anidja noch immer am Steg kniete, streckte sie ihren Arm nach der verwirrten Frau aus und lies sie sachte auf den Boden schweben. Nun tat sie genau das, was Kafei getan hatte, als er den Felsbrocken weggefegt hatte, allerdings mit anderer Wirkung. Langsam bildete sich ein Windstrudel um sie, der, je schneller er sich drehte, zu Licht wurde und sich dann sanft über sie legte. Sie hielt nun einen goldenen Bogen in der linken Hand und ein langes, dünnes, Silberschwert mit goldenem Griff in der rechten. Das Schwert legte sie vorsichtig auf den Boden, holte einen Lichtpfeil aus dem Nichts und spannte ihn ein. Tief atmend schloss sie abermals die Augen.

   Sie spannte den Bogen, zielte und schoss, etwas nach oben geneigt, direkt über den Steg. Mit einem weiteren, markerschütternden Kreischen fiel etwas Großes, Grauschwarzes aus der Luft und blieb keuchend auf der Brücke liegen.

   Die Kreatur wirkte genauso materielos wie das, wovon die beiden Frauen Kafei befreit hatten. Es verdichtete sich. Link wusste, dass es nicht aus ihrer Welt stammte. Vor dem Gesicht trug es eine silbergraue Maske mit einem seltsamen schwarzen Zeichen, hinter der Tentakel hervorschlängelten. Sein ganzer, dunkelgrauer Körper schien mit schwarzen, geometrischen Linien übersäht. Auf der Brust schimmerten sie so rot wie die Essenz, die Zelda zerstört hatte. Am markantesten waren jedoch seine langen Arme und Beine.

   Auf allen Vieren schlich es auf Zelda zu, die einen weiteren Pfeil einspannte. Das Wesen stürmte los, sprang ab, Zelda rollte sich gekonnt unter ihm durch und schoss es erneut herab. Diesmal blieb es, sich vor Schmerzen windend, zwischen der Gruppe um Kafei und dem Unterstand liegen. Zelda sog den Bogen durch ihre Hand, packte ihr Schwert im Lauf, sprang aufziehend mit einem Satz über sie alle hinweg und rammte der Kreatur ihr Schwert in die Stelle, wo man normalerweise ein Herz vermutet hätte.

   Das Kreischen, das die Schattenkreatur dabei ausstieß, war lauter als alles andere zuvor und ließ viele sich die Hände auf die Ohren schlagen. Es wand sich noch einmal hin und her, bevor es sich in schwarze, rechteckige Flitter auflöste, die an den Rändern teilweise türkis schimmerten. Sie schnellten in die Luft, bildeten eine schwarze Fläche mit eben jenen Formen, die Link zuvor auf der Haut gesehen hatte, verformten sich zu einen Strudel und verschwanden. Zudem hatte es einen weiteren, roten Hauch übrig gelassen, der sich langsam auflöste und einen kleinen, hellen Lichtschimmer auf dem Boden zurückließ. Alles sah zu diesem kleinen Licht, das sich erhob, auf Kafei zuschwebte und sich sanft auf seine Brust legte, wo es eins mit ihm wurde.

   Kafei’s Atem wurde deutlicher. Langsam öffnete er die Augen und Link fiel ein Stein vom Herzen, sowie Tränen aus seinem Gesicht. Kafei sah zu ihm auf und – lächelte, wenn auch etwas benommen.

 

   „Du – du hast mich – aufgefangen.“, hauchte er.

   „Ja. Das habe ich.“, lächelte Link zurück, zog ihn auf seine Arme hoch und schmiegte sich mit einem zarten Kuss kurz an seine Stirn. „Weißt du was passiert ist?“, Kafei nickte.

   „Ein Wesen der Schattenwelt hat einen Teil meiner Seele gegen einen Teil seiner Seele getauscht.“

   „S-seele?“, stockte Link und Zelda nickte, als sie sich an ihren vorherigen Platz setzte, während Dotour an Kafei’s Stirnseite Platz nahm.

   „Ja. Ich sag dir. Das fühlt sich grauenvoll an.“, lachte Kafei zaghaft aber dennoch, hob die Hand und strich Link über die rechte Wange, bedacht, die Farbe nicht zu verwischen. „Am Anfang hatte ich Angst. Aber dann warst du da. Und auch du – “, er sah zu Anju, die unter Tränen lächelte und ihm die Haare aus dem Gesicht strich. „Dann wusste ich, dass alles nur halb so schlimm werden würde. Und Zelda – danke.“

   „Nicht der Rede wert.“

   „Doch. Bedank dich bitte auch bei ihr, falls du sie wiedersehen solltest.“

   „Das mache ich.“

   „Wer war sie?“, fragte Link, Kafei’s dunkelblaue Wimperntusche und rosa-goldenen Lidschatten bemerkend.

   „Nicht hier. Hier sind zu viele Leute.“

   „Papa?“, fragte Taya. „Hat es dir was getan?“

   „Es war halb so wild, mein Schatz.“, lächelte Kafei und schaffte es, sich aufzusetzen, Link ließ ihn aber nicht aus den Armen.

   „Weißt du, du siehst aus wie eine Prinzessin.“, kicherte seine Tochter.

   „Danke.“, lachte er. „Ja.“, auch Dotour legte seine Arme um ihn.

   „Sie hat Recht.“, schmunzelte er und küsste ihn mitten auf den Kopf. „Wenn du schon nicht König von Ikana sein willst, warum dann nicht Königin?“

   „Lekunim.“, fauchte Kafei.

   „Papa!“, schimpften seine Kinder.

   „Tha? Wie redest du mit deinem alten Herrn?“

   „Nish triminesku áretija.“, was auch immer das heißen mochte, dachte Link. „Tolles Kostüm, auch. Und – “, er sah zu Anju, „Heiß. Solltest du öfter tragen. Im Büro und so.“

   „Ach halt die Klappe.“, lachte sie und küsste ihn. „Mh.“, sie löste den Kuss wieder. „Du hattest Recht, Link. Fruchtig.“, nun lachten alle, die das gehört hatten. „Sag mal – wessen Lippenstift ist das?“

   „Meiner.“, grinste Kafei stolz. „Alles meins.“

   „Und in den nächsten drei Jahren können wir uns kein weiteres Kind mehr leisten, wie?“, sie tippte ihm auf das Kleid.

   „Macht so viele Kinder, wie ihr wollt.“, sagte Ydin. „Es war ein Geschenk.“

   „Ge- Geschenk?“, gluckste Link. „Warum hast du dann so einen Aufstand gemacht?“

   „Hab ich doch gar nicht. Nur der Schmuck war nicht gerade billig.

   „Er wusste nicht, für wen es ist, oder?“, dämmerte es Link.

   „Nein. Könntet ihr mich nur für einen kurzen Moment loslassen, damit ich aufstehen kann?“

 

   Los ließen sie ihn zwar nicht, aber zumindest halfen sie ihm beim Aufstehen, was auch nötig war.

 

   „So. Das hätten wir.“, kicherte er. „Will jemand tanzen?“, sein Name ertönte entrüstet rund um ihn. „Was? Es ist Karneval!“

   „Du wurdest angegriffen!“, mahnte Anju.

   „Na und? Ich hab’s überlebt. Ist das nicht ein Grund zum Tanzen? Kommt schon. Lasst uns Karneval feiern. Wo ist meine Maske?“

   „Hier.“, Anidja trat mit der Maske und dem Schleier behutsam in den Händen, an ihn heran, etwas wie Reue im Gesicht. „Du bist wahrlich ein Kind des Sonnenscheins. Anju ist gut bei dir aufgehoben. Auch Link. Wenn du willst und wenn sie wollen, darfst du sie gerne an deiner Seite haben. Ich kenne meine Töchter ohnehin nicht auch nur annähernd so sehr wie ich sollte. Das habe ich jetzt erkannt und sollte nicht über dich urteilen, wo ich dich noch weniger kenne. Es tut mir leid. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen. Wenn nicht, muss ich wohl damit leben. Aber diesen Preis bin ich bereit zu zahlen, um meine Tochter lächeln zu sehen und zu wissen, dass es keine Maske ist.“, Kafei nahm zu Tränen gerührt seine Habseligkeiten an sich und fiel seiner Schwiegermutter um den Hals, welche ihm leicht irritiert den Rücken tätschelte.

   „Oma?“, kam es von Taya und die beiden ließen einander los.

   „Ja?“

   „Darf ich mich für Papa an dir rächen?“

   „Äh – “

   „Taya – also – das – “, stammelte Kafei.

   „Du bist die fetteste Gerudo, die ich je gesehen hab.“, damit erntete sie einiges an Gelächter, selbst von der Angesprochenen.

   „Damit könntest du Recht haben.“, schmunzelte Anidja, nachdem alle fertiggelacht hatten. „Dabei bin ich nicht einmal eine echte Gerudo.“

   „Trotzdem.“, grinste Taya.

   „Gut.“, lächelte Kafei und drückte Link die Maske und den Schleier in die Hände. „Du verzeihst? Ich möchte auch einmal mit meiner Frau tanzen, jetzt, wo sie es offiziell sein darf. Musik, bitte!“, rief er gen Süden.

   „Aber nur, wenn ich führen darf.“, lächelte Anju schelmisch, als die Musikanten ein fröhliches Lied anstimmten. „Ich bin die mit der Hose.“

   „Wenn du unbedingt darauf bestehst, gerne.“

   „Könnte irgendjemand bitte meine Säbel aus dem Weg schaffen?“

   „Schon längst erledigt.“, sagte Cremia, die sie in den Händen hielt.

   „Meine Güte!“, erschrak Zelda, ließ ihr Schwert verschwinden und hob hastig ihre eigene Maske vom Boden auf, die sie sich, wenn auch etwas achtlos, wie ein Krönchen aufsetzte, als das Ehepaar bereits beschwingt zu tanzen begann.

   „Du erlaubst?“, lächelte Link und reichte ihr die Hand.

   „I-i-ich kann nicht tanzen – “, stotterte nun sie, ernst und mit weit geöffneten, wieder blauen Augen.

   „Natürlich kannst du tanzen.“, gluckste Link. „Alle können das. Ich hab ja auch nicht geglaubt, dass es so einfach ist. Komm. Ich zeig’s dir.“

 

   Während Anju an ihr vorbeiglitt, steckte Cremia gekonnt ihre Säbel zurück in die Halterungen auf dem Rücken. Dann schnappte sie sich Rim und viele weitere stiegen in den Tanz ein. Esra und Dotour fegten regelrecht über die Pflastersteine, wohl hauptsächlich durch Esra’s Masse. Taya und Juro hüpften mehr, als dass sie tanzten. Auch Anidja und Anju-Sorrei wurden von jemandem aufgefordert. Ora machte das beste aus Triri’s körperlicher Verfassung, ganz zum Wohlgefallen der alten Dame.

   Ydin klapperte mit einem weiteren, bunten Soldaten namens Frano über den Platz. Nur Romani blieb für das erste Lied enttäuscht unbeachtet. Als das nächste begann, sah Link, wie ein Junge in ihrem Alter an sie herantrat. Er hatte mausgraue Haare und trug eine sehr elegante, aber schlicht rote und braune Kleidung mit goldenen Knöpfen. Als er seine gleichartige Maske kurz anhob, bemerkte Link die enorme Ähnlichkeit mit dem Schneiderpaar, wobei der Junge seine Nase eindeutig von Ydin hatte. Romani strahlte plötzlich heller als jeder Stern und nahm das Angebot an.

 

   Die nächsten zwei Stunden tanzten sie alle fast durchgehend, immer untereinander die Partner wechselnd. Kafei war wieder einmal bei Link angelangt. Noch während sie tanzten, schlug Kafei unbemerkt eine ungewöhnliche Richtung ein und manövrierte sie im Zickzack nach Nordosten. Aus der Feiergemeinde heraus, zog er den leicht verwirrten Link schweigend in die Oststadt und in die Küche des verlassenen Gasthofs.

   Dort kramte er in einem Schrank nach einer Flasche mit einer leicht gelblichen, durchsichtigen Flüssigkeit. Dann führte er ihn hinauf in den ersten Stock und wartete, bis Link verstanden hatte, dass er absperren sollte. Währenddessen stellte er die Flasche auf Link’s Nachtkästchen und entzündete das Kaminfeuer indem er eine kleine Flamme hineinschoss. Nun ging er zu der niedrigen Kommode und schob sie vor die Tür.

   Interessiert beobachtete Link sein Treiben, wandte den Blick aber kurz zur Flasche, von der er vermutete, dass sie irgendein alkoholisches Getränk beinhaltete. Er las die Aufschrift und zog eine Augenbraue hoch. Es war Salatöl.

 

   „Ähm – du hast den Salat vergessen.“, stutze Link und Kafei drehte sich kichernd um

   „Du Dummerchen. Ich esse lieber Grashalme.“, hauchte Kafei, ging auf Link zu und küsste ihn tief aber sanft.

 

   Er legte die Hände auf Link’s Hals und begann mit den Daumen seine Wangen zu streicheln. Nach eine Weile fuhr er mit ihnen weiter nach unten, öffnete den schwarzen Gürtel und ließ ihn mitsamt Schwert vorsichtig zu Boden schweben, ohne den Kuss zu beenden. Danach zog er Link so eng er konnte an sich und versuchte, die Gurte auf seinem Rücken zu lösen. Link ließ seine Handschuhe auf den Boden fallen und half Kafei, wenn auch etwas unkoordiniert, dabei. Um die Rüstung abzulegen, mussten sie sich leider trennen.

   Link legte nun seinerseits die Arme um Kafei’s Rücken und küsste ihm mit geschlossenen Augen zärtlich von der linken Wange über den Hals zur Schulter hinunter. Auch Kafei schloss seine Augen wieder und genoss. Link führte seine Lippen weiter über Kafei’s Brust zurück in die Mitte und zu seinem Adamsapfel, wobei er das Collier übersprang, hinauf über Kafei’s Kinn und zurück zu dessen Mund, wo sich nach einigen Augenblicken, auch ihre Zungen wieder trafen und zart aneinander strichen.

   Währenddessen versuchte Link, die Schnürung auf dem Rücken seines Geliebten zu öffnen, wobei er genau so ungeschickt war, wie bei seiner eigenen Rüstung. Es kostete Kafei ein Kichern, als er ihre Münder erneut trennte, um ihm zu helfen. Dann öffnete er nach und nach Link’s Knöpfe an der Vorderseite des Unterrocks und schob diesen über die Schultern nach unten. Sobald Link die Hände aus den Ärmeln hatte, fiel er von selbst und blieb bei den Stiefeln hängen. Das kümmerte ihn herzlich wenig, da er gerade damit beschäftigt war Kafei von den Ärmeln des Kleides zu befreien, der breit grinsend die Socken aus den knappen Büstenhaltern des miederartigen Oberteils zog und sie in weitem Bogen in den Raum warf, bevor er Link’s Mützen von den Haaren zog.

   Die Mondtränenhalskette ließ Kafei zu Link’s Nachtkästchen schweben und widmete sich dem dunkeln Unterhemd, welches er langsam, nicht ohne zwei sehr empfindliche Stellen zu berühren, von unten herauf Link über den Kopf streifte, glücklich grinsend, als Link bei der Berührung eben jener beiden Stellen, die Augen rollend aufstöhnte. Das Unterhemd fiel und Link schob Kafei’s Kleid genau so langsam vollständig nach unten. Durch die Masse blieb das Korsett bis zu seinen Knien hoch stehen. Beide kichernd, half Link dem anderen Mann aus dem wuchtigen Stoff und bemerkte so einiges. Jetzt wusste er, warum Kafei plötzlich gleich groß war, wie er selbst. Er trug goldene Stöckelschuhe. Auch das knappe, maßgeschneiderte, weiße Spitzenunterhöschen belustigte ihn.

 

   „Hast du etwa – “, kicherte Link. „Hast du dir die Beine rasiert?“

   „Was dagegen?“, lächelte Kafei verlegen.

   „Zelda hatte Recht. Du verstehst es wirklich, dich bis ins kleinste Detail zu inszenieren.“, er ging in die Knie, zog Kafei einen Schuh nach dem anderen aus und küsste danach den jeweiligen Fuß.

   „Stinken sie?“, gluckste Kafei.

   „Würde ich das sonst machen?“

   „Nein. Vermutlich nicht.“

   „Eben.“, lächelte Link und richte sich wieder auf.

 

   Er drehte Kafei herum und nahm ihm das Collier ab. Kafei zog es vorsichtig aus Link’s Händen und ließ es zu der Flasche schweben, wo es sich gleichmäßig niederließ. Dasselbe geschah mit den Ohrhängern und dem Ring. Link schob vorsichtig Kafei’s Höschen über die Hüften. Es fiel nach kurzer Zeit ebenfalls von selbst. Kafei lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück und schmiegte seinen Kopf seitlich gegen den von Link, als dieser den rechten Arm um Kafei’s Taille legte, mit der anderen Hand zu dessen Körpermitte glitt und ihn sanft zu massieren begann. Leise stöhnend versank der ältere Mann in der Berührung und erwachte jäh aus seiner Trance, wie Link aufhörte und ihn wieder herumdrehte, um ihn verrenkungsfrei küssen zu können, wobei seine Hände rückseitig auf besagte Höhe wanderten.

   Kafei löste den Kuss wie ein kleines Kind kichernd, da Link ihm mit beiden Händen in seinen Allerwertesten kniff. Als Antwort fuhr Kafei mit Lippen und Zunge über Link’s Brust so bis zu dessen Nabel, dass er dabei in die Knie ging. Kniend entschnürte er Link’s Stiefel und half ihm aus ihnen und dem noch immer daran hängenden Unterrock. Dann streifte er verboten langsam die eng anliegende, dunkle Hose ab, so bedacht, dass er die Unterhose erst in die selbe Richtung bewegte, nachdem er Link’s Füße auch aus der anderen herausgezogen hatte. Unnötigerweise und um alles in die Länge zu ziehen, zog er sie bis ganz nach unten und ließ Link aus ihr ebenfalls herausschlüpfen. Endlich zog er auch sein Höschen vollständig aus, das bis jetzt an seinen Knöcheln gehangen hatte.

   Danach wiederholte er diese eine spezielle Sache, die er bereits an der Schädelküste getan hatte, nur diesmal so extrem langsam, das Link schon fast dahinstarb. Zudem hörte er nach wenigen Sekunden wieder auf und zog sich an seinem entgeisterten Festmahl hoch. Lächelnd platzierte er einen kleinen Kuss auf Link’s Nasenspitze, ging durch den Raum und hob eine seiner feinen, weißen Socken auf. Mit dieser und Speichel schminkte er den völlig verwirrten Link ab. Er drehte die Socke um und wischte sich nach Gefühl die eigene Farbe aus dem Gesicht. Link half ihm ein wenig dabei. Fertig, warf er die Socke wieder hin, nahm Link an der Hand und führte ihn zu dessen Bett, wo er sich langsam und verführerisch hinlegte. Link war es irgendwie peinlich, aber er musste lachen.

 

   „Na?“, grinste Kafei. „Hat die Salatgurke endlich verstanden?“

   „Äh – Gurke?“, stockte Link.

   „Wenn du nichts dagegen hast.“, Kafei’s Blick wurde sanfter.

   „Ich weiß nicht.“, überlegte Link ernsthaft, als er sich vorsichtig auf ihn setzte und die Hände auf seiner Brust ablegte.

   „Ja. Mir ist klar, dass du erst Sechzehn bist und ich fast Achtundzwanzig.“

   „Das hab ich eigentlich gar nicht gemeint.“

   „Oh. Na schön, dass wir wenigstens dabei einer Meinung sind.“

   „Ich liebe dich, Kafei. Es wäre mir auch egal, wenn du Fünfzig wärst.“

   „Hundertdreißig?“

   „Auch das, wenn du es schaffen solltest.“

   „Wenn wir nicht anderweitig getötet werden, sind wir Shiekah mit einem sehr langen Leben gesegnet. Wie lange das in der Regel tatsächlich ist, kann ich dir aber auch nicht sagen.“, er hob seinen linken Arm und streichelte auf verschiedene Arten die rechte Wange des jungen Mannes. „Weißt du eigentlich, wie schön du bist?“, Link senkte verlegen den Kopf.

   „Bei weitem nicht so schön wie du.“

   „Ich.“, kicherte Kafei und schüttelte den Kopf. „Ich kann nichts dafür. Daran ist meine Mutter schuld. Und ich muss zugeben, teilweise vielleicht auch mein Vater.“

   „Denkst du, ich kann was dafür, dass du mich schön findest?“

   „Deine Selbstverachtung ist irgendwie süß.“, gluckste Kafei. „Aber unangebracht, wenn ich will, dass du mich mit deiner naturgegebenen Schönheit erfüllst.“

 

   Link wurde leicht rot. Kafei meinte es ernst. Auch ihm war es ernst. Er wusste, dass er jetzt eigentlich nichts anderes mehr wollte, als mit ihm zu verschmelzen. Ab dem Zeitpunkt da Kafei Link die Flasche mit dem Salatöl reichte, wurde kein Wort mehr gesprochen. Er wies ihm nur noch zärtlich mit den Händen an, was er tun sollte. Anfangs hatte Link Startschwierigkeiten, doch sie legten sich, als er sah, wie Kafei’s Augen sich schlossen und er seinen Kopf mit geöffnetem Mund nach hinten in das Kopfkissen drückte.

   Kafei selbst hatte nicht damit gerechnet, dass es sich auch auf diese Weise so herrlich anfühlen konnte. Er hatte sich immer gefragt, wie das bei zwei Männern ohne Schmerzen funktionierte, aber es funktionierte. Und wie. Immer seltener musste er Link in einen angenehmen Rhythmus verhelfen. Bald gab er sich nur noch den göttlichen Bewegungen seines Liebhabers hin, welcher, je länger ihre Verbindung andauerte, immer weiter in Glückseligkeit versank. Gemeinsam hoben sie sich immer höher in himmlische Sphären empor, bis sie die Sonne berührten und von ihren Strahlen gestreichelt herabschwebten, um sanft und weich dort zu landen, wo sie abgehoben hatten. Bevor sie aller Handlungen gänzlich unfähig wurden, lösten sie ihre Vereinigung, schmiegten sie unter der Decke eng aneinander und entglitten beide mit einem Lächeln auf den Lippen in die Welten, die ganz und gar jedem einzelnen gehörten.

 

 

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