- Kapitel 16 -

Herz und Seele

   Tote lebendig zu machen war nicht einfach, bis ganz unmöglich. Doch jene die zwischen Tod und Leben hingen, waren wesentlich leichter wiederzubeleben. Es reichte die Ankunft eines alten Freundes und Retters in der Not. Link wusste schon lange, dass er seine wahre Familie gefunden hatte. In dem Moment als er jedoch von vier Leuten gleichzeitig umarmt wurde, hatte er die Bestätigung. Da Esra tatsächlich immens abgenommen hatte, konnte sie ihm nicht mehr so viel anhaben und auch ihr Mann hatte genügend Platz an Link, dessen Beine von ihren Enkelkindern belagert wurden.

 

   „Himmel noch mal, lasst den Mann atmen! Wir brauchen ihn noch!“, lachte Cremia, drängte sich aber ebenfalls dazwischen.

 

   Jubelrufe und Applaus erfüllten die ganze Siedlung. Termina war nicht länger in Völker oder Regionen unterteilt, es war ein Land vieler Völker, die in seinem Ursprung Zuflucht gefunden hatten und nun ihren Hoffnungsträger willkommen hießen. Er war immer ein stiller Held gewesen, über den nur gesprochen wurde. Ja, jeder wusste, was er getan hatte und doch kannten ihn die wenigsten. Von denen, die ihm begegnet waren, kannten ihn die meisten nur flüchtig.

   Hier in Termina war es nicht anders. Der gravierende Unterschied zu Hyrule bestand aber darin, dass man ihn hier als einen von ihnen behandelte, nicht als einen Außenstehenden, der den Göttern gleichgestellt wurde. Denn das war er nicht. Er war nur ein einfacher Hylianer mit einer Aufgabe. Ein unscheinbares Gesicht in der Masse. Nur hier war er ein Teil einer Masse, in der jedes Gesicht zählte, egal wie unscheinbar oder markant es war. Er war Teil einer großen Familie, die alle das selbe Schicksal erlitten hatten und dagegen ankämpfen wollten, so wie er gegen sein Schicksal ankämpfen wollte.

   Sie wollten in Ruhe leben, wie er auch. Den größeren Teil seines Lebensweges war er in Hyrule gegangen. Doch hier war er wirklich zuhause. Hier, in dem Land, in dem auch seine Liebe zuhause war. Die Liebe, die seine Familie bat, ihn doch endlich loszulassen, da er wirklich noch gebraucht wurde. Etwas erleichtert lächelte Link ihm zu und der Lärm ebbte ab. Link bemerkte aber etwas. Wo waren – Kafei dämmerte es im selben Moment. Hektisch sah er sich um, konnte sie aber genau so wenig finden.

 

   „Meine Güte!“, schlug Anju die Hände auf den Mund. „Wir haben sie vergessen!“

   „Verdammt.“, fauchte Kafei und sah zurück hinunter.

 

   Link folgte seiner Blickrichtung. Von seiner Position konnte er unmöglich an die Stelle sehen, wo sie die beiden vergessen hatten. Trotzdem zog Kafei eine Augenbraue hoch. Nun auch die zweite. Seine Augen wanderten nach links unten und sein restlicher Kopf folgte eine Sekunde später.

 

   „Was ist da unten los?“, fragte Anju.

   „Was?“

   „Komm schon. Ich weiß, dass du sie sehen kannst.“, er konnte was?

   „Ich – hä?“

   „Kafei. Ich bin nicht dumm.“, mahnte Anju und Link bemerkte, wie Dotour neben ihm fast platzte, als er versuchte, nicht zu lachen.

   „Geht’s dir gut?“, fragte ihn Esra, doch er nickte nur kindisch und grinste in sich hinein.

   „Schön, wir dürfen nicht wissen, wenn sie sich an die Gurgel gehen, da sie sich ja beide bessern wollten.“, seufzte Anju.

   „Oh ja. Sie gehen sich an die Gurgel.“, kicherte Kafei und zwinkerte Link so zu, dass nur er es bemerkte. „Sie gehen sich sehr heftig an die Gurgel und gehen voll darin auf.“, sein Grinsen wurde immer breiter.

   „Was ist daran so lustig?“, stutzte Cremia; Dotour rieb sich nur die Stirn, nicht minder breit lächelnd wie sein Sohn.

   „Es ist schon lustig zu sehen, wie Rim Vaati an die Gurgel geht.“

   „Was? Aber er hat doch keine Chance gegen ihn!“

   „Da kann ich dir nicht ganz zustimmen.“, sagte Kafei.

 

   Er sah Link direkt in die Augen. Plötzlich bekam Link eine in Schwarzweiß gehaltene Erinnerung eingeflößt. Es war die Erinnerung daran, was Kafei; wie auch immer er das gemacht hatte; gesehen hatte. Link glaubte nicht, was da gerade vor seinem geistigen Auge ablief. Auch sein Blick weitete sich immens. Anju bemerkte, wo Kafei hinsah und als sie Link’s Gesichtsausdruck entdeckte, wurde sie doch leicht aufgebracht.

 

   „Was um alles in der Welt geht da unten vor sich und wieso zeigst du es ihm, uns aber nicht?“

   „Weil ihr das nicht sehen wollt.“, seufzte Kafei und Link bewegte beschwichtigend seinen Kopf hin und her. „Faszinierend, oder?“

   „Oh ja. Schon langsam zweifle ich echt an der Korrektheit des Universums. Gibt es in diesem von allen Naturgesetzen verlassenen Stück Land was zu essen? Ich sterbe vor Hunger.“

   „Hilfe! Ja! Sicher! Komm mit.“, fuchtelte Kafei. „Irgendwo haben wir noch Reste von gestern. Keine Sorge. Das klingt schlimmer als es ist.“

 

   Kafei steuerte mit Link ins wieder aufgebaute Schloss und ließ alle anderen unbeachtet zurück. So viele Lebenden hatte er in Schloss Ikana noch nie gesehen, auch wenn es nicht viele waren. Alle grüßten Kafei freundlich. Er führte ihn in einen unterirdischen Raum, der sich als Küche entpuppte. Sie war recht groß, aber momentan leer.

   In einer Ecke auf einer der langen Anrichteplatten standen mehrere große Töpfe und zwei mit Geschirrtüchern zugedeckte Glasterrinen. Kafei sperrte die hölzerne Küchentür ab, ging zu den Töpfen, hievte einen auf den Herd und warf das Feuer an. Dann bat er Link, am Esstisch der Küchenhilfen Platz zu nehmen, setzte sich auf seinen Schoß und begann ihn überaus zärtlich zu küssen. Beide genossen die Vorspeise. Leider bekam Link aber das Bild von Rim und Vaati nicht aus dem Sinn und trennte ihre Verbindung mit einem Lächeln.

 

   „Tut mir leid.“, sagte Kafei. „Ich hätte es dir nicht zeigen sollen.“

   „Macht nichts. Zumindest lässt er dich so in Ruhe.“

   „Da ist was dran.“

   „Seit wann trägt dein Vater seine Haare offen? Und einen ganz gewöhnlichen, kurzen Vollbart?“

   „Er dachte, es wäre Zeit für eine Veränderung.“, seufzte Kafei. „Aber ich weiß nicht, was daran eine Veränderung sein soll. So hat er in meiner Kindheit auch schon ausgesehen. Vielleicht täusche ich mich. Aber ich glaube, er – oh.“

 

   Der Inhalt des Topfes brodelte und Kafei stand auf, um umzurühren. Link folgte ihm und stellte sich bewusst hinter seinen Rücken, um ihm penetrant über die rechte Schulter zu sehen, damit er bei dieser Gelegenheit gleich seine Arme um Kafei legen konnte. Die Suppe duftete herrlich und sah auch gut aus. Kafei kippte seinen Kopf nach links und lächelte ihn aus der Schräge an, ohne das Rühren zu unterbrechen. Allerdings geriet die Gleichmäßigkeit seiner Bewegung ins Wanken, als Link an seinem Ohr zu lecken begann.

   Kafei entglitt neben einem leisen Stöhnen auch der Schöpfer, da Link mit einer Hand etwas zu weit gegangen war. Das metallische Scheppern riss sie wieder aus ihrer Trance und sie konnten nicht umhin, zu lachen, Link in Kafei’s Schulter hinein. Er dankte ihm gedanklich für das versperren der Tür und spürte, wie ihm die Mütze neckisch nach hinten vom Kopf geschleudert wurde. Er sah in dem Moment auf, als Kafei sein Rühren fortsetze. Die Suppe brodelte bereits heftig und Kafei brachte das Feuer mit einem leichten Handschlenkern zum Erlischen. Er ging rückwärts und schob Link mit, der ihn nur schwermütig losließ.

   Während Kafei zu einem Schrank ging um zwei Suppenteller und Löffel zu holen, hob Link seine Mütze zum zweiten Mal an diesem Tag vom Boden auf, begab sich zum Tisch zurück und setzte sich hin, seine Kopfbedeckung auf den Stuhl neben sich legend. Endlich band er sich Schwert und Schild ab und lehnte sie daneben. Kafei füllte die Silberteller und trug sie zu ihm. Nachdem er sie hingestellt hatte, setzte er sich Link gegenüber und sie begannen zu essen.

   Die Suppe schmeckte genau so köstlich, wie sie roch. Die warme Flüssigkeit tat Link gut. Noch schöner war der Anblick dieses Gesichtes, das er mehr als ein Jahr lang nicht hatte sehen dürfen. Link legte seine rechte Hand auf den Tisch und Kafei erwiderte seine Geste mit einem Lächeln. Es verband sie sehr viel mehr als nur ein körperliches Verlangen. Ihre Seelen waren Eins, verbunden auf alle Ewigkeit.

   Schweigend und händehaltend aßen sie auf. Kafei hatte noch nicht einmal seinen letzten Löffel voll hinuntergeschluckt, da lehnte sich Link über den Tisch und rieb seine Nase gegen Kafei’s. Allmählich trafen sich ihre Lippen und verschmolzen miteinander. Kafei rückte verspielt mit seinem Sessel ein wenig vom Tisch weg und zwang Link, auf den Tisch zu klettern. Er schob die Teller beiseite, kniete sich auf die stabile Holzplatte, zog Kafei’s Gesicht vorsichtig mit beiden Händen zu sich und küsste ihn weiter. Kafei ließ es nicht sein. Er rutschte wieder ein Stück und zwang Link damit auf seinen Schoß. Dieser folgte, ohne die Verbindung zu trennen, was allerdings dazu führte, dass sie geräuschvoll mitsamt dem Stuhl umkippten und lachend, ungemütlich aufeinander zum Liegen kamen.

 

   „Alles in Ordnung?“, beruhigte sich Link.

   „Ja. Bei dir?“

   „Ich liege auf dir. Was soll daran nicht in Ordnung sein?“

   „Ich hoffe nur, das hat niemand gehört.“

   „Und wenn schon.“, meinte Link.

   „Dass die Tür abgesperrt ist, heißt nichts, falls du dich noch erinnern kannst.“

   „Ja. Wie ich mich erinnere. Und wenn schon.“

 

   Sie schmiegten ihre Wangen aneinander und versuchten sich von der Lehne zu rollen. Nun war es Kafei, der auf Link lag und über Link’s Mund herfiel. Derweilen geschah etwas draußen vor der Tür, das der beiden Unbekümmertheit bewies.

 

   „Was ist passiert? Was siehst du?“, flüsterte Cremia aufgeregt.

   „Gar nichts.“, hauchte Anju. „Der Schlüssel steckt. Warte.“, sie zog einen spiegelnden, silbernen Dolch hervor, legte sich neben die Tür und stecke den Dolch in schrägem Winkel zwischen Tür und Boden. „Ja. Der Spalt ist groß genug.“

   „Und? Siehst du was? Was tun sie?“

   „Warte – “, sie steckte den Dolch tiefer, „So. Jetzt sitzt er. Sie liegen auf dem Boden und küssen sich – und zwar ganz schön ungeniert.“

   „Nebeneinander? Übereinander?“, drängte Cremia und versuchte, etwas zu sehen, indem sie sich halb auf Anju legte.

   „Aufeinander. Kafei liegt oben.“

   „Ja. Jetzt seh ich sie auch.“

   „Was ist denn hier los?“, kicherte Vaati.

   „Sch!“, zischte Cremia nach hinten und Anju wandte ebenfalls den Kopf um. „Schon fertiggezankt?“, flüsterte sie, die beiden Männer konnten gerade noch ihre fragenden Blicke verstecken, bevor sie irgendeinen Verdacht schöpfte.

   „Ja. Wir vertragen uns wieder.“, seufzte Rim leise. „Was macht ihr da? Dotour hat gesagt, ihr Vier wärt in die Küche verschwunden. Sind sie da drin?“

   „Wartet.“, kicherte Vaati. „Ich hab eine bessere Lösung. Rutscht ein Stück.“

 

   Die beiden Frauen sahen sich kurz an, rückten aber vom Dolch weg. Vaati ging zu ihnen, setzte sich auf den Boden und erschuf eine Art Seifenblase vor dem Spiegelbild. Es wurde erheblich größer und erleichterte ihnen das Spannen immens.

 

   „Vaati – “, hauchte Anju, „Machst du so etwas öfter?“

   „Kommt vor, ja.“, gluckste der Magier und die Frauen setzten sich auf.

   „Meine Güte.“, grinste Rim, sich zwischen Cremia und Vaati kniend. „Das ist ja fast so, als wollten sie, dass man ihnen dabei zusieht.“

   „Noch ein Stück – noch ein Stück – komm schon. Wie langsam kann man jemandem über die Brust lecken?“, japste Cremia. „Geht dem nicht schon der Speichel aus?“

   „Oh hast du keine Ahnung.“, kicherte Anju.

   „Unser Held ist ja ganz schön empfindlich.“, meinte Rim.

   „Ich kann das durchaus nachvollziehen.“, schwärmte Vaati.

   „Macht er das bei dir auch?“, kam es von Cremia an Anju, als Kafei Link fest an sich zog um an seinem Bauch hinabzuküssen.

   „Diese Frage will ich hier nicht hören – und ja. Gelegentlich. Er ist ziemlich vielseitig.“

 

   Kafei ruhte seine Stirn auf Link’s Nabel und zog mit geschlossenen Augen Link’s Hosen aus, die dieser als einzige Kleidungsstücke noch an hatte, während Link ihm durch die Haare strich. Kafei setzte seine Küsse nach unten fort und vor der Tür wurde es still, als alle Vier mit großen Augen näher aneinander rückten, als würden sie dadurch besser sehen können.

 

   „Er hat Talent. Das muss man ihm lassen.“, hauchte Cremia.

   „Sch!“, kam es nun von den anderen, da Link immer heftiger zu stöhnen begann.

 

   Plötzlich setzte Kafei ab und krabbelte wieder an Link hoch. Dieser zog ihm vorsichtig das Diadem vom Kopf und legte es beiseite. Erst jetzt legte Kafei seinen Umhang ab und breitete ihn auf den Boden. Sich bedankend, machte Link es sich darauf bequem und versuchte mehrere Wege, Kafei von seinem königlichen Prachtgewand zu befreien. Kafei jedoch kicherte nur über Link’s Ungeschick.

 

   „Idiot. Sitz nicht rum und lach, sondern hilf mir ein bisschen.“

   „Es ist doch gar nicht schwer. Du musst nur am richtigen Eck anfangen. Da. Die Schlaufe gehört gelöst. Siehst du? Es ist so einfach.“

   „Na toll. Und jetzt gleich alles auf einmal, oder wie? Hättest du nicht was anderes anziehen können? Das ist total unero- “, er hatte die aufwändige Tunika herunter und fand ein rotes Spitzenunterhemd mit rosa Bändchen, die an der Vorderseite kreuzgeschnürt waren.

   „Na?“

   „Oh.“, kicherte Link. „Was hättest du gemacht, wenn ich nicht gekommen wäre? Den ganzen Tag darin herumgerannt?“

   „Hätte mir nichts ausgemacht.“

   „Er trägt doch nicht etwa – “, staunte Cremia, als Link Kafei’s Gürtel öffnete und die Schnürung der weiten Hose löste, unter der sich ein dazupassendes, sehr aufreizendes Höschen befand. „Reizwäsche?“

   „Ja, das ist mein Mann.“, lächelte Anju und der andere zog diesen an seine linke Seite auf den Umhang, wo er mit seinen Fingerspitzen den extravaganten Stoff inspizierte. „Meine Königin.“

   „Und ich hab gedacht, ihr würdet Scherze machen.“

 

   Link fuhr ihm sanft über den Hals und küsste ihn langsam. Kafei genoss jede von Link’s liebevollen Bewegungen und Link genoss jede Faser von Kafei. Er schloss genüsslich die Augen, als Link ihm ganz vorsichtig die Träger über die Schultern streifte und ihm die Arme herauszog, um dann die Bänder aus ihren Schlaufen zu ziehen. Kafei hatte die Arme über dem Kopf fast verschränkt.

   Link zog seine Fingerspitzen diesmal von denen der linken Hand seiner Liebe über den Arm nach unten zur Achselhöhle und mit einem kurzen Ausflug zur Brustwarze weiter an der Seite seines Oberkörpers zur Hüfte, wo er mit dem Zeigefinger unter den Bund des Höschens fuhr und ihn daran entlang auf die anderes Seite der Hüfte zog. Von dort setze er seine Runde so fort, wie er sie auf der anderen Seite begonnen hatte. Allerdings wich er nach der Achsel über das Schlüsselbein auf den Hals und anschließend Kafei’s rechtes Ohr aus, wo er wieder nur seinen Zeigefinger benutzte.

   An der Unterseite des Ohres fuhr er zur Spitze, an der Oberseite zur Wange zurück, über diese zu den Lippen und tippte Kafei schließlich auf die Nasenspitze. An diesem Punkt schlug Kafei die Augen auf, drehte sich nach rechts und kuschelte sich auf Link, der ihm mit der rechten Hand den Kopf streichelte. Die andere Hand glitt langsam nach unten und suchte sich ihren Weg unter den zarten Stoff, wozu er Kafei’s lange Haare zuerst aus dem Weg schieben musste.

 

   „Schon?“, kicherte Kafei und sah auf.

   „Was – schon?“, stutze Link und streichelte Kafei’s Hinterteil.

   „Das war eine Frage an dich.“, er gab ihm einen kleinen Kuss.

   „Oder magst du das nicht?“

   „Mir ist egal, wo auf mir du deine Hände hast.“

   „Kann das sein, dass wir gerade nicht die selbe Sprache sprechen?“

   „Willst du etwa nicht?“, fragte Kafei verträumt.

   „Ach so. Doch. Mehr als alles andere.“

   „Das hoffe ich im Namen deines Wohls.“

   „Mir ist was aufgefallen.“

   „Ja?“

   „Wir waren bis jetzt nur einmal in einem Bett.“, stellte Link fest.

   „Willst du in ein Bett?“

   „Nein – nicht unbedingt nötig. Das war nur so eine Feststellung. Darf ich?“, er machte eine Andeutung, Kafei das Spitzenunterhöschen ausziehen zu wollen.

   „Immer.“, lächelte Kafei.

 

   Er drehte sich auf den Rücken und legte sich mehr auf Link, der versuchte, das Kleidungsstück möglichst spielerisch auszuziehen. Als Link bei der Hälfte der Oberschenkel war, streckte Kafei seine Beine feminin in die Luft und kicherte, weil Link’s Arme zu kurz waren. Dieser schnaufte doch leicht verärgert und Kafei zog seine Beine wieder an, um Link das Ausziehen zu erleichtern. Beim letzten Stück packte Kafei das Höschen mit den Zehen und schleuderte es in hohem Bogen davon, bevor er sich umdrehte, auf Link’s Körpermitte setzte und ihn sanft anlächelte.

 

   „Wir sind in einer Küche.“, hauchte Link.

   „Ja, das sind wir.“

   „Isst man in Ikana auch Salat?“

   „Sehr gerne sogar. Aber glaub nicht, dass ich jetzt aufstehe.“

   „Willst du uns umbringen?“

   „Nein.“, er fuhr mit einem Finger unter Link’s Medaillon und ließ es wieder fallen. „Na los. Mach es auf. Es ist wirklich noch alles drin.“

   „Du hast tatsächlich nachgesehen?“

   „Natürlich hab ich. Was dachtest du? Dass ich das einfach so gesagt hab?“

   „Keine Ahnung. Darüber hab ich gar nicht nachgedacht.“, seufzte Link, öffnete das Medaillon kurz und hielt tatsächlich die Flasche Algen-Extrakt in der Hand. „Faszinierend. Ähm – denkst du nicht, jetzt könnte uns wirklich jemand hören?“

   „Würde es dich stören, zu wissen, ob uns jemand hört?“, hauchte Kafei gekünstelt heimtückisch.

   „Ich weiß nicht. Ehrlich nicht.“

   „Gut.“, Kafei packte Link’s Gewand und schleuderte es zur Tür, wo es perfekt vor dem Türspalt landete.

   „Und du meinst, das reicht?“, die Beobachter konnten ihre Entrüstung gerade noch so zurückhalten, dass man sie nicht nach drinnen hörte.

   „Verdammt.“, zischte Cremia.

   „Er weiß, dass wir hier sind.“, kicherte Anju. „Kommt. Lassen wir sie in Ruhe.“

   „Ich denke schon.“, sagte Kafei, in sich hineingrinsend und besah sich das Gewand, nur um einen Vorwand zu haben, nachzusehen, ob sie gingen.

   „Na los.“, Anju zog ihren Dolch heraus und sah ganz bewusst auf die Tür, sich in Gedanken entschuldigend, in der Hoffnung, Kafei würde es hören.

   „Ganz sicher sogar.“, meinte Kafei nur, nickte knapp und lächelte, Anju in ihrem Kopf vergebend.

   „Irgendwie unfair, aber ich denke, wir haben es verdient, verjagt zu werden.“, seufzte Vaati und die Blase zerplatzte.

   „Vielleicht sollten wir Wache schieben.“, schlug Rim vor.

   „Ja. Damit niemand sonst herkommt.“, setzte Cremia fort.

   „Nein.“, sagte Anju. „Wir sind schon unverschämt genug gewesen. Bis jetzt hat er uns verziehen, also lassen wir ihnen die Zeit miteinander. Sie hatten nur so wenig.“

   „Anju. Du bist mit ihm verheiratet.“, lachte Cremia etwas lauter, da sie bereits ein Stockwerk höher waren.

   „Eben. Vielleicht könnt ihr beide nicht so viel Verständnis füreinander aufbringen. Das heißt aber nicht, dass andere Ehepaare gleich sind wie ihr.“

   „Was soll das jetzt heißen?“, fauchte Rim.

   „Dich hab ich nicht gemeint.“, sie erreichten den Schlosshof.

   „Mich etwa? Ich hab Rim bis jetzt immer all seine Geheimnisse verziehen.“

   „Schön.“, sagte Anju knapp. „Ihr müsst selbst wissen, worüber ihr redet. Ich kann euch da nichts vorschreiben. Ich sage nur, wie es ist.“

   „Rim?“, fragte Cremia. „Weißt du, was sie meint?“

   „Nein.“, er mied jegliche Blicke und Anju nickte kaum sichtbar, jedoch von Vaati bemerkt.

   „Wenn es euch nichts ausmacht, ich mache einen Ausritt. Alleine.“

   „Gut. Ich wollte ohnehin nach meiner Schwester sehen. Kommst du mit?“, fragte Cremia ihren Mann.

   „Äh – “, er sah ganz leicht zu Vaati, der ihm aber klar machte, dass er dem Anstand wegen mit ihr mitgehen sollte, „Natürlich.“

 

   Sie trennten sich vor dem Schloss und Anju pfiff ihr Pferd herbei, ein brauner Hengst mit schwarzer Mähne. Beinahe wäre sie beim Aufsteigen abgerutscht, aber Vaati schob sie zurück hinauf. Mit einem leichten Lächeln bedankte sie sich bei ihm, ritt aber nicht los, sondern sah ihn nur nachdenklich an.

 

   „Ich weiß, ich wollte alleine reiten.“

   „Heißt das, du willst, dass ich mitkomme?“

   „Vielleicht. Keine Ahnung. Ein wenig Gesellschaft kann nicht schaden.“

   „In Ordnung.“, auch er pfiff nach seiner strahlendweißen, sattellosen Stute und saß auf.

   „Ich will nicht unhöflich klingen, aber ich frage mich immer, wie du das machst. Nicht nur, dass du ohne Sattel reiten kannst – das frage ich mich bei Kafei auch. Aber – “

   „Ich weiß. Ich bin nicht groß.“, in gemächlichem Schritt bewegten sie sich auf das Tor zum Hinterland zu. „Aber das haben schon viele unterschätzt.“, eine kurze Pause folgte, doch schlussendlich mussten beide lachen. „Ja. Das mag vielleicht makaber klingen, aber irgendwie stimmt es.“

   „Schon klar. Sieh dir nur meine Kinder an.“

   „Ja. Sie sind um vieles kleiner als ich und werden noch eine Weile brauchen, bis sie mich überholt haben. Aber sie haben einen wundervollen Vater.“

   „Das haben sie.“, nickte Anju lächelnd. „Du hast ihn sehr gerne, oder?“

   „Er akzeptiert mich. Du tust das zwar auch, aber er versteht mich. Vorhin hat er mir gesagt, dass er sich durchaus in mich hineindenken kann.“

   „Oh ja. Er ist auch gelegentlich ein ziemlicher Heißläufer. Wenn ihn etwas wütend macht, macht es ihn richtig wütend. Sollte er es nicht mehr schaffen, schweigend klein bei zu geben, ist es besser, das Weite zu suchen. Wut verträgt sich nicht mit seiner Macht – aber was sage ich dir das. Du weißt es ja selbst.“

   „Leider.“, seufzte Vaati und Anju öffnete das Tor. „Wohin reiten wir?“, staunte er über die Linien und den sich versenkenden Fels.

   „Du warst noch nie im Hinterland, oder?“

   „Doch. Ich bin von da gekommen. Aber ich bin so schnell durchgeritten – “

   „Gut. Dann zeige ich dir die Èthrienni.“

   „Was ist das?“

   „Wirst du schon sehen. Wir müssen ein schönes Stück weit ins Hinterland hinein, um zu ihnen zu kommen. Sie werden dir gefallen. Kafei war früher oft dort. Nachdem Link weg war, ist er immer zum Nachdenken hingeritten. Der Ort hat was Magisches. Leider kann ich nicht gut genug tauchen, um dir die verlassenen Mienen zu zeigen. Ich bin bis jetzt nur mit Kafei’s Hilfe hingekommen, da er mir am Weg immer etwas von seiner Luft abgegeben hat.“, sie hatten die höchste Stelle des Hügels erreicht und begaben sich wieder auf die Straße.

   „Ich kann ohnehin nicht schwimmen.“

   „Nicht? Ehrlich?“

   „Und ich schäme mich dafür.“

   „Das musst du nicht. Ich kann es dir beibringen.“

   „Wirklich?“

   „Ja. Ganz bestimmt sogar. Es ist nicht schwer.“

   „Danke. Das bedeutet mir viel.“

   „Oh – keine Ursache.“

   „Es ist wirklich schön hier.“

   „Das ist es, ja. Die Wolken heute gefallen mir zwar gar nicht, aber hoffen wir, dass das Wetter hält und nicht schlimmer wird. Dieser Tage kann man ohnehin nicht erwarten, dass die Sonne scheint. Egal. Kafei ist hier aufgewachsen. Zumindest bis zum Tod seiner Mutter. Hat er dir etwas davon erzählt?“

   „Ja. Die ganze Geschichte. Es hat einiges an Licht auf mein Wissen über Link’s Stellung im Universum geworfen. Auch hat er mir alles über dich erzählt. Er sagte mir, du hättest damit kein Problem.“

   „Hab ich nicht. Es wissen die meisten über meine Vergangenheit Bescheid.“

   „Du hast tatsächlich deine Mutter aus Unruhstadt verbannt?“

   „Ja.“, kicherte Anju. „Und wir sind alle froh darüber. Ich auch.“

   „Sie muss ja wirklich schrecklich gewesen sein.“

   „Sei froh, dass du sie nicht kennst.“

   „Hast du sie seitdem wiedergesehen?“

   „Nein. Das ist auch gut so. Ich weiß nicht, wo sie hingegangen ist und was aus ihr geworden ist. Ich will es auch nicht wissen. Ich will mit ihr nichts mehr zu tun haben. So. Jetzt erzähl mal was von dir. Deine Geschichte kenne ich auch, aber sonst weiß ich nichts. Was machst du gerne?“

   „Lesen.“

   „Wirklich? Was liest du so?“

   „Bitte lach nicht. Geschichtsbücher und Sagen.“

   „Warum sollte ich lachen?“

   „Die meisten tun das, wenn sie es hören. Nicht, dass ich es groß hinausposaune.“

   „Dann bist du unter den falschen Leuten aufgewachsen.“

   „Da kann ich dir nur zustimmen.“, seufzte Vaati.

   „Warum gerade Geschichtsbücher? Ich meine, es schadet ja nie. Dennoch. Warum sind sie für dich interessant?“

   „Auch wenn ich die Geschichtsbücher nicht mehr benötige, um andere aufgrund ihrer Vergangenheit besser unter Druck zu setzten, sind sie hochinteressant. Ich stöbere gerne und eigne mir Wissen an. Rein aus Spaß. Ich habe immer schon gerne stundenlang über Landkarten gebrütet und davon geträumt, all diese Gegenden zu bereisen. Im Endeffekt hat es sich in den Wunsch, diese Gegenden zu unterwerfen verwandelt – aber jetzt würde ich sie doch wieder lieber bereisen.“

   „Das ist schön. Dann ist Ikana ein guter Anfang. Wieder einmal in Hyrule gewesen?“

   „Seit Link mich erschlagen hat, nicht. Obwohl – naja – man kann sagen, teilweise. Als man mich zurückgeholt hat. Ich durfte die Zitadelle der Zeit von innen sehen. Zumindest ihre Ruinen. Zelda war an meiner Reinkarnation beteiligt. Sie hat mich anschließend direkt an die Grenze des Hinterlands gebracht. Samt Sruna. Wie sie das gemacht hat, ist mir noch nicht klar. Ich selbst kann keine Lebewesen mit mir nehmen, wenn ich mich teleportiere. Ich habe es auch mit einem Pferd versucht. Es war schrecklich. Gegenstände und Leichen, ja. Lebewesen, definitiv nein. Ich habe mich bei Link auch auf den Schutz Ikanas rausgeredet. Das hätte ich vermutlich nicht müssen, aber ich wollte sicher gehen, falls er sich weigern würde, mich sein Pferd reiten zu lassen. Er war am Anfang auch nicht ganz erfreut darüber, aber ich denke, er hat es doch recht gut verkraftet. Warst du nach dem Tod deines Vaters wieder einmal dort?“

   „Nein. Jetzt, da meine Schwester auch nicht mehr ist, habe ich keinen Grund mehr dazu.“

   „Tut mir leid, übrigens. Ich hoffe, du weißt, dass ich – “

   „Ja. Du hast alles in deiner Macht stehende getan und dafür danke ich dir von ganzem Herzen.“, sie lächelte zaghaft. „Du bist nun einmal keine Fee und auch kein Gott. Magier hin oder her. Heilung und Wiederbelebung sind nicht dein Fachgebiet.“

   „Heilen kann ich. Aber ich schätze, ihre Verletzungen waren zu groß. Diese Biester sind wirklich arg. Solche Wunden habe ich noch nie zuvor gesehen. Sie sind verflucht, das war mir sofort klar. Aber dass sie so verheerende Wunden schlagen können, hätte ich mir nie auch nur erträumt. Ohne Farore’s Schutz wäre Link vermutlich schon längst tot.“

   „Höchstwahrscheinlich.“, beschwichtigte Anju. „Er ist zäh und hat enormes Talent. Aber ohne diesen Schutz wäre er nicht weit gekommen. Nicht einmal mit einer Armada Feen. Die Instabilität der Lebensessenz wird oft unterschätzt.“

   „Wem sagst du das. Ich denke, ich war schon tot, lange bevor mich Link besiegt hat. Zelda hat auch gemeint, meine Verwandlungen und mein Hass haben meine Seele übel zugerichtet. Aber mit vereinten Kräften konnten sie mich wieder zusammenflicken. Zumindest diese Form von mir, nicht meine ursprüngliche. Ich werde nie wirklich in meine Heimat zurückkehren können.“

   „Das tut mir leid.“

   „Oh – das muss es nicht. Dort gibt es nur einen, den ich vermisse und dem auch etwas an mir gelegen hat. Und ausgerechnet diese eine Person habe ich in eine Mütze verwandelt.“, er schüttelte selbstverachtend den Kopf. „Ich wüsste schon gerne, wie es Ezelo geht und ob er überhaupt noch lebt. Aber das werde ich wahrscheinlich nie erfahren. Ich bin viel zu groß um mich meiner Heimat nähern zu können. Ich würde sie alle zertrampeln, bevor ich überhaupt wüsste, dass ich dort bin. Aber egal. Ich habe eine neue Heimat, eine richtige Heimat. Eine Heimat, wo es mehr als nur eine Person gibt, die mich zumindest nach außen hin akzeptiert.“

   „Das freut mich.“

   „Danke. In Hyrule würde ich vermutlich nicht so sehr mit offenen Armen empfangen werden. Selbst jetzt, wo Zelda mir verziehen hat, nicht. Nicht jeder kann so gut verzeihen wie sie. Sie hat wahrlich ein gutes Herz und eine noch gütigere Seele. Es war mehr als falsch, ihr Schaden zuzufügen. Sie hat es nicht verdient, so behandelt zu werden, wie ich sie einst behandelt habe. Auch Ganondorf hat ihr und ihrem Land so viel angetan. Dennoch hatte sie ein Einsehen mit ihm, als er gestorben ist. Sie hat dafür gesorgt, dass seine zerrüttete Seele Frieden findet.“

   „Wie meintest du das mit dem Zertrampeln?“, sie hatten das erste Dorf hinter sich gelegt, nicht ohne interessierte Blicke auf sich zu ziehen. „Wie klein seid ihr bitte?“, Vaati zeigte es ihr mit einem Luftabstand zwischen zwei Fingern.

   „Oha! Ja. So etwas kann man zertrampeln.“

   „Du sagst es.“

   „Wo hast du so gut reiten gelernt? Sruna ist nicht gerade ein zahmes Pferd und doch scheint sie dich zu mögen.“

   „Das mit dem Mögen liegt an meiner Herkunft und unserer Naturverbundenheit. Wir können das Vertrauen von Tieren sehr schnell gewinnen. Und wer eine Maus reiten kann, kann auch ein Pferd reiten.“

   „Maus? Du bist auf Mäusen geritten?“

   „In der Relation sind sie wesentlich größer als Pferde. Man sitzt ziemlich breitbeinig und ihre Wirbelsäulen sind sehr schwunghaft, wenn sie schnell laufen. Ratten sind noch schlimmer. Sie sind die Drachen unter den Nagern. Auf ihnen werden Wettkämpfe ausgefochten. Wer sich am längsten halten kann, hat gewonnen. Aber Mäuse sind viel schlimmer in der Kurvenlage. Sie sind noch schwieriger zu lenken als kleine Vögel, da sie dazu neigen, unkontrolliert in die Kurven hineinzurutschen – und zwar bei jeder noch so kleinen Kurve.“

   „Das klingt wirklich unglaublich, wenn ich dich so ansehe. Ich meine, ja – du bist um einen Kopf kleiner als ich, aber du erzählst mir, wobei man beim Reiten von Mäusen aufpassen muss. Mäusen!“

   „Ja.“, lachte Vaati. „Das muss utopisch klingen.“

   „Und wie. Sag mal.“, sie führte ihr Pferd näher an ihn heran. „Siehst du überhaupt etwas?“

   „Wieso?“, Vaati’s Miene wurde ernst und leicht verzweifelt, da er geahnt hatte, dass dieses Thema früher oder später jeder ansprechen würde.

  „Mit diesen ganzen Haaren im Gesicht.“, sie hielt an und auch Vaati tat es neben ihr. „Siehst du da auch nur irgendwas durch?“, er sagte nichts dazu. „Vaati? Was – “, sie streckte ihre Hand nach seinen Haaren aus, doch er fing sie kurz davor ab. „Was ist los?“, jammerte sie.

   „Glaub mir. Das willst du nicht sehen.“

   „Wieso? Was kann denn so schlimm sein, dass man es mit so viel Haar verdecken muss?“

   „Ich habe doch gesagt, dass sie nur diese Form von mir wieder herstellen konnten. Leider war das kein Wunschkonzert. Entweder so oder gar nicht.“

   „Vaati – ich denke, du solltest die Èthrienni schon mit beiden Augen sehen.“

   „Versprich mir, dass du es für dich behältst.“

   „Ich verspreche es dir.“, er ließ ihre linke Hand los und sie strich ihm die Haare hinters Ohr. „Meine Güte!“, erschrak sie und hielt sich die andere Hand auf den Mund. „Vaati – um Himmels Willen! Wer hat dir das angetan?“

   „Kannst du noch ein Geheimnis für dich behalten?“

   „Ja.“, hauchte Anju verzweifelt.

   „Ich – naja – in gewisser Hinsicht bin ich wie Kafei, verstehst du? Ich – also – “

   „Ich denke, ich weiß was du meinst.“

   „Ja?“, sie nickte. „Also – das war noch vor meiner Verwandlung. Die Mädchen haben mich nie an sich herangelassen, weil ich immer schon anders war. Ich habe auch immer anders ausgesehen. Dafür wurde ich schlimmstens schikaniert. Neben Meister Ezelo hatte ich nur einen Freund. Wir waren wirklich die besten Freunde. Bis ich ihm erzählt habe, dass ich mich in Urila verliebt habe und dass das nicht nur deshalb ein Problem sei, weil sie mich abweist, sondern – naja – an diesem Punkt hab ich ihn geküsst. Er war so geschockt, dass er mir seine Krallen ins Gesicht gerammt hat.“

   „Das ist ja schrecklich! Und dann?“

   „Ich bin sofort zu Ezelo gerannt. Er konnte zwar meine Wunden versorgen, aber weder Narben verhindern, noch – “, er seufzte und brach ab.

   „Du kannst die Èthrienni gar nicht mit beiden Augen sehen, oder?“, Vaati schüttelte niedergeschlagen den Kopf, Anju’s Hand noch immer an seiner Wange.

   „Nein.“, er stieg ab, ging ein Stück weiter und blieb mit dem Rücken zu ihr stehen.

   „Es tut mir leid, dass ich das aus dir herausgequetscht habe.“, sie stieg ebenfalls ab, folgte ihm und trat vor ihn.

   „Das – es ist doch egal. Früher oder später – “

   „Nein. Das ist nicht egal.“, sie legte ihm die Hände auf die Schultern und er sah kurz zu ihr auf. „Darf ich noch weiterfragen? Ich sehe, du hast doch irgendwie das Bedürfnis, es loszuwerden.“, er nickte nur schlaff und senkte den Blick wieder. „Was ist aus ihm geworden?“

   „Ich – “, er begann plötzlich heftig zu schluchzen und Anju nahm ihn die Arme, um ihn zu trösten. „Ich – habe – ihn – ge- ich – ich habe ihn getötet.“

   „Sch.“, streichelte sie seinen Kopf und auch er legte seine Arme um ihren Rücken.

   „Ich – denke – das – war der – Moment – an dem ich – durchgedreht – bin. Als – mir – bewusst geworden ist – dass ich – für immer – halb blind – sein werde – bin ich – ich habe ihn – mitten auf der – Straße – abgefangen. Zuerst hab ich – nur mit ihm – geschrieen. Überall waren Leute – keiner hat mich – aufgehalten – sie – sie hatten alle Angst. Ich – hab die Kontrolle verloren und – ich hab so lange – mit meinen Krallen – auf ihn eingehackt – bis er – bis er – tot war. Dann bin ich davongerannt. Ich bin ein Monster!“

   „Sch. Nein. Das bist du nicht.“

   „Doch.“

   „Vielleicht warst du es, aber du hattest deine Gründe. Das ist jetzt vorbei. Er hat dir dein Leben ruiniert. Wer hätte im ersten Moment nicht so gehandelt?“

   „Ich hätte ihn nicht – töten müssen.“

   „Und er hätte auch nicht so überreagieren müssen, das weißt du. Sonst hättest du das nicht getan. Schau mich an.“, sie drückte ihn sachte etwas von sich weg und hob sein Kinn an. „Du bist kein Monster. Dir wurde nur sehr wehgetan. Das treibt einen zu den schlimmsten Taten. Ich habe meine Mutter mit einem Säbel bedroht, als sie Kafei vor der ganzen Stadt geohrfeigt hat, nur weil er seine Orientierung indirekt gestanden hat. Ich war kurz davor, ihr die Kehle zu durchtrennen. Wir alle haben diesen Dämon in uns. Manche sind nur zu schwach, ihn im Zaum zu halten. Das ist kein Verbrechen. Verbrechen wird es dann, wenn wir ihn bewusst herauslassen, um uns am Leid anderer zu erfreuen.“

   „Das hab ich ja – später dann.“, dicke tränen rannen ihm aus beiden Augen, selbst aus dem blinden und er mied ihren Blick. „Kein Wunder, dass mich niemand mag.“

   „Das ist nicht wahr.“, sagte Anju ernst, wischte ihm aber dennoch die Tränen aus dem Gesicht. „Sag so etwas nicht, wenn es nicht stimmt.“

   „Dann mögen mich eben inzwischen ein paar Leute – was weiß ich denn. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass mich nie jemand wirklich lieben wird.“

   „Was redest du da? Du weißt doch noch gar nicht, wie deine Zukunft aussehen wird. Oder doch?“, er schüttelte den Kopf. „Eben. Also sag nicht so etwas.“

   „Rim vorhin – er – ich denke – er hat mich auch nur ausgenutzt.“

   „Rim? Was hat er getan? Das, was ich denke?“

   „Wir – naja – wir haben uns geküsst. Und dann – haben – wir – naja – es war schön – aber ich weiß nicht – ich will das nicht. Er ist verheiratet und – “

   „Ach vergiss ihn. Du hast Recht. Er hat dich sicher nur ausgenutzt. Rim liebt Cremia auf eine sehr eigenartige Weise. Er hat Bedürfnisse, die sie nicht stillen kann. Ich möchte meinen, insgeheim ist er ein wenig sadistisch. Kafei hat das mehrmals angedeutet, aber nicht ausführlicher. Wenn du jemanden fürs Leben haben willst, solltest du dich von Rim fernhalten. Ja, er ist ein guter Mann, aber es ist nur eine Frage der Zeit. Ich sehe diese Ehe spätestens in zwei Jahren als Trümmerhaufen. Cremia ist hart im Nehmen, aber früher oder später dreht sie durch. Ich kenne ihn schon etwas länger als sie und Kafei kennt ihn noch besser. Vaati. Du brauchst jemanden, der oder die dich wirklich liebt. Rim kann dir das nicht geben. Glaub mir. Wenn du nicht wieder verletzt werden willst, egal wie, dann lass die Finger von ihm und mach ihm klar, dass auch er die Finger von dir lassen soll.“

   „Danke.“, atmete Vaati tief durch.

   „Schau. Ja, du hattest eine schlimme Vergangenheit. Aber niemand hätte dir eine zweite Chance gegeben, wenn sie nicht um das Gute in dir wüssten. Nach allem was ich bis jetzt über dich weiß, bist du ein liebenswerter Mann. Launisch zwar, aber nicht unbedingt launischer als Kafei. Du bist intelligent, talentiert und obendrein schön. Und sag jetzt nicht nein. Du bist schön. Die, die das nicht sehen, haben einen schlechten Geschmack.“, Vaati wurde leicht rot. „Du findest jemanden, da bin ich mir sicher. Komm. Reiten wir weiter. Ich will, dass du heute noch schwimmen lernst. Das kommt überall gut an und macht sich vor allem fabelhaft, wenn du deine Überlebenschancen erhöhen willst.“

   „In Ordnung.“, lächelte Vaati zaghaft.

 

 

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