- Kapitel 2 -

Dämmerung eines neuen Tages

   „Link!“, hallte eine Stimme, die diesem bekannt, aber dennoch etwas fremd war.

 

   Erst jetzt nahm er die Menge wahr, die sich vor dem Westportal von Unruhstadt versammelt hatte. Es waren bekannte Gesichter. Nicht wenigen von ihnen hatte er in den letzten drei Tagen immer wieder erneut geholfen. Alle strahlten. Über der Stadt schien ein regenbogenartiger Schleier zu hängen. Doch vermutlich bildete er es sich nur ein. Die Menge wartete in zwei Reihen, offenbar auf jemandes Ankunft. Insgeheim wusste er, dass es nicht die seine war. Über der Gruppe schwebte der Kartenverkäufer Tingle, dessen Lächeln noch größer war, als sein knallroter Ballon.

   Link erkannte den Mann, der gerufen hatte. Auch wenn er ihn in etwa der Hälfte seiner jetzigen Körpergröße in Erinnerung hatte. Groß, schlank und noch immer mit buschigen, nun mehr als schulterlangen, blitzblauen Haaren stand Kafei da, eine Mischung zwischen unendlicher Glückseligkeit und todbringender Aufregung in seine noch immer roten Augen geschrieben. Anfangs hatte Link gedacht, die Augenfarbe wäre eine Nebenerscheinung seiner Verwandlung gewesen. Doch nun, da sie noch immer rot waren, zweifelte er etwas daran, denn auch die seines Vaters hatten die selbe Farbe, wenn sie auch nicht viel größer waren als sonst. Link sah dies als Zeichen, dass Dotour zumindest ein wenig Schlaf abbekommen hatte, wenn auch einen besorgten Schlaf. Vielleicht war es aber auch nur die reine Freude, die ihn aufleben ließ.

   Also ritt er auf die Menge zu, stieg ab und stellte sich links neben Kafei. Zu ihm aufzusehen war momentan etwas ungewohnt. Seine Kleidung wirkte schlicht, aber edel. Auch wies sie Ähnlichkeiten in Farben und Verzierungen mit seinem üblichen Gewand auf. Die Hose und der Oberrock waren jedoch länger und der Stoff schimmerte. Anstatt der braunen Lederstiefel trug er nun dazupassende Halbschuhe und über seine Schultern war ein bodenlanger, weißer Umhang gelegt, dessen Saum die selben blauen, flammartigen Verzierungen schmückten, wie die langen Trompetenärmel. Seine beiden Enden waren vorne mit einer goldenen, gewundenen Kette verbunden. In die beiden Plaketten an den Schlüsselbeinen war ein Augensymbol eingelassen, das Link nur allzu bekannt vorkam und seine Vermutung bezüglich Kafei’s Augenfarbe bestätigte.

 

   „Grashüpfer!“, japste Romani, die neben ihrer Schwester und Anju’s Großmutter, gegenüber von Kafei stand.

   „Du wolltest doch nicht etwa meine Hochzeit verpassen, oder?“, lächelte Kafei zu ihm herunter.

   „Ich – ähm – eigentlich – weißt du – “, stammelte Link nur.

   „Wo du ja mein Trauzeuge bist.“

   „Was?“, gurgelte Link, da er sich verschluckt hatte.

   „Du hast ihn abgeschossen, oder?“, trällerte Romani völlig außer sich.

   „Hä?“, brachte Link nur noch heraus.

   „Du hast den Mond abgeschossen, oder? Du hast ihn vertrieben, wie du die Sie vertrieben hast, oder?“

   „Äh – ja.“, kratzte sich Link etwas verwirrt und benommen an der Schläfe. „So kann man es auch sehen. Den Mond hab ich zwar nicht abgeschossen – aber vertrieben – hab ich ihn. Oder so ähnlich. Tut mir leid. Ich bin gerade vom Himmel gefallen.“

   „Macht nichts.“, kicherte Romani. „Ich bin auch schon mal vom Dach der Scheune gefallen.“

   „Was in Sachen Höhe ja in etwa gleich ist.“, murmelte Kafei verhalten, so dass ihn Romani nicht hören konnte und schmunzelte schief auf Link hinab.

   „Du sagst es.“, lächelte Link gequält zurück. „Vielleicht eine Handbreit Unterschied – nicht wesentlich mehr – “

 

   Zu Romani’s Glück wurde Link unterbrochen, bevor sie seinen Zynismus wahrnehmen konnte. Jemand schepperte in der Stadt von Osten her auf das Westtor zu.

 

   „Ich kann ein bisschen besser mit dir mitfühlen. Ich bin einmal vom Uhrturm gefallen.“, flüsterte Kafei.

   „Ehrlich? Und das hast du überlebt?“

   „Sieht so aus, oder? Jedenfalls hat Mutoh seither diesen kleinen weißen Hund. Der vier Mal so große, schwarzbraune hat mir vermutlich das Leben gerettet. Ich ihm – eher nicht.“

   „Gut gezielt.“, verzog Link eine Grimasse.

   „Oh – ich denke, es war Bestimmung. Zwar hab ich weder beabsichtigt zu fallen, noch direkt auf ihn, aber alle außer Mutoh haben diese flohschleudernde Schlabbertöle gehasst. Tragisches Ende. Er hat es höchstwahrscheinlich nicht einmal gemerkt.“

 

   Endlich kam das klappernde Etwas zum Vorschein. Es war Hauptmann Viscen – oder wohl eher eine zweite Romani in Viscen’s Körper und Rüstung. Er trippelte wie ein kleines Kind an Kafei, Link und Dotour vorbei, da er sich offenbar zwischen Madame Aroma und dem Postmann hinstellen wollte. Allerdings bremste er ruckartig zusammen und drehte sich erschocken um.

 

   „Huh? Wer – oh! Du! Du bist es, oder? Du bist Link, oder?“

   „Ja. Oder was von ihm übrig ist.“

   „Schön, dass du lebst.“

   „Falls man das so nennen kann – “, seufzte Link niedergeschlagen.

   „Kein Held sollte sterben, bevor man ihn für seine Taten ehren kann.“

   „Ein weiches Bett wäre mir lieber als Ehrerbietung.“

   „Und Humor hat er auch noch, der Kleine – oh!“, rasch und laut scheppernd sprang Viscen in die Reihe.

   „Ich komme mir vor, als hätte ich das, was man als einen Kater beschreibt, aber alle anderen hier sind anscheinend wirklich betrunken.“

   „Das legt sich wieder.“, flüsterte Dotour.

 

   Link fand es für besser, gar nichts mehr zu sagen, da er sah, warum Viscen so schnell seine Position eingenommen hatte. Alle Köpfe drehten sich zum Tor, als Anju’s Mutter zum Vorschein kam, zwar leicht zu Tränen gerührt, aber dennoch mit etwas fragwürdigem Blick, ihre Tochter am rechten Arm führend. Link wusste, dass er nicht der einzige mit diesem Gedanken war: Anju sah aus wie eine Prinzessin. Ihr strahlendes, silberweißes Kleid schillerte in sämtlichen Farben, als das morgendliche Licht darauf fiel. In ihren elegant hochgesteckten Haaren trug sie einen Blumenkranz mit Schleier und in den Händen hielt sie einen kleinen Strauß der selben, rosa-weißen Heckenblumen. Noch strahlender wahr wohl ihr Lächeln, als Kafei sichtbar zitternd vortrat und ihr die Hand reichte. Ihre Mutter ließ Anju’s Arm los und ging hinter ihr nach, während Cremia hinter dem Rollstuhl hervorstolzierte und sich an Anju’s Seite schlich.

   Noch bevor Link die Prozessionsordnung durchblickt hatte, zog Kafei ihn zu sich. Und kaum konnte er einigermaßen gehen, fielen ihm irgendwelche bunte Schnipsel auf die Nase. Als er sich nach der Quelle umsah, bereute er es sogleich. Prustend nieste er weitere Flitter davon. Nun war Tingle eindeutig zu weit gegangen. Doch Link war zu sehr damit beschäftigt, wieder sehen zu können, als irgendjemand zu verteufeln – schon gar nicht eine in die Jahre gekommene, verwirrte Möchtegern-Fee.

   Ein notgedrungener, geschmückter Altar aus einem alten, mit weißen Tüchern gedeckten Tisch war aufgebaut worden. Dahinter stand die Person, welche die Trauung vollziehen sollte. Einmal mehr, glaubte Link seinen eigenen Augen nicht. Die in eine schlichte, hellblaue Toga gehüllte Frau sah genauso aus wie Anju. Von der Frisur bis zur Nasenspitze konnte Link keinen Unterschied erkennen. Dass Anju eine Zwillingsschwester hatte, war wohl die Krönung des ganzen Wahnsinns, den Link unfreiwillig sein Leben nennen musste. Nun klärte sich seiner Meinung auch die Tatsache, warum er Anju als Hühner haltende Frau in Kakariko kannte. Es schien, als trugen beide Schwestern auch noch den selben Namen. Wie konnte sich Kafei sicher sein, die richtige Anju zu heiraten? Aber Eltern konnten Zwillinge auch unterscheiden. Wie das möglich war, würde für Link immer ein Phänomen bleiben.

 

 

 

   Link hatte damit gerechnet, dass das Ehepaar nach der Zeremonie das Weite suchte, aber stattdessen kehrte die ganze Sippschaft in die Stadt zurück. Was hatte er wirklich verpasst? Die Stadt war voller Leute und Wesen aus Termina’s anderen Regionen. Selbst die Gorman-Truppe hatte ihren Weg zurückgefunden und versuchte spontan die Massen zu unterhalten. Cremia hatte mit Anju’s Mutter gleich nach der Trauung die Flucht ergriffen. Wohin sie gerannt waren, hatte er nicht gesehen. Alles war glücklich und feierte den Karneval. Viele trugen bunte Masken und aufwändige Kleidung.

 

   „Es tut mir leid, dass alles so schnell ging und ich dich zudem trotz deiner Verfassung Hals über Kopf hineingezerrt habe.“

 

   Link erschrak leicht aus seiner Trance. Ja, es war tatsächlich alles sehr schnell gegangen. Offensichtlich war das Nachrichtensystem im Rest von Termina weitaus schneller als der Postbote von Unruhstadt. Link wunderte es, dass dieser sich ebenfalls an den Feierlichkeiten beteiligte. Vielleicht hatte Madame Aroma ihn dazu gezwungen.

 

   „Schon in Ordnung.“, seufzte Link zu Kafei. „Ich bin Überraschungen inzwischen gewohnt. Auch, wenn manche mich dennoch schockieren können.“

   „Weißt du, das mag jetzt vielleicht eigenartig klingen, aber es tut gut, deine Stimme zu hören.“, Link war nun tatsächlich etwas verwirrt bezüglich dieser Aussage. „Ich meine damit, dass du bis heute Morgen ziemlich schweigsam warst. Aber Taya hat dich auch nicht wirklich zu Wort kommen lassen.“

   „Das bin ich auch schon gewohnt. Meine eigentliche Fee, Navi, ist genau so.“

   „Ja – das habe mich gefragt. Warum darf sie Termina nicht betreten?“

   „Äh – ich – kann mich nicht erinnern, dir das gesagt zu haben?“

   „Verzeih mir. Ich habe meine telepathischen Fähigkeiten missbraucht und mich in deinen Erinnerungen etwas schlau gemacht. Also wunder dich nicht.“

   „Oh! Gut zu wissen.“, sagte Link salopp. „Und warum Navi Termina nicht betreten darf, weiß ich nicht. Vermutlich ist es der Grund, warum sie als meine Begleiterin eingeteilt worden ist. Irgendeine Art Wiedergutmachung für was auch immer sie verbrochen hat.“

   „Ich verstehe.“

   „Wo sind die beiden Läuferinnen hinverschwunden?“

   „Meinst du Cremia und – kochen. Anju hat zwar alle Lebensmittel für die Hochzeitsfeier eingekauft und gelagert, aber zum Glück hat sie noch nichts davon angerührt.“

   „Ah!“, hallte Dotour’s Stimme Link entgegen. „Da seid ihr ja. Ich habe mich noch gar nicht richtig bei dir bedankt, Link.“, strahlte der Bürgermeister und schüttelte dem Jungen kräftig die Hand. „Du bist ein Segen für ganz Termina.“

   „So etwas hab ich schon öfters gehört.“, murmelte Link. „Und mir wäre lieber, dem wäre nicht so.“

   „Das kann ich durchaus verstehen. Auch ich hatte keine Kindheit.“, Kafei zog eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts dazu. „Mein eigener Vater ist ständig zwischen Ikana und Unruhstadt hin und her gereist und hat mich mitgenommen. Weißt du, auch er war hier Bürgermeister und nebenher Berater des Königs von Ikana. Ich schätze, sein Durchhaltevermögen habe ich nicht ganz geerbt, aber dafür hat mein Sohn offenbar etwas davon abbekommen.“

   „Es hält sich in Grenzen.“, meinte Kafei.

   „Nun gut, ich muss mich für meine ausgebliebene Rede vorbereiten. Man erwartet von mir bereits, dass ich sie angesichts der Vorfälle erst recht halte.“

   „Sag,“, begann Link, als Dotour in der Menge verschwunden war. „Wie kommt es, dass Anju’s Zwillingsschwester genau so heißt? Ich bin ihr in der Zukunft in Kakariko begegnet.“

   „Das frage ich mich bis heute.“, seufzte Kafei. „Die Anju, die ich gerade eben geheiratet habe, ist Anju-Anila. Ihre Schwester heißt Anju-Sorrei. Anju deshalb, weil – nun ja – ihre Großmutter auch so heißt. Ich konnte diese Anidja nie verstehen. Ihr Mann Tortus auch nicht wirklich. Er ist mit den beiden Töchtern und seinem Stiefsohn vor ein paar Jahren nach Hyrule gezogen, weil er dort einen Auftrag von der Königlichen Familie bekommen hatte. Warum er seine Kinder mitgenommen hat, weiß ich nicht. Als er damit fertig war, wollten Anju-Sorrei und ihr Halbbruder Grog nicht mehr nach Hause. Sorrei hat beschlossen, Hühner zu züchten, da sie wie ihr Halbbruder diese Tiere liebt, obwohl sie dagegen allergisch ist. Sie meint, die Allergie so vielleicht loszuwerden.“

   „Schafft sie nicht.“, seufzte Link.

   „Dachte ich mir. Grog ist inzwischen, wie du weißt, wieder zurückgekehrt und wohnt jetzt auf der Ranch. Tortus ist mit meiner Anju zurück nach Unruhstadt. Normalerweise führt der Weg durch das Hinterland von Ikana, am Rande der Großen Wüste vorbei und durch das Gerudo-Tal, oder aber, wesentlich ungefährlicher, durch die Passage nach Ordon und weiter durch die Wälder von Phirone. Auch gibt es einen Weg durch den Dämmerwald zu eben jenen großen Wäldern im Süden Hyrules. Aber Tortus wusste über die sogenannten Alten Wege Bescheid. Sie führen vom Untergrund des Glockenturms durch ein Tunnelsystem in die Wälder. Du hast sie benützt. Unglücklicherweise bist du im großen Schacht gestürzt, was ich mich auch frage, wie du das überlebt hast.“

   „Es heißt, ich wäre unzerstörbar.“, nuschelte Link zu sich selbst.

   „Es gibt dort drinnen eine Treppe. Man muss allerdings einen Mechanismus aktivieren, um sie auszufahren. Das ist von oben und unten möglich. Nur, wie du selbst gesehen hast, befinden sich in den Tiefen riesige, abgeschnittene Bäume. Sie konnten dort unten zwar wachsen, sind aber irgendwann zu groß geworden. Ursprünglich waren Treppen und Brücken um sie gebaut worden. Doch als die Bäume starben, hat man sie gekappt und lediglich Verbindungsstege gelegt. Diese wurden Anju und Tortus beim Rückweg zum Verhängnis. Durch die feuchte Luft waren sie morsch geworden und sind unter ihnen weggebrochen. Das letzte Stück hat nur noch Anju geschafft. Sie musste zusehen, wie ihr Vater in die Tiefe stürzte. Sie hat gesagt, sie hat ihn nicht einmal aufschlagen hören, so tief ist der Abgrund. Ich werde veranlassen, dass man dort einen Gedenkstein errichtet und die Brücken wieder herstellt. Aber diesmal sollten sie aus einem stabileren Material gebaut sein. Denn die durch die Feuchtigkeit gewachsenen Deku-Blumen nützen der breiten Masse nicht. Der Weg durch die Tunnel ist kürzer und trotz der tiefen Höhlen weniger gefährlich als die anderen.“

 

   Link wollte einen weiteren Kommentar zu Kafei’s Geschichte abgeben, doch dazu kam es nicht. Dotour hatte das Podest zum Turmaufgang erklommen und bat um Aufmerksamkeit. Die Musik verstummte und langsam legten sich die Konversationen.

 

   „Verehrte Bürger und Bürgerinnen von Termina. Zuerst ein kleiner Hinweis in Ihrem Interesse: Ich bitte Sie, mir meine kleine Akrobatik nicht nachzumachen. Da aufgrund der jüngsten Ereignisse der Steg zum Turm nicht fertiggebaut werden konnte, bemühen sich unsere Zimmerer nun, eine provisorische Treppe hier herauf herzustellen, denn wir wollen es niemandem vergönnen, einen Blick über die Weiten unserer Heimat zu werfen, schon gar nicht jetzt, wo wir uns glücklich zeichnen können, sie noch zu haben.“

 

   Viele um sie herum nickten, soweit Link dies erkennen konnte. Dennoch war ihm lieber, allgemeine Reaktionen zu verpassen, als von allen gesehen zu werden.

 

   „Nun denn. Der Karneval der Zeit war von jeher ein Fest zu Ehren einer der mächtigsten Mächte dieses Universums. Er war ein Fest, das uns daran erinnern sollte, egal welchem Volk wir angehören und wo in Termina wir leben, wir dennoch Teil eines großen Ganzen sind. Dies wurde uns in den letzten Tagen vielleicht bewusster denn je. Für viele ist es noch immer ein Rätsel, wie Himmelskörper herabstürzen, oder ganze Regionen verflucht werden können. Mein Sohn Kafei hat mein eigenes Wissen mit seinen Errungenschaften diesbezüglich verknüpft und mir die Augen geöffnet. Wie die meisten wohl nicht wissen, weil weder mein Vater noch ich je eine große Sache daraus gemacht haben, stammt meine Familie aus Ikana.“

 

   Seine Aussage wurde mit einem leises Murmeln empfangen. Offensichtlich war der Ruf Ikanas doch berüchtigter als von Link angenommen.

 

   „Wir gehören zu den letzten Überlebenden eines einst großen, mächtigen Volkes, das seinen eigenen Wissenschaften zum Opfer fiel. Die Hohepriester von Ikana besaßen eine wertvolle Zeremonienmaske. Eines Tages gelang es einem von ihnen, einen mächtigen Dämon zu beschwören, der Dämon Majora. Eine zwiespältige Gestalt. Einerseits um Anerkennung und Liebe in der Dunklen Welt kämpfend, andererseits nicht viel anders als seinesgleichen. Aufbrausend, hinterlistig, zerstörungswütig, aber dennoch gütig gegenüber denen, die seine Ideale vertreten.

Die Priester waren mit der Eigenwilligkeit des Dämons überfordert und bannten ihn in die Maske. Es war lange Zeit ein Geheimnis, bis einer unseres Volkes, ein königlicher Wachmann namens Urol, der vieles mit Majora gemein hatte, einen der Hohepriester erpresste, um an Informationen über deren Tun zu gelangen. Er erfuhr von der Maske und sah sie als Chance, König Igos vom Thron zu drängen. Es sollte wie ein tragischer Unfall aussehen und Urol selbst, die Ordnung wiederherstellend, von uns Shiekah als König anerkannt werden. Doch seine Plan ging nach hinten los.“

 

   Dies war also der Verrat, von dem Igos in Rätseln gesprochen hatte. Sein eigener Mann hatte ihn hintergangen und stürzen wollen.

 

   „Majora, enttäuscht von Urol’s Absichten, tötete alle und verfluchte sie, bis zu seiner eigenen Vernichtung und dem darauffolgenden Morgen, als Untote ihr Dasein zu fristen. Meine erste Frau, Kafei’s Mutter, wurde durch eine Reihung unglücklicher Umstände das erste Opfer der Maske. Ich selbst konnte mit meinem Sohn gerade noch rechtzeitig fliehen. Majora konnte zwar nicht aus der Maske heraus, hatte aber dennoch nichts von seiner Macht verloren. Allerdings vergaß er sich selbst und versank in dem Wunsch, alles und jeden zerstören zu wollen. Viele Jahre lag die Maske im toten Tal von Ikana, bis unser Maskenhändler zurückkehrte und sie dort fand.

Die Macht der Maske spürend und verstehend, dass sie an der Vernichtung seiner Heimat schuld war, wollte er sich nach Hyrule bringen, um sie dort von den Dienern der Königlichen Familie, einigen der letzten seines Volkes, zerstören zu lassen. Doch in den Wäldern wurde er von einem kleinen, einst in einen Kobold verwandelten Jungen überfallen. Der Kobold stahl die Maske, der Majora innewohnte. Sogleich wurde er von der Macht des Dämons erfasst und zu dessen Marionette. Durch seine Hand trieb Majora zuerst kleine Späße, um zu sehen, wie weit der Kobold kontrollierbar war.

Bald darauf verfluchte Majora die anderen Regionen Terminas und brachte einen unserer Monde über Unruhstadt zu Fall. An diesem Punkt beginnt die Rolle eines anderen kleinen Jungen, der von den drei weisen Göttinnen ausersehen wurde, uns beizustehen.“

 

   Link hatte befürchtet, dass er Erwähnung finden würde. Aber er gab die Hoffnung nicht auf, dass es dann doch nur bei einer Erwähnung bleiben würde.

 

   „Seine Rolle in diesem Universum ist weitaus größer, als man sich vorstellen kann, doch aus seinen wenigen Worten, die ich vernahm, verstand ich, dass es ihm lieber ist, wenn ich an dieser Stelle die Klappe halte und ihn schon gar nicht erst zu mir heraufbitte. Denn, obwohl er nicht nur Termina und Hyrule gerettet hat, sondern auch die Hochzeit meines Sohnes ermöglichte, ist er doch nur ein Kind und ich finde, wir sollten ihm das wenige an Kindheit lassen, das er noch hat. Dennoch möchte ich ihm hiermit im Namen von ganz Termina meinen tiefsten Dank aussprechen.“

 

   Wenn auch kaum jemand wusste, wer dieser Junge war, so brach trotzdem die gesamte, vollgestopfte Südstadt in tosenden Applaus und Freudenjubel aus.

 

   „Nun denn,“, beruhigte Dotour die Menge mit einer sachten Geste, „Da dies gesagt ist, möchte ich, dass wir den diesjährigen Karneval mehr feiern, als alle ihm vorangegangenen. Denn dies ist nicht nur der Karneval der Zeit, es ist der Karneval der Liebe und des Miteinander. Der Karneval ganz Terminas, ein Fest zu Ehren jedes Einzelnen von uns.“

 

   Erneut schallte der tosende Applaus über Unruhstadt hinweg, als Dotour von Viscen und drei weiteren Wachmännern sicher durch den nördlichen der beiden Zugänge nach Ost-Unruh geleitet wurde, um sich von Süden her etwas sicherer unters Volk zu mischen. Er war noch nicht einmal verschwunden, da setzte die Gorman-Truppe bereits ihre Darbietungen fort. Mutoh befestigte mit seinen Männern die provisorisch angefertigte Treppe und zündete die Reserve-Feuerwerkskörper. Das ohnehin schon grauenvoll laute Spektakel machte dem angeschlagenen Link sehr zu schaffen. Zudem stampfte eine massige, rotgelbe Gestalt auf ihn zu, die Arme weit ausgebreitet.

 

   „Da bist du ja!“, rief Madame Aroma. „Nun kann ich dir endlich gebührend danken!“

   „Nein!“, Link spürte, wie sich zwei sanft schützende Arme um seinen Oberkörper legten und er blickte zu Kafei auf, der mit felsenfest entschlossener Miene seine Stiefmutter zum Halt brachte. „Nein, Mutter.“

   „Doch nur eine kleine Umarmung.“, flehte sie mit dem Ausdruck eines bettelnden Hundewelpen.

   „Nein. Er mag das nicht.“

   „Aber du – “

   „Ich revanchiere mich nur. Und du hast gehört, was Viscen gesagt hat. `Kein Held sollte sterben, bevor man ihn für seine Taten ehren kann.´ Schon gar nicht in der Absicht, ihn zu ehren.“

   „Ich bitte dich, Kafei. Ich weiß, ich habe einen kräftigen Griff. Ich verspreche, ich werde mich zurückhalten.“

   „Nein.“, lachte Kafei. „Ich habe ihn nicht zu meinem Trauzeugen gemacht, um ihn gleich wieder zu verlieren. Er muss noch ein weiteres Land retten, schon vergessen?“

   „Banause.“, murrte sie mit einem Lächeln und schritt davon, ihrem Mann entgegen, den sie sogleich in die Oststadt zurückschob.

   „Danke.“, atmete Link auf und Kafei ließ von ihm ab.

   „Das war das Mindeste, das ich tun konnte.“, kicherte der Mann, als sich Link zu ihm umdrehte.

   „Ich frag mich eines. Wo schlafen all diese Leute und die Bewohner? Ich meine, der Gasthof hat doch nur zehn Betten.“

   „Nein. Es gibt noch Dachbodenzimmer. Ist dir die Stange neben den Kisten nie aufgefallen? Damit öffnet man die Klapptür in der Decke und zieht die Leiter herunter. Oben gibt es noch fünf große Zimmern. Aber du hast Recht. Im Gasthof kommt für gewöhnlich die Gorman-Truppe unter und jene, die keine Freunde oder Verwandten in der Stadt haben. Da das auf die meisten Leute inzwischen zutrifft, ist das also kein großes Problem. Die Goronen schlafen im Bombenladen. Über diesen gelangt man auch in die oberen Wohnungen. Ich dachte, du hättest dich umgesehen? Die Wohnungen über den Läden blicken aus der Stadt heraus. Über der Bank und der Lotterie gibt es ebenfalls Wohnungen, mit Blick in die Südstadt. Warst du nie in der Lotterie?

   „Doch. Einmal hab ich zehn Rubine verspielt. Dann hab ich es sein lassen.“

   „Ist dir die Tür drinnen nicht aufgefallen?“, Link schüttelte den Kopf. „Oh. Auch nicht die hinter dem Gong im Trainingszentrum?“, Link schüttelte erneut den Kopf. „Ehrlich nicht? Über der Kampfschule und der Post sind noch ein Buchladen und eine Schneiderin. Ein heißer Tipp. Sie näht und schneidert einfach alles – wenn der Preis, beziehungsweise die Persönlichkeit passt.“

   „Wie – alles?“

   „Alles – eben.“, Link hätte schwören können, dass Kafei ein bisschen rot anlief. „Egal. Also, die Zoras bevölkern den Waschplatz und die Gänge zum Observatorium und die Dekus verkriechen sich in einer riesigen Höhle in Nord-Unruh, wo du vielleicht schon weißt, dass zwei von ihnen ein Glücksspiel betreiben. Und was die Indigo-Go’s betrifft, sie haben ihre fixen Plätze hinter der Bühne der Milchbar. Ich frage mich, ob sie schon einen Gitarristen gefunden haben, oder ob du nach wie vor einspringen musst. Aber keine Sorge. Sie haben ihren Auftritt erst am Abend. Du kannst dich also ein bisschen vorbereiten.“

   „Ich denke nicht, dass ich so lange bleiben werde.“

   „Was redest du da? Hör zu.“, er legte die linke Hand auf die rechte Schulter des Jungen. „Du ruhst dich erst einmal ein bisschen aus. Ich wecke dich auf, wenn das Festessen fertig ist. Du musst was essen. So hungrig und müde kann ich dich nicht nach Hyrule zurücklassen. Außerdem würde ich mich freuen, wenn du noch ein wenig mit uns feiern könntest. Komm.“

   „Na gut. Du hat Recht.“, seufzte Link, wieder seiner Müdigkeit erinnert.

 

   Er geleitete Link nach Ost-Unruh und in den Gasthof, aus dessen Küche lautes Scheppern, Brodeln und Gelächter drangen. Aber anstatt ihn dort zurückzulassen, bat er ihn um den Schlüssel zu seinem Zimmer. Etwas verwirrt gab Link ihm diesen. Kafei griff unter den Tresen, holte einen Zettel und einen Stift hervor und schrieb eine Notiz, die er mitsamt dem Schlüssel gut sichtbar und unter ein paar Verrenkungen auf den Boden dahinter legte.

 

   „Wozu – “

  „Du kannst in meinem Bett schlafen. Hier hast du keine Ruhe. Außerdem würde es dir gut tun, mal etwas anderes anzuziehen. Auch wenn du oft im Wasser warst – “

  „Ja. Ich weiß. Ich stinke in alle Himmelsrichtungen nach allen Himmelsrichtungen. Aber ich hab mich daran gewöhnt. Hast du denn überhaupt was in meiner Größe?“

   „Mein Vater ist ein alter Sammler. Er bewahrt alle, und zwar wirklich alle meine alten Sachen auf dem Dachboden auf. Ich wollte dort oben einmal alles rauswerfen, aber dann hat mich die Nostalgie gepackt und ich habe es sein lassen.“

   „Wo ist eigentlich Anju?“

   „Ich hoffe, zwischen den Gästen und nicht in der Küche. Aber ich hätte sie gehört, wenn sie – “, ein Lachen drang aus der Küche. „Oh nein. Das kann ja heiter werden. Aber Cremia kann sie vielleicht zügeln.“

 

   Glücklicherweise waren die Frauen zu sehr beschäftigt, um zu hören, was an der Rezeption passierte. So brachte Kafei Link unbemerkt hinauf zum Rathaus. In dessen Eingangshalle standen jedoch zwei Personen, die Link nicht gerade vor dem zu Bett gehen noch einmal gebraucht hätte. Kafei regelte die Situation.

 

   „Was machst du hier? Geh feiern!“, trällerte Esra.

   „Danke, ich feiere heute noch genug. Geht ihr doch an meiner Stelle jetzt feiern. Link muss sich ausruhen. Sonst kann er weder das, noch sein Land retten. Da es im Gasthof zu laut ist, bitte ich euch beide, ihm die Ruhe hier zu bewahren.“

   „Hast du gehört, Esra? Unser Held braucht Ruhe. Gönnst du ihm die?“, kicherte Dotour.

   „Ich tu das nur für dich, Kafei, weißt du?“, deutete sie auf ihn.

   „Schon klar, danke.“, grinste Kafei zurück und ging mit Link in ihr Büro und das Zimmer dahinter.

 

   Link war nur einmal aus reiner Neugierde hier drin gewesen. Auf einem Stuhl hing Kafei’s übliches Gewand. Der Vorhang zwischen seinem Bett und den beiden seiner Eltern war noch immer fast zugezogen. Link fragte sich wieder, wie ein Ehepaar es aushalten konnte, in getrennten Betten zu schlafen. Aber sogleich wurde er an Madame Aroma’s Masse erinnert und konnte es Dotour nicht verübeln.

 

   „Woher hat deine Mutter eigentlich ihren Spitznamen?“, fragte er und sah Kafei interessiert dabei zu, wie er einen Kamm vom Boden aufhob und auf den Tisch in der Mitte des Raumes legte.

   „Sie liebt Parfums. Auch hat sie einen guten Geschmack was Speisen und Getränke betrifft. Du kannst deine Sachen ablegen wo immer du willst. Der Bereich hinter dem Vorhang gehört heute dir. Ich such dir was vom Dachboden.“

 

   Er griff nach einer Stange neben dem großen Kasten und zog mit ihr an einem Haken an der Decke. Eine Klapptür ging auf, auf der sich eine Leiter in Schienen befand. Auch diese zog Kafei herunter und kletterte auf den Dachboden. Währenddessen nahm Link seine magische Mütze vom Kopf. Er war so froh, sie zu haben. In ihr konnte er fast alles verstauen, was er nur wollte. Es war, als würden die Dinge in einen nicht wirklich vorhandenen Raum verschwinden, aus dem er alles wieder herausziehen konnte, was er gerade benötigte. Er legte sie sorgsam auf den Stuhl vor Kafei’s Schreibtisch. Das Tagebuch war nun geschlossen. Kafei musste es zugeklappt haben, als er sich umgezogen hatte. Dann lehnte Link sein Schild an die Wand und hängte seine beiden Gürtel über die Lehne des Sessels. Seine Stiefel stellte er daneben. In diesem Moment kam Kafei herunter. Auf den Armen trug er mehrere Kleidungsstücke.

 

   „So. Das müsste dir passen. Ganz oben ist eines meiner alten Nachtgewänder. Das andere ist für später, damit du beim Fest nicht mit Tingle verwechselt wirst.“, scherzte Kafei und kassierte einen vernichtenden Blick. „Ach – du magst ihn auch nicht?“

   „Nicht sonderlich. Zwar hat er mir nichts getan, aber er nervt irgendwie.“

   „Gut zu wissen. Also – ich wecke dich auf, wenn das Essen fertig ist, ja? Brauchst du sonst noch irgendwas? Ein Glas Wasser oder so?“

   „Nein – danke.“, überlegte Link. „Ich denke, ich hab alles, was ich brauche.“

   „Schön. Also dann – “, lächelte Kafei und ging zur Tür, während Link sich hurtig auszog und das hellblaue Nachtgewand anlegte. „Kafei?“

   „Ja?“, hielt dieser kurz vor der Tür an.

   „Ich – “, irgendwie war es ihm peinlich. „Ich – also – “, es war ihm sogar sehr peinlich, dennoch lugte er hinter dem Vorhang hervor. „Hättest du – ähm – hättest du was dagegen,“, er kniff die Augen zusammen, „Hättest du was dagegen, hier zu bleiben?“, Kafei horchte interessiert auf, lachte aber zum Glück nicht. „Ich weiß nicht – ähm – irgendwie, auch wenn sie beide nerven, fehlen mir Taya und Navi. Sie – naja – auch wenn ich manchmal gerne alleine gewesen wäre, war doch immer jemand um mich. Auch bevor Navi zu mir kam. Ich war nie wirklich allein. Und – naja – es klingt vielleicht verrückt, aber nun, da ich die Chance habe, ganz für mich zu sein – habe ich irgendwie Angst davor.“

   „In Ordnung.“, nickte Kafei verständnisvoll und Link fiel ein Stein vom Herzen. „Ich sag nur meinen Eltern Bescheid, dass sie uns holen, wenn das Essen fertig ist.

   „Gut.“, seufzte Link und kletterte in das frische Bett.

 

   Seine Vermutung war richtig gewesen. Kaum hatte Kafei die Tür geschlossen und war außer Hörweite, fiel die erdrückende Stille des abgeschotteten Raumes über ihn. Kein Geräusch drang von draußen herein. Er wünschte sich das Surren einer Fee, doch es würde keine Fee kommen. So lag er nun kerzengerade bis zum Kinn zugedeckt auf dem Rücken und starrte an den Holzplafond. Das Bett war gemütlich. Sehr gemütlich sogar. Auch war der frische Stoff auf seinem Körper angenehm. Doch es nützte alles nichts. Die wenigen Minuten in völliger Einsamkeit kamen ihm wie Tage vor. Endlich waren Schritte zu hören und die Tür ging auf. Kafei kam um den Vorhang herum und lachte kurz bei Link’s Anblick.

 

   „Dir scheint es alleine echt nicht gut zu gehen.“, Link schüttelte den Kopf. „Soll ich mich zu dir setzen?“, einen Moment zögerte Link, nickte aber schließlich.

 

   Kafei holte einen Stuhl vom Tisch in der Mitte des Zimmers, trug ihn zwischen Vorhang und Bett und setzte sich. Eine Weile sahen sie einander nur an. Hatte er tatsächlich – ? Ja. Kafei hatte sich die Augen schwarz geschminkt. Link kam es im ersten Moment ungewöhnlich vor, aber er wusste, dass die Shiekah ein sehr eigenartiges Volk waren. Irgendwie passte ihm die Farbe auch. Plötzlich lächelte Kafei. Es war seltsam, ihn lächeln zu sehen. Während der ganzen drei Tage vor dem Karneval hatte er nie auch nur irgendwelche Anstalten gemacht, zu lächeln und schon gar nicht zu lachen. Doch in der letzten Stunde, oder wie lange es auch immer gewesen war, hatte er so oft gelacht, dass Link sich wunderte, warum es ihm nicht schon früher aufgefallen war.

 

   „Es muss eigenartig sein.“, sagte Kafei leise, sein Lächeln verblasste beinahe zu Wehmut. „So lange immer die gleichen drei Tage zu durchleben und es aber zu wissen.“

   „Sie waren nie gleich. Nie. Jeder ist zwar immer den selben Tätigkeiten nachgegangen, aber je nachdem was ich getan habe, hat sich alles verändert. Weißt du, oft war ich richtig traurig, die Zeit zurückdrehen zu müssen. Am Anfang war es so ein gemischtes Gefühl. Halb Erleichterung weil ich so viel Zeit hatte, wie ich nur wollte und halb Wut, weil Taya und ich die Einzigen sein sollten, die sich erinnern würden, was ich alles getan habe. Naja – ich denke, der Maskenhändler hat eine Ahnung. Aber das war’s auch schon.“

   „Und ich weiß es.“

   „Ja. Du weißt es inzwischen auch.“, seufzte Link, zog die Arme unter der Decke hervor und legte sie auf den Bauch. „Ihr seid schon sonderbar.“, hauchte er, worauf Kafei zu kichern begann.

   „Nicht nur die Shiekah, meine ich. Ja – ihr vor allem – aber Termina. Ihr lebt vollkommen nach der Zeit. In Hyrule hat die Zeit eine sehr spirituelle Bedeutung. Aber hier bedeutet sie einfach alles. Woher kommt das? Und sag jetzt nicht, die Shiekah wären daran schuld.“

   „Tja, da muss ich dich wohl enttäuschen.“, lächelte Kafei. „Wir sind daran schuld. Die Mythensteine waren die ersten Uhren. Dank dir weiß ich, dass es sie auch in Hyrule gibt. Aber weißt du, da bei uns die Zeit eben im Mittelpunkt des Alltags steht und da, welcher Sadist auch immer die Steine konzipiert hat, nicht daran gedacht hat, dass nicht jeder eine Klinge mit sich führt, musste man sich etwas anderes überlegen. Schlussendlich waren es dann doch die Hylianer, die sich mehr der Magie abgewandt haben und auf andere Lösungen zur Zeitmessung gekommen sind. Sagen wir so, was die Shiekah magisch erreichten, versuchten die Hylianer technisch zu übertrumpfen. Ja, Hylianer haben teilweise magische Fähigkeiten, aber da ihre Förderung immer mehr zurückgegangen ist, wissen nur noch wenige von ihnen um die alten Zauber. Wie du siehst, selbst deine Fähigkeiten mussten durch jene, die der Magie mächtig sind, wieder erweckt werden. Der Alltag fast ohne Magie ist in Termina großteils so präsent, dass sogar viele in Panik ausbrechen, wenn einmal mehrere Fackeln auf einmal ausgehen. Dann war es mit Sicherheit irgendein Magier. Und diese Fackeln erneut zu entzünden bringt Unglück. Glaub mir, es ist sehr schwer, Idioten zu belehren. Meine Güte –was ist nur mit mir los? Ich will, dass du schläfst, aber andererseits hör ich nicht auf zu reden.“

   „Schon in Ordnung. Wie lange braucht so ein Festessen?“

   „Wenn meine Schwiegermutter mit Cremia in der Küche steht, muss alles perfekt sein. Und wenn Anju dann auch noch dazwischenredet, vermutlich sogar noch in ihrem Hochzeitskleid, ist das ein guter Anlass, das Weite zu suchen und sich Zeit zu lassen.“

   „Und du bist glücklich?“

   „Womit?“

   „Mit der Familie in die du dich hineingebracht hast.“

   „Sie sind nicht verrückter als ich. Manchmal unausstehlich, ja. Aber das macht mir nur noch mehr bewusst, dass ich Anju liebe. Denn ich kann ihr einfach nicht wirklich böse sein, ohne dass es mir selbst schmerzt.“

 

   Link nickte daraufhin nur und sah wieder gerade in die Luft. Plötzlich spürte er etwas an seiner rechten Hand. Auch wenn er wusste was es war, sah er instinktiv hin, als Kafei’s Finger die seinen umschlossen. Sachte erwiderte er die Geste. Er entdeckte ein mit blauen, violetten und orangen Fäden geknüpftes Armband, das unter seinem Ärmel hervorleuchtete.

 

   „Schlaf jetzt.“, flüsterte Kafei. „Du wirst deine Kraft brauchen, wenn du meine Familien richtig kennen lernst.“, Link lächelte zaghaft, schloss die Augen aber nicht, sondern sah zu dem jungen Mann auf. „Ich weiß. Ich bin auch manchmal zu müde um einschlafen zu können. Aber es ist ganz einfach. Du musst nur die Augen schließen und an etwas denken, das dich beruhigt.“, Link verzog die Lippen. „Was ist?“, zögerte Kafei. „Soll ich mich zu dir legen?“, Link sagte nichts, doch Kafei wusste, das er Recht hatte. „Na gut. Ich bin ohnehin auch ein bisschen müde. Aber ich zieh mich nur um. Ganz so gemütlich ist dieser Stoff nun auch wieder nicht. Und der Umhang erschwert die ganze Sache zudem.“

 

   Kafei stand auf, holte etwas aus seiner Kommode und ging um den Vorhang, um Link den Anblick zu ersparen. Er hatte nie einen Bruder gehabt. Auch hätte er nicht gedacht, dass ein völlig Fremder ihm so ans Herz wachsen könnte, dass er für ihn wie ein großer Bruder werden würde. Er spürte, dass auch Kafei ihn sehr mochte, obwohl er ihn, Link, nicht so oft gesehen hatte, wie andersherum. Kafei hatte sich ausgesprochen schnell umgezogen. Link hätte sich das Ausziehen einer so prächtigen Tracht schwieriger vorgestellt. Vorsichtig hob er die Bettdecke an und Link rückte ein Stück beiseite. Auch wenn es ihm doch ein wenig peinlich war, wartete Link bis Kafei sich zurechtgelegt hatte und kuschelte sich an ihn. Bildete er es sich nur ein, oder hatte Kafei – Muskeln? Und warum – kam ihm dieser Gedanke überhaupt in den Sinn? Es war doch nicht besonders, dass ein Mann Muskeln hatte.

 

   „Oh – na da ist aber einer liebesbedürftig.“, kicherte Kafei leise. „Warte.“, er zog den linken Arm zwischen sich und dem Jungen heraus, dessen Bedeutung dieser besser verstand als die momentanen, eigenen Überlegungen und den Kopf leicht anhob. „Geht das so?“

 

   Link nickte an seine Brust. Kafei deckte den kleinen Held noch etwas mehr zu und schloss ihn in die Arme. Bald fielen auch ihm die Augen zu und die beiden entglitten in einen sanften Schlaf.

 

 

~o~0~O~0~o~

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0