- Kapitel 11 -

Die Göttlichkeit des Seins

   Es machte einen gewaltigen Knall. Link schrak auf, wurde aber niedergezogen. Ein dumpfes Kichern und tappende, sich entfernende Schritte folgten. Er spürte die warme, seidige Haut, eine zärtliche Hand, die durch seine Haare strich, als sein Kopf beruhigend in seine ursprüngliche Position gedrückt wurde. Der andere Arm legte sich schützend um seine Schultern. Die Müdigkeit überkam ihn und er kuschelte sich mit der rechten Wange an Kafei’s Brust, wo er dessen Herzschlag lauschte.

 

   „Guten Morgen.“, sein Flüstern kribbelte durch Link’s Körper. „Hast du gut geschlafen?“, er bekam nur ein Grummeln heraus. „Natürlich. Sonst wärst du schon vor einer Stunde oder so aufgewacht. Kümmre dich nicht um den Lärm. Das ist Taya. Sie versucht uns mit Dekunüssen aufzuwecken. Macht sie öfters. Na? Wie war deine Nacht?

   „Himmlisch.“, murmelte Link.

   „Gut. Dann bin ich also nicht allein mit meinem Glück. Wie fühlt man sich so als frisch gebackener Erwachsener?“

   „Frag nicht nach Dingen, die du weißt.“, kicherte Link Kafei’s Standardsatz. „Ich weiß nicht – gut. Müde. Ich nehme an, du hast das in der Art vorher noch nie gemacht?“

   „Nein. War ich sehr eng?“

   „Das kann ich nicht ganz beurteilen. Es hat sich einfach nur gigantisch gut angefühlt.“

   „Ganz deiner Meinung.“, lächelte Kafei. „Sitzen werde ich heute wahrscheinlich nicht können.“

   „Hab ich dir weh getan?“, Link hob leicht den Kopf, wurde aber wieder zurückgestreichelt.

   „Nein. Ich spür dich nur noch immer. Ich schätze, das ist normal.“

   „Hast du eine Ahnung, wie spät es ist?“, es war noch recht dunkel.

  „Nein. Es ist bewölkt. Ich hoffe nur, heute regnet es nicht. Aber die Leute müssen ohnehin ausschlafen. Die Feierlichkeiten und Veranstaltungen finden normalerweise immer nur am Abend und in der Nacht statt. Nur am letzten Tag wird durchgehend gefeiert. Zwischendurch kann es aber schon vorkommen, das irgendwelche Artisten aber auch Gäste die seltsamsten Aktionen starten. Dann werden Teile der Stadt auch am Tag zur Bühne. Beim Karneval ist es egal, wir verrückt man ist. Niemand wird währenddessen beurteilt. Wir sind alle gleich. Zumindest ist das der Leitgedanke dahinter. Die meisten halten sich auch daran. Gelästert wird erst wieder nach dem Karneval. Ich finde, diese Einstellung könnte sich über das ganze Jahr hinweg weiterziehen. Aber das ist ein Traum, der wohl nie in Erfüllung gehen wird.“

   „Apropos – außer Ydin hat vor deiner kleinen Darbietung niemand über deine eigentliche Orientierung Bescheid gewusst, oder?“

   „Fast. Vater, Rim und Anju wissen auch schon lange, dass ich – beidseitig ausgelegt bin. Allerdings ist außer ein paar Spielchen auf der homogenen Seite bis jetzt nicht wirklich was gelaufen.“

   „Spielchen?“

   „So was wie an der Schädelküste und andere Experimente. Neugierige, pubertäre Hähne finden keine passende Verehrerin, also müssen sie sich ihren Spaß anderswo holen. Bei so einer Sache hab ich auch zum ersten Mal in Erwägung gezogen, dass es etwas anderes gibt als Anju. Aber Kleider hab ich immer schon gern getragen. Schon als Kind.“

   „Wie kommt man bitte zu solchen Freunden, die an derartigen Spielchen interessiert sind?“

   „Neugierig, was?“, lachte Kafei.

   „Nein. War nur so eine Frage.“, schmunzelte Link. „War Rim etwa auch daran beteiligt?“

  „Du – hast es erfasst. Wir waren eine nette, fünfköpfige, zusammengeschweißte Runde. Rim konnte damals auch vor Majora fliehen. Wir haben ihn bei uns aufgenommen. Davor hab ich nie was mit ihm zu tun haben wollen. Er war immer schon sehr eigenartig und gewaltbereit. Ich hab es einigermaßen geschafft, ihn zu zähmen. Aber wie du gesehen hast, nicht ganz. In der Regel hält er sich aber zurück und kann sogar – tut mir leid, dass ich das jetzt sage – ausgesprochen zärtlich sein.“

   „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich vermute, das war noch vor meiner Geburt oder zumindest war ich noch ein Kleinkind, oder? Außerdem hab ich gefragt. Ich nehme solche detaillierten Antworten in Kauf.“

   „Danke.“, Kafei gab ihm einen Kuss auf die Stirn. „Du hast Recht. Wir haben mit der Zeit noch drei Verrückte für uns gewinnen können. Fast täglich haben wir was zusammen gemacht. Jahrelang. Zu deiner Frage, wir waren alle noch ziemlich jung. Nicht viel jünger als du zwar, aber dennoch. Eben alt genug, um zu merken, dass es Teile des Körpers gibt, die auf gewisse Dinge auf eine gewisse Art reagieren. Wenn man so ungehemmt und ungeniert unter sich sein kann, fängt man halt an, Sachen auszuprobieren. Bei anderen Freundesgruppen war es der Alkohol. Wir waren darüber zumindest teilweise erhaben. Aber eines Tages sind wir auf die glorreiche Idee gekommen, ein Kartenspiel zu erstellen. Ziemlich schräge Sache mit strikten Regeln. Schon allein die Ideenfindung hat es in sich gehabt. Ich muss dir das Spiel jetzt doch nicht etwa erklären?“

   „Nur, wenn es dir nicht peinlich ist.“

   „Dir gegenüber ist mir gar nichts peinlich. Ich will dich nur nicht irgendwie verletzen.“

   „Dann bitte ich darum.“

   „In Ordnung. Also – es gibt mehrere Arten von Karten. Aktive und passive. Die aktiven sind meistens besser als die passiven, da es bei dem Spiel generell darum geht, nicht zu kommen. Wer also als erstes einen Orgasmus hat, hat verloren. Das geht immer so weiter, bis der erste Verlierer den Sieger, nun ja, von seiner Qual erlösen muss.“

   „Oha.“

   „Ja. Man setzt sich am Boden im Kreis auf, die Karten werden durchgemischt, umgedreht auf einen Stapel in der Mitte gelegt und ein Freiwilliger beginnt. Bei manchen Karten geht es ums aus- oder wieder anziehen. Deshalb wird darauf geachtet, dass jeder oben beziehungsweise unten genau zwei Kleidungsstücke trägt. Manchmal muss man sich selbst ausziehen, dann jemand anderes, dann muss man sich von jemandem ausziehen lassen. Das sind eigentlich die einzigen Karten, wo man an sich selbst was machen muss. Sonst gibt es von jeder Karte immer eine mit rechter Nachbar und eine mit linker Nachbar.“

   „Andere Karten, ja. Ich meine, sonst könnte es nach einer Weile eher nervend sein, als – oder nicht?“

   „Vermutlich. Ja, die anderen Karten sind schon etwas heftiger – die sogenannten Berührungskarten. Dazu muss man sagen, dass die Karte nur gilt, wenn der entsprechende Körperteil nicht bekleidet ist. Falls doch, Schwein gehabt. Die Karte geht unter den Stoß, als wäre die Aktion erledigt. Zusätzlich gibt es auch noch einen sechsäugigen Würfel, der die Dauer der Aktion bestimmt. Eine Aktion dauert also maximal sechs Sekunden. Es würfelt der, der zieht. Auf die verschiedenen Berührungskarten möchte ich nicht näher eingehen. Aber du kannst dir vielleicht ungefähr vorstellen, welche schrägen Sachen darunter sind.“

   „Eventuell. Gibt es irgendwelche Verbote?“

   „Nun, wie erregend die Berührungen durchgeführt werden, ist jedem selbst überlassen. Das einzige Verbot, ist Schmerz. Mann soll ja seinen Mitspielern nicht schaden, sondern sie verlieren lassen.“

   „Und das habt ihr wirklich gespielt?“, Gluckste Link.

   „Ja. Ich hab die anderen sehr oft kläglich verlieren lassen.“

   „Das kann ich nachvollziehen. Immerhin weiß ich jetzt, woher du die Übung hast.“

   „Genau.“, kicherte Kafei.

   „Existiert das Teil noch?“

   „Du kleiner Perversling.“, Link kassierte einen Klaps auf den Kopf. „Vielleicht. Ich weiß nicht. Irgendwo zwischen meinen alten Sachen müsste es noch sein. Hast du es wirklich nötig?“

   „Nein. War reines Interesse. Nur damit ich weiß was los ist, falls es mal jemand finden sollte und dich verschlüsselt darauf anspricht. Ich muss deine pubertären Phantasien ja verteidigen, oder nicht?“

   „Das ist lieb von dir. Mein Vater weiß von seiner einstigen Existenz, nur nicht, ob es noch immer existiert. Wenn Anju es findet, hat sie vermutlich auch kein Problem damit. Ich hab nur Bedenken, falls meine Kinder darauf stoßen sollten. Sie sind aufgeklärt, aber nicht so aufgeklärt. Nach dem was ich gemerkt hab, macht es ihnen überhaupt nichts aus, dass ich neben ihrer Mutter auch mit dir zusammen bin. Bei anderen Dingen bin ich mir aber nicht ganz sicher, wie sie reagieren würden.“

   „Ein etwas anderes Thema.“, Link richtete sich leicht auf und küsste Kafei. „Hab ich Mundgeruch?“

   „Wa- ? Nein.“, lachte dieser.

   „Gut. Nein. Was ich sagen wollte – hättest du was dagegen, dich bei mir zu revanchieren?“

   „Du – du meinst – wirklich?“, Link nickte. „Jetzt schon?“

   „Sehe ich so aus, als würde ich scherzen?“, lächelte Link.

   „Nein. Nur – bist du dir sicher?“, Link nickte erneut. „Hm. Ich weiß nicht – wir sind sicher nicht mehr alleine. Und wenn Taya wiederkommt – “

   „Oh. Das hab ich nicht bedacht.“, er rollte sich schlaff auf den Rücken.

   „Außerdem müssen wir das Salatöl zurückgeben. Anidja merkt ohnehin, dass etwas fehlt. Und wenn noch mehr fehlt, riskiere ich vielleicht meinen momentanen guten Ruf wieder. Ja, es ist mir egal. Aber Küssen ist eine Sache, weißt du? Ich hab keine Ahnung, wie sie sich bei so was verhält. Tut mir leid.“

   „Dann schlage ich vor, wir lassen das Öl weg.“

   „Das ist ein wunderbare Idee.“, raunte Kafei. „Ich wusste gar nicht, dass du so masochistisch bist. Ich würde sagen, wir warten zumindest bis zum Nachmittag. Der Markt findet auch während des Karnevals statt. Wir kaufen einfach still und heimlich noch eine Flasche. Inzwischen – “, er drehte sich zu Link und leckte ihm über die Seite seines Halses, „Könnten wir uns ja eine andere Vorspeise zum Frühstück holen.“

   „Genehmigt.“, grinste Link.

 

 

 

~o~0~O~0~o~

 

 

   „Was habt ihr bitte gemacht?“, waren Zelda’s erste Worte, als Link das Speisezimmer betrat. „Kafei schweigt wie ein Grab und verzieht keine Miene.“, das tat er wohl, in seinen Teller hinein, wie Link kurz sah. „Ich hab zwar aufgesperrt, aber ich konnte nicht rein. Ich musste mit Anju im Ehebett schlafen.“

 

   Link verschaffte sich einen Überblick. Da es schon nach Neun war, hatten sie das Speisezimmer für sich. Anwesend waren Anju-Anila, Dotour, Esra, Cremia, Rim, Romani, Zelda und nun auch Kafei und er.

 

   „Ich bitte dich.“, sagte Anju. „Du tust so, als hätte ich dich vergewaltigt.“, Link überraschte ihr Vergleich. „Wie war’s?“

   „Wie war was?“, er realisierte endlich, dass Anidja und die Kinder nicht am Tisch saßen. „Ach so. Äh – woher weißt du – “

   „Kommt schon. Ja, du auch.“, sagte sie zu ihrem Mann. „Ich bin nicht blind. Ich weiß, dass du dich unsichtbar machen kannst. Wenn sich eine Schranktür ohne ersichtlichen Grund öffnet und schließt, kann der Grund nur unsichtbar sein. Auch weiß ich, was du wieder zurück hinein gestellt hast. Also – wie war’s?“

   „Link?“, jammerte Kafei. „Hast du was dagegen, mir ein Kissen zu holen? Ich hatte Recht. Ich kann es gar nicht erwarten, mich zu revanchieren.“

   „Sadist.“, grummelte Link und setzte sich neben Kafei, der bereits einen Teller für ihn mit angerichtet hatte.

   „Jetzt – ich wusste nicht, dass die Folgen sich wirklich nicht mit Holzbänken vertragen.“

   „Ich hab echt keine Lust, wieder nach oben zu gehen. Nicht mal für dich. Also setz dich auf meinen Schoß oder halt den Mund.“, kicherte Link und Kafei nahm, ein leises Danke murmelnd, an.

   „Zu deiner Information,“, wandte Kafei sich an seine Frau, „Es selbst, war einfach nur gigantisch schön. Aber jetzt, im Nachhinein – du siehst ja.“

   „Schon gut.“, lächelte Anju, als sie seinen Ausdruck sah. „Ich frag nicht weiter.“

   „Worum geht es eigentlich?“, fragte Romani.

   „Das willst du nicht wissen.“, grinste Rim knapp. „Du Schuft. Du hast es ihm doch tatsächlich erzählt?“

   „He!“, fauchte Kafei. „Das ist privat! Wehe du liest weiter!“

   „So privat ist das hier auch wieder nicht. Und – weiter, oder das was davor war?“

   „Beides.“

   „Oh.“, sein Grinsen wurde immer breiter während Link spürte, dass es für Kafei alles andere als ein Spaß zu sein schien.

   „Es gibt sie noch.“, murmelte Dotour zu seinem Frühstück.

   „Vater! Nicht du auch noch. Und – danke für die Information. Hast du sie wenigstens so versteckt, dass sie die Kleinen nicht finden?“

   „Sie sind vor deiner Nase.“

   „Gut.“

   „Heißt das das was ich denke?“, fragte Link und Kafei musterte ihn kurz.

   „Ja. Komm aber bloß nicht auf die Idee, zu kramen.“, er folgte dem Essen, das um ihn herum in Link’s Mund wanderte, sich wünschend, dass seine Zunge das Essen wäre, was Link aus seinem sehnsüchtigen Blick herauslas und ihm daraufhin lächelnd kurz einen Finger auf die kalte Nasenspitze drückte.

   „Worum geht es?“, fragte Esra.

   „Ach nichts.“, meinte Rim schulterzuckend.

   „Ich schätze, es geht um eine Menge Dinge, die wir nicht wissen sollten.“, seufzte Zelda. „Da ich ohnehin nichts daran ändern kann, habt ihr meinen Segen.“

   „Zelda. Bitte – “

   „Was?“

   „Es tut mir leid.“

   „Nein, Link. Dir muss gar nichts leid tun. Mir tut es leid, dass ich blind war. Ich hätte merken müssen, dass es nicht funktioniert. Ich will dich zu nichts zwingen. Mir ist wichtiger, dass du glücklich bist. Ich bin mir ohnehin nicht sicher, ob etwas daraus geworden wäre.“

 

   Das pure Verständnis lag in ihren Augen. Beide Männer waren doch ziemlich überrascht, wie konsequent Zelda als auch Anju vergeben und akzeptieren konnten. Was Dotour nun ansprach, war ihnen aber nicht mehr geheuer, vor allem seinem Sohn.

 

   „Ihr müsst wissen, Esra, Anju und ich stehen voll hinter euch. Wenn ihr also einen ruhigen Ort braucht und unsere Hausgäste nichts vom Karneval wissen wollen, finde ich schon einen anderen Weg, sie fortzulocken. Zelda werfen wir einfach zu unseren Freunden ins zweite Gästezimmer, wenn keiner von euch Vieren was dagegen hat?“, wandte er sich zuletzt an Zelda, Romani, Cremia und Rim.

   „Außer du kannst es nicht mit deinem Gewissen vereinbaren, dass ihr in un- ähm – “, meinte Anju. „Ich fände den Gedanken – naja – ich halte wohl besser den Mund.“, grinste sie.

   „Wer bist du und was hast du mit meiner Frau gemacht?“, kam es von Kafei.

   „Ich hab gar nichts mit ihr gemacht. Ich hab nur beschlossen, auch meine Maske wieder abzulegen.“

   „Ja. Stimmt. Du warst ja schon einmal so.“

   „Und wegen der Sache – kann es sein, dass es um die Karten ging?“

   „Anju!“, zischte Kafei.

   „Also doch.“, kicherte sie.

   „Anju!“, zischte er noch energischer, als er bemerkte, was sie dachte. „Streich das ja wieder aus deinem angeknacksten Hirn.“

   „Lass sie doch.“, meinte Link. „Du kannst dich glücklich schätzen, jemanden wie sie geheiratet zu haben. Auch wenn mir ihre plötzlichen Offenbarungen doch etwas seltsam vorkommen.“

   „Und sag jetzt ja nicht, wir wären pervers.“, sagte Anju zu Kafei. „Du brauchst dich nicht aufzuregen. Sonst veröffentliche ich es unter deinem Namen.“

   „Anju!“, kam es von Kafei, Link, Rim und Dotour zugleich.

   „Ach jetzt – das würde ich mich gar nicht trauen. Ich hab schon genug zu erklären, wenn die, die es nicht gesehen haben, rausbekommen, was euch beide verbindet. Ich bin immerhin mit einem von euch Idioten verheiratet und muss mich ab sofort für mein Verständnis rechtfertigen.“, ja, sie hatte den kritischen Punkt beim Namen genannt.

   „Das interessiert mich auch.“, bemerkte Romani. „Warum habt ihr euch geküsst? Passiert so etwas, wenn man betrunken ist? Und warum redet ihr alle so geheimnisvoll?“

   „Romani.“, sagte Cremia, als sie die Blicke des Paares sah. „Es tut mir leid. Ich hab dich angelogen. Ich denke nicht, dass einer von ihnen auch nur annähernd was getrunken hat, oder?“, sie bekam eine beiderseitige Bestätigung.

   „Aber wieso dann? Was – ?“

   „Ihr Giganten steht mir bei.“, seufzte Cremia. „Warum hab ich meine Schwester nur so konservativ erzogen? Wie soll ich das jetzt schonend – “

   „Lass mich das machen.“, schlug Rim vor.

   „Bist du sicher?“

   „Deine Schwester versteht die Welt nicht mehr.“

   „Ja.“, beschwichtigte diese.

   „Also.“, atmete Rim tief durch. „Du weißt ja, was du für Link empfindest?“, ein stummes Nicken. „Gut also – solche Gefühle müssen nicht zwingend nur zwischen einem Mädchen und einem Jungen existieren, beziehungsweise zwischen Mann und Frau. Auch ohne den Einfluss von Alkohol. Zwei männliche Wesen können sich genauso ineinander verlieben, als auch zwei weibliche Wesen. Und manche haben eben eine Schwäche für beide Geschlechter. Verstehst du?“, Romani wirkte sehr verwirrt. „Nein. Du verstehst das nicht.“, seufzte Rim. „Ein Versuch war es wert.“

   „Wie jetzt – Anju liebt Kafei, aber Kafei liebt sie und Link?“

   „Genau.“, bestätigte Kafei sanft.

   „Und du?“, wandte sie sich an Link. „Du liebst Kafei auch?“

   „Ja.“

   „Aber – dann hat Kafei dich nicht geküsst, weil er gestern so getan hat, als wäre er eine Frau? Das war nicht gespielt? Gar nichts davon? Ist das der Grund, warum du nicht mit mir zusammen sein willst?“

   „Ich schätze, ja.“, überlegte Link. „Das ist ziemlich kompliziert. Mir ist das selbst noch nicht ganz klar. Ich denke, damals, du weißt schon, da war ich einfach noch zu jung und du ziemlich verknallt. Aber jetzt, wie gesagt, ich mag dich wirklich. Aber selbst wenn ich nichts für Kafei empfinden würde, wir beide könnten nicht zusammen sein. Weißt du, wie ich das meine?“, sie schüttelte leicht den Kopf.

   „Romani.“, kam es von Zelda. „Deine Idee von gestern Nachmittag, ich fand sie irgendwie süß. Aber ich fürchte, wir können uns nach wie vor nur den Gedanken teilen, nicht die Person selbst.“

   „Was?“, lachte Link und Zelda als auch Romani wurden leicht rot.

   „He!“, fauchte Romani.

   „Ihr – “, gluckste Kafei. „Ihr wolltet euch meine Salatgurke teilen?“

   „Ach ja – “, warf Link etwas unbeachtet ein. „Hab ich schon erwähnt, dass ich es satt habe, ständig mit grünen Dingen, vor allem, Gewächsen verglichen zu werden?“

   „Ja.“, kicherte Zelda. „Romani hat vorgeschlagen, dass wir uns dich teilen könnten. Aber, Romani.“, wandte sie sich wieder an das Mädchen. „Keine von uns wird Link haben können. Er – naja – “

   „Verdammt noch mal.“, raunte Link. „Ist es so schwer, dieses Wort auszusprechen? Ich bin schwul, verstanden? Homosexuell. Ich steh auf Männer. Das ist mir in den letzten Tagen bewusst geworden, nachdem ich etliche Zeichen zusammengezählt habe. Romani, es liegt nicht an dir, es liegt an mir. Ich könnte es einfach nicht.“

   „Heißt das, du willst gar nichts von Mädchen wissen?“

   „So in etwa, ja.“

   „Aber warum hast du dann getan, als wärst du eine Frau, wo Link doch keine Frauen liebt?“, Kafei ließ sich lachend in Link’s Arme sinken.

   „Weil das noch komplizierter ist, als alles was bisher erwähnt wurde.“, sagte Dotour. „Mein Sohn liebt sowohl Männer und Frauen gleich viel und fühlt sich auch selbst als beides.“

   „Nana, ganz so auch wieder nicht.“, erhob Kafei den Finger. „Ich bin doch noch etwas mehr Mann als Frau. Ich schminke mich nur gerne und trage noch lieber Kleider. Aber ich bin trotzdem stolz, ein Mann zu sein.“

   „Und Reizwäsche.“, flüsterte Link verhalten. „Au!“, Kafei hatte ihm in die Hand gekrallt.

   „Klappe, ja?“

   „Ach jetzt weiß ich, warum du mich nicht stundenlang nach meinem blauen Höschen suchen hast lassen.“, kicherte Anju. „Von wegen, du konntest es nicht erwarten. Es war dir nur peinlich.“

   „Verdammt.“, lachte Link. „Du hast das jetzt echt gehört?“

   „Danke.“, Kafei drehte die Augen über. „Aber das war das einzige Mal.“

   „Und deshalb durfte ich auch nicht in deine besondere Truhe sehen, oder? Na? Was hast du da Hübsches versteckt? Es tut mir leid. Ich weiß. Ich geh gerade doch ein bisschen zu weit.“

   „Nein. Schon in Ordnung.“, seufzte Kafei. „Cremia versucht es zu akzeptieren, Romani versteht es ohnehin noch immer nicht ganz, Mutter will einfach nur mehr über ihren Stiefsohn erfahren, den sie zu kennen glaubte,“, letztere nickte, „Rim und Vater kennen meine Geheimnisse, Link versuche ich noch einzuweihen und Zelda ist es egal, welche seltsamen Angewohnheiten ich habe. Du kannst also offen über meine intimen Vorlieben sprechen.“

   „Ach genau.“, platzte Dotour. „Wo du es sagst, Algen.“, alle Augen richteten sich groß auf den Altbürgermeister, der ein Kichern nicht unterdrücken konnte. „Vergesst das Deku-Zeug. Egal ob Nüsse oder Kerne. Es schmeckt nur gut im Salat. Algen-Extrakt schmiert viel besser und angenehmer. Auch sind Bänke am nächsten Tag nicht so unangenehm. Nebenbei hat es ein sehr interessantes Reibungsverhalten.“, er mied schmunzelnd jegliche Blicke.

   „Oh!“, gluckste Kafei. „Danke. Ich frag besser nicht, woher du das weißt. Aber jetzt ist mir klar, dass ich offenbar mehr von dir habe, als ich dachte. Noch andere Jugendgeheimnisse, die du offenbaren willst?“

   „Nein. Außer – es waren bemalte Steine. Wir waren nicht so kreativ aber – naja – etwas weniger jugendfrei.“

   „Ich denke, es reicht.“, sagte Link, als er Romani’s fragwürdigen Blick sah und verdrückte seinen letzten Bissen.

   „Ja. Denk ich auch.“, stimmte Kafei ihm zu. „Vater? Hast du Lust, deinem alten Beruf nachzugehen? Ich würde gerne heute frei haben. Ich weiß, es ist unverantwortlich, aber du musst ja schon Entzugserscheinungen haben, so intensiv wie du dich an den Vorbereitungen beteiligt hast. Ich muss für den Gasthof einkaufen und auch – deinen Tipp. Dann würde ich Link gerne die Èthrienni zeigen.“

   „Für den Gasthof kann ich heute einkaufen.“, schlug Anju vor. „Ich weiß, ich hab letztes Mal schon. Aber wenn Esra für mich einspringt?“

   „Ich – äh – ja. Warum nicht?“, zuckte die Genannte mir den Schultern.

   „Gut. Dann kann ich mir mit den Mädels einen schönen Tag machen. Das brauchen sie jetzt. Und Rim? Was machst du?“

   „Wenn du deine Schwester vom Gasthof abziehst, sollte ich den Ruf der Shiekah zurechtrücken und deiner Mutter helfen. Ich brauch ohnehin keinen Rummel. Die Nacht war mir laut genug.“

   „In Ordnung. Ja. Also – gehen wir gemeinsam los, oder was machen wir?“

   „Ich zieh mich nur um und putz mir die Zähne.“, sagte Kafei.

   „Du musst dich nicht umziehen. Wenn’s dir wirklich passt, kannst du es gerne anbehalten.“, Link gab ihm einen kleinen Kuss.

   „Oh. Danke. Ja. Es passt. Nicht einmal zu lang. Faszinierend, oder?“

   „Nein. Weil es mir um einen Hauch zu kurz ist.“, lachte Link.

 

 

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   „Ich versteh Anju noch immer nicht.“, schüttelte Link den Kopf, als sie sich von der Damenrunde verabschiedet hatten. „Wie kann sie uns so akzeptieren? Sie ist deine Frau! Denkst du nicht auch, dass sie sich irgendwann vernachlässigt fühlen wird?“

   „Nicht wirklich.“, sagte Kafei und Link, wieder um einige Rubine leichter, verstaute eine dunkle, kunstvolle Flasche in seinem Medaillon. „Ich sage nur, die Nacht bevor ihr angekommen seid. Bis jetzt meine Höchstleistung. Sämtliche Wissenschaften sprechen dagegen.“

   „Hört, hört. Wie oft?“

   „Fünf Mal.“

   „Whow!“, Link schliff zusammen und Kafei drehte sich kichernd um. „Wie oft?“, Kafei streckte nur jeden Finger seiner rechten Hand einen nach dem anderen aus. „Kannst du das noch mal?“, der Blauschopf lachte herzlich und küsste Link kurz aber voller Zärtlichkeit, ohne sein Lächeln zu verlieren, ungeachtet der Blicke, die sie auf sich zogen.

   „Zelda spricht die Wahrheit. Du bist einfach nur süß.“, Link lächelte verlegen. „Komm. Zeit für einen Ausritt nach Ikana.“

   „Was sind diese – wie heißen die noch mal?“

   „Èthrienni.“

   „Ja.“

   „Wirst du schon sehen. Außerdem reißen die Wolken auf. Ich hoffe, sie sind weg, bis wir dort sind.“

 

   Er nahm Link an der Hand und rannte mit ihm kichernd aus der Stadt. Kaum durchs Tor, schob er ihn um die Ecke, drückte ihn leicht gegen die Stadtmauer und küsste ihn tief und sinnlich. Erst nach mehreren Minuten trennte er sich von ihm und ließ einen melodiösen Pfiff ertönen. Link konnte Epona mit der Melodie schneller rufen. Vielleicht lag es aber auch daran, dass sie in der Ebene graste und Kafei’s Pferd doch aus Ikana zu ihnen kommen musste. Und was für ein Pferd es war. Ein kräftiger, stolzer, schwarzer Hengst. Sein Fell schimmerte göttlich im Licht der Mittagssonne. Die lange Mähne peitschte gleichmäßig im Wind. Sattel oder Zaumzeug trug das Pferd nicht. Langsam galoppierte es aus und tänzelte um Kafei herum, als hätten sie sich sehr lange nicht gesehen.

 

   „Das ist Ijaron. Der Herrscher aller Rösser Ikanas. Das Pferd meines Ur-Ur-Urgroßvaters Hethriol. Er hat all die Jahre im Hinterland gelebt. Wild und ohne Herrn. Man hat ihn gefunden, als wieder Leben nach Ikana gekommen ist. Niemand konnte ihn bändigen. Er ist vor allen davongelaufen. Mit nichts konnten sie ihn fangen. Ich wollte ihn mir nur ansehen. Das ist wohl einer der Gründe, warum man meine Meinung in Ikana inzwischen akzeptiert. Ijaron hat den Erben seines treuen Gefährten erkannt.“

   Interessant. Aber ich denke, es ist generell ein Pferde-Ding? Epona ist mit niemandem einverstanden, von dem ich ihr nicht versichere, dass sie nichts zu befürchten hat.”

   „Gut möglich; eine Kinder und ich sind die einzigen, die er an sich heranlässt. Reiten lässt er sich aber nur von mir. Hethriol war einst König. Ja, ich habe nicht nur blaue Haare. Igos war mein Urgroßonkel. Er und meine Mutter, seine Großnichte, haben sie alle überlebt, jedenfalls bis Majora gekommen ist. Deshalb besteht Vater nach wie vor darauf, dass ich dieses Shiekah-Pack wieder vereine und regiere. Da meine Kinder noch zu jung sind, bin ich nach wie vor der Thronerbe. Das ist es was Rim oft vergisst. Deshalb wollte er, dass ich ihn für seinen Irrsinn bestrafe. Er ist mein Freund, aber manchmal wacht er auf und meint, er müsste mir treu ergeben sein. Ich hoffe, das erklärt vieles.“

   „Äh – ja. Durchaus.“, kratzte sich Link am Hinterkopf und zog sich auf Epona’s Rücken. „Und wie kommst du rauf? Ach so. Der Uhrturm hat ja auch keinen Sattel.“

   „Was?“, lachte Kafei. „Du bist mir vielleicht einer.“

 

   Er schüttelte den Kopf, legte die Arme um Ijaron’s Hals, holte Schwung und zog sich behände auf den Rücken des zur Ruhe gekommenen Pferdes. Link hatte Kafei noch nie reiten sehen. Aber gab es überhaupt etwas, das Kafei nicht konnte?

   Epona hatte ernsthafte Probleme, mitzuhalten. Frila war schon schnell, aber Ijaron war mit Abstand das schnellste Pferd, das Link je gesehen hatte. Und da hatte es einst geheißen, Epona sei das schnellste Pferd. Auch saß Kafei so ruhig. Entweder konnte der Hengst seinen Rücken eben halten, oder Kafei ging so gut mit seinen Bewegungen mit, dass es ihn kaum auf und ab hob. Auch über die Zäune flog Ijaron regelrecht. Er war wahrlich ein Herrscher unter den Rössern.

   Kafei hielt an, um Link aufschließen zu lassen. Als Epona abbremste, wieherte sie laut und aufgebracht. Ijaron schüttelte nur seine Mähne. Link verstand durchaus, was die Pferde sich gesagt hatten. Kafei verstand er jedoch nicht.

 

   „Na triminjar su shjannissa.“, sagte er zu seinem Pferd. „Hleka na tharmleka srinja.“

   „Was heißt das?“

   „Sei nicht so ein Angeber. Sie kann nicht schneller.“

   „Wirklich?“

   „Ja.“, lachte Kafei.

   „Und was hast du heute Nacht zu deinem Vater gesagt?“

   „Was war das noch gleich?“

   „Irgendwas mit aretja und auch so einem trimi-Ding.“

   „Ach so. Nish triminesku áretija?“

   „Ja. Das war’s.“

   „`Wenn’s doch so ist´. `Nish´ heißt `wenn´ und `trimina´ ist das Wort für `sein´. `Esku´ ist die Endung für die dritte Person Einzahl, also `es´, `jar´ ist die Endung für die zweite Person Einzahl, sprich `du´. `Na´ steht für `nein´, `nicht´, `nichts´ und dergleichen. `Hleka´ bedeutet `sie´, auch in den Endungen. `Tharmu´ heißt `können´, `srin´ ist `schnell´ und `srinja´ eben die Steigerung. Übrig bleibt noch – ach ja. `Su´ für `so´ und `shjannissa´ ist der `Angeber´.“

   „Kannst du mir das bitte aufschreiben?“

   „Vielleicht.“, lachte Kafei. „Wenn ich will. Aber momentan hab ich echt keine Lust, dir ernsthaft Shiekjiarnjinjú beizubringen.“

   „Wie bitte? Sag das noch mal.“

   „Shiekjiarnjinjú.“

   „Verdammt! Das bringt doch kein Hylianer raus!“

   „Da hast du’s. Die Wortstellung und -bildung unserer Sprache wäre für dich ebenfalls der Horror. Also lass es besser gleich sein.“

   „Noch was – wie hast du ihn schnell genannt?“

   „Äh – ja.“, grinste Kafei verlegen und wurde rot. „Merk dir das, wenn ich dir blöd komme. `Lekunim´ bedeutet so viel wie – nun ja – `Arschloch´.“

   „Oh.“, lachte Link. „Deshalb. Ja. Wenn mein Sohn das zu mir sagen würde, würde ich ihm vermutlich eine reinhauen. Du hast echt einen beneidenswerten Vater.“

   „Ich weiß.“

   „Und ohne Bart sieht er ziemlich ungewohnt aus.“

   „Oh ja. Aber der wächst schneller als du Deku sagen kannst.“

   „Eine Frage noch.“

   „Ja?“

   „Das Reiten tut dir nicht weh?“

   „Nein. Ijaron ist wunderbar ruhig und auch nicht so hart wie Holz.“, seufzte Kafei und streckte beide Arme leicht in die Höhe.

 

   Link traute seinen Augen nicht. Anstatt des Felspfades aus der Wand, strömten Lichtfäden aus seinen Handflächen und legten sich zu einem Weg nach oben. Kafei ritt voraus. Kaum waren sie oben angelangt, löste sich das Licht auf. Es gab anscheinend wirklich nichts, was dieser Mann nicht konnte.

   In gemächlichem Trab durchquerten sie die Schlucht bis zum Canyon. Der Fluss war wie vor zwei Tagen Treffpunkt vieler Leute. Auch dort wo er sich einst hinaufschwingen hatte müssen und Rim ihnen ebenfalls einen Steinpfad gebildet hatte, ließ Kafei Licht hinaufwandern. Einige andere nützten das faul aus und folgten ihnen, darunter eine Gruppe Kinder, die so zwischen ihnen umhertollten, dass Link Angst hatte, sie würden herabfallen oder Epona erschrecken. Die Stute ließ sich von ihnen aber nicht beirren. Anscheinend hatten die kleinen Shiekah so eine sichere Ausstrahlung auf das Pferd, dass dieses nichts befürchtete.

   Was die Kinder nicht geschafft hatten, schaffte jemand anders, der plötzlich vor Link auftauchte. Epona scheute tatsächlich, aber Link konnte sie wieder auf den Boden drängen. Der Shiekah war sichtlich amüsiert.

 

  Wieder bei Kräften, Toru?“, sprach Kafei ihn an.

  Ja. Es geht so.“

  Weißt du, dass keiner eingeteilt ist?

  Was? Aber Sirileij sollte doch – verdammt. Gut, dass du das sagst. Das ist schon das dritte Mal hintereinander, dass sie nicht zu ihrem Dienst erscheint. Ich will sie ja nicht verpfeifen, aber wenn das so weitergeht, bekommt sie ernsthafte Probleme. Wir seh’n uns.“

  Ja.“

   „Was wollte der?“

   „Nur spielen.“, kicherte Kafei. „Ich sagte doch, dass wir eigenartig sind, oder nicht?“

   „Worum ging es?“

   „Sirileij vernachlässigt ihre Wache. Was weiß ich, was mit ihr los ist. Wenn Toru sich um sie kümmern will, soll er das machen. Mir ist es egal. Ich hab da nichts mitzureden. Ich bin froh, dass ich mich überhaupt ungehindert hier aufhalten darf.“

 

   Leicht niedergeschlagen steigerte er das Tempo und ritt in Richtung Quelle. Anstatt nach rechts zu den Felsentürmen, bog er nach links ab und stellte sich der Länge nach zur Felswand. Er legte seine Hand auf den unscheinbaren Stein. Von dieser breiteten sich plötzlich hellblaue Linien aus, die Link stark an die Muster im Felsenturmtempel erinnerten. Auch züngelten sie am Rand in den Flammen aus, welche die Säume der Ikana-Trachten zierten. Genau unter Kafei’s Hand bildeten sie das Auge der Shiekah, aber in einer kantigen Darstellung die er noch nie zuvor gesehen hatte. Die Linien verflüchtigten sich nach außen und im Bereich über den sie verlaufen waren, verschwand die Wand als Tor in der Wiese. Sie ritten durch den fackelbeleuchteten Tunnel und fanden sich in einem lichten Wald wieder.

   Der Weg und der Wald stiegen an. Am oberen Ende des Waldes bog die Straße nach rechts ab, doch Kafei verließ den Wald auf die weiter ansteigende Wiese dahinter. In einer nicht so starken Rechtskurve ritten sie weiter den kahlen Hügel hinauf. Am höchsten Punkt trafen sie wieder auf die Straße und ritten ihren weiteren Verlauf entlang. Sie war nun etwas steinig. Auf der anderen Seite des Tales offenbarte sich Link eine traumhafte, bewaldete, weite, nicht sehr hohe Hügellandschaft mit Wiesen und Weideland in den Senken. Hinter ihr ragten hohe Berge gen Himmel. Weit im Norden waren Teile der Wüste hinter kahler werdenden Hügeln zu erkennen. Kaum eine Wolke hing noch über dem Hinterland.

   Wenige Minuten die Straße hinab, trafen sie bereits auf die erste Siedlung. Auch hier herrschte reges Treiben. Die Felder um sie wurden bereits bestellt, Kinder spielten vergnügt zwischen den Häusern. Soweit Link sehen konnte, hatten alle rote Augen. Viele hatten natürliche Haarfarben, andere stachen so sehr heraus wie Kafei. Manche der Bewohner grüßten Kafei freundlich, beäugten Link aber misstrauisch.

 

   Sie waren sicher noch eine Stunde geritten, bis sie an das letzte der insgesamt vier Dörfer gekommen waren. Es war nur eine kleine Ansammlung von einer handvoll Häusern. Sie lag schon sehr nah an den Bergen. Ein Stück nach dem Dorf überquerten sie eine Brücke über einen breiten Fluss. Anstatt der Straße nach links zu folgen, führte Kafei Link nach rechts auf einen schmalen, verwunschen wirkenden Pfad in einen Wald. Der Wald führte in eine Schlucht, in der selbiger Fluss rauschte. Zuerst ritten sie an seinem Bett entlang, dann ging es bergauf. Bald verschwand der Pfad zwischen den Felsen und der Fluss wurde leiser.

   Die erdrückende Stille unterbrachen sie durch belanglose Gespräche über Dieses und Jenes. Langsam bekam Link Hunger und Durst, ignorierte es aber wie schon so oft in seinem Leben. Eine weitere, gefühlte Stunde nachdem sie den Fluss aus den Augen verloren hatten, bogen sie um die letzte der unzähligen Kurven. Nun blieb Link wirklich der Mund offen.

   Zwischen den hohen Felsen befand sich ein kristallklarer See. An dessen vorderem Ende wurde er durch weiter auseinandergesetzte Holzpfeiler und Bretter aufgestaut, um den Fluss nicht zu schnell in die Schlucht stürzen zu lassen. Sie stauten das Wasser so gut, das der See relativ ruhig dalag. Der Pfad schlängelte sich um das Ufer, das auf ihrer Seite ungewöhnlich grün war. Bäume und Sträucher wuchsen an seinen Rändern, ragten über das Wasser und hinein. Die Sträucher waren voll mit köstlich wirkenden Beeren. Link wandte den Blick flussaufwärts. Vier gigantische Wasserfälle stürzten ohne Hindernis herab, nur oben durch Felsen getrennt. Auch die andere Seite des Sees war schroff und vereinzelt kamen kleinere Wasserfälle aus Nischen, Schneisen und Höhlen. Die hoch stehende Sonne warf einige wenige Strahlen zwischen den Felsen hindurch. Das spärliche, direkte Licht schuf etliche unterbrochene Regenbögen. Alles glitzerte, wo es nur möglich war.

   Trotz des wenigen Lichts und des kühlen Wassers war es nicht kalt, da sich irgendwo hinter diesen Bergen die Wüste befand. Ihre Winde trugen warme Luft die Bergflanken empor, welche nicht hoch genug waren, um sie vollständig abzukühlen, bevor sie in den Kessel stürzte. Die beiden Männer stiegen ab und Link starrte fasziniert umher, nicht wissend, wo er überall gleichzeitig hinsehen sollte. Kafei ging zu ihm und zog ihn an seine Seite.

 

   „Das, hintemna, sind die Èthrienni. Die Vier Prinzessinnen und ihre Hofdamen.“

   „Gigantisch.“, hauchte Link.

   „Ja, das sind sie. Äh – wie hast du mich gerade genannt?“, wurde Link plötzlich durch seinen seltsamen Instinkt abgelenkt.

   „Hintemna?“

   „Ja? Was – heißt es?“

   „Mein Schöner?“, kicherte Kafei. „Oder willst du noch immer behaupten, das wärst du nicht?“

   „Äh – nein – es ist nur – warte – “

   „Wenn du was wissen willst, spuck es aus.“

   „Das versuch ich ja gerade.“, Link kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf. „Kann es sein, dass das Wort `Hinterland´ – “

   „Eine eingebürgerte Mischung ist? Ja.“

   „Oh! Also bedeutet es nichts weiter als – `Schönes Land´ oder wie?“

   „Ja. Der eigentliche Name lautet `Hintechalemmad´, also die `Schönen Lande´. Aber da es für alle in Termina – hinter den Felsen – lag, und sich das Wort zudem im Klang relativ ähnelt, hat sich das so ergeben. Ach jetzt – befrei Epona doch endlich von diesem Ding.“

   „Was? Oh – äh – ja. Gute Idee. Sie trägt den Sattel schon viel zu lange.“

 

   Epona war sichtlich erfreut über die Erlösung von der Last. Was er dann sah, glaubte er nicht. Ijaron stieg von der doch recht flachen Uferböschung ins Wasser, bis nur noch sein Kopf herausragte und schwamm eine Runde. Kaum hatte Link ihr Zaumzeug entfernt, folgte auch Epona wasserspritzend, wenn sie sich auch nicht so weit hineinwagte. Kafei kam erneut auf ihn zu, ein breites Lächeln im Gesicht und zog ihn in den langsamsten, berührungsärmsten Kuss, der Link möglich erschien. Dennoch gefiel ihm die neue Methode und er stieg auf Kafei’s Spiel ein. Nicht viel schneller schnürte ihm dieser das Hemd auf und schob es ihm von unten herauf über den Kopf. Link half Kafei mit dem Gewand, das er am ersten Tag angehabt hatte und ihm nun geborgt hatte, da er sonst im Kleid oder nackt frühstücken hätte müssen. Auch wenn beide die Alternativen gerne in Erwägung gezogen hätten, wäre es doch etwas eigenartig gewesen, vor allem, wenn noch mehr Leute anwesend gewesen wären.

   Sie kamen einander zunehmend näher, je weniger sie anhatten. Jedoch wurden sie unterbrochen, als die Pferde aus dem Wasser kamen und sich abschüttelten. Kafei strich Link mit einem Lächeln übers Gesicht, bückte sich aufsammelnd und drückte ihm die gesamte Masse an Kleidungsstücken in den Arm. Dann rannte er splitternackt den Weg entlang. Bevor er außer Sicht geraten konnte, drehte es sich um und bedeutete Link, ihm zu folgen. Link verstaute alles im Medaillon und rannte ihm nach. Es war gewöhnungsbedürftig. Schließlich kam es nicht jeden Tag vor, dass ein Link nackt um einen Gebirgssee rannte. Er hatte schon lange keinen unebenen Boden mehr auf seinen blanken Fußsohlen gespürt. Die kühle Luft machte ihm aber nichts aus, da er schon oft und lange genug in wesentlich kälteren Regionen unterwegs gewesen war. Im Gegenteil, sie war recht angenehm.

   Kafei verschwand aus seinem Blickfeld. Als Link die Stelle erreicht hatte, wurde er rücklings vom Weg gezogen und landete mit einem wilden Rascheln im Gebüsch neben Kafei, der ihm irgendetwas in den Mund presste. Es schmeckte süß. Beeren. Saftige, süße, köstliche Beeren. Genau das, was sein hungriger Magen jetzt gebraucht hatte. Genüsslich kaute er, schluckte und ließ sich weiter füttern. Die Büsche in denen sie lagen, waren ganz rot vor Beeren und sie auch bald, da Kafei immer weniger Wert darauf legte, die Beeren in Link’s Mund zu befördern, als sie auf seinem restlichen Körper verteilen. Link konnte nicht anders, als sich an ihm zu rächen. Wild kichernd beschmierten sie sich halb sitzend, halb lehnend, gegenseitig mit dem süßen Saft.

 

   „Und du bist sicher, dass die nicht giftig sind?“

   „Das einzige Gift hier bist du.“, hauchte Kafei.

 

   Er aß gedankenverloren eine noch intakte Beere, bevor Link seinen rechten Arm nahm und mit geschlossenen Augen an dessen Innenseite entlang leckte, wobei er sich besonders intensiv der Handfläche und den langen Fingern widmete. Kafei sah ihm nur dabei zu. Als Link nicht aufhörte, legte er die Hand auf dessen Wange. Link drückte sie mehr an sich und legte seinen Kopf regelrecht hinein. Kafei spielte mit dem Daumen an und in Link’s Mund herum, der mitspielte. Kafei fuhr noch einmal damit über Link’s Lippen und brachte seinen eigenen Mund mitein.

   Vorsichtig drückte er Link nach unten auf den moosigen Grund und legte sich leicht seitlich auf ihn. Dann trennte er ihre Hände von Link’s Gesicht und legte die des anderen ebenfalls hin, damit er seine eigene Hand frei über Link’s Körper gleiten lassen konnte. Er zog sie sanft und verführerisch immer näher an dessen Hüfte. Dort verweilte seine Hand und er löste den Kuss. Link öffnete die Augen und sie sahen einander nur tief in deren reine Farben. Kafei fuhr zu Link’s Brust zurück hinauf und öffnete das Medaillon. Link nickte nur, als er die Flasche in der Hand seiner Liebe sah und schloss das Medaillon wieder.

   Bedacht langsam rieben sie sich gegenseitig mit dem Algen-Extrakt ein und rückten zurecht. Kafei setzte einen weiteren, sanften Kuss auf Link’s Lippen und Link warf den Kopf fast geräuschlos in den Nacken, als Kafei tief in ihn eindrang. Sie waren sich nicht sicher, ob das Rauschen der Wasserfälle sie zu übertönen vermochte. Auch war es ihnen egal. Und wenn in diesen Minuten hunderte Leute hier nach oben gekommen wären, es wäre ihnen gleich gewesen. Alles was zählte, waren sie beide und ihre Liebe füreinander. Alles was in diesen Augenblicken zählte war, dass sie diese Liebe leben und voll auskosten konnten. Dieses göttlichste Empfinden von allen.

 

 

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