- Kapitel 19 -

Unheilige Heilige

   Sein Umhang bauschte sich, als er durch den Korridor schritt. Sonnenlicht fiel durch die hohen Fenster und brach sich schillernd im Glas. Die vereinzelt postierten Wachen starrten ihm nach, wagten es aber nicht, ihn aufzuhalten. Es war ihnen nicht neu, dass eine vollkommen verhüllte Gestalt durch diesen Korridor ging. Die beiden Wachen am Ende würden ihn aufhalten. Erst wenn diese Hilfe bräuchten, würden sie eingreifen. Zwar sollte es nicht dazu kommen, doch wenn es dazu gekommen wäre, hätten sie ohnehin nichts gegen ihn ausrichten können, auch wenn sie ihm momentan scheinbar weit überlegen waren. Vor den letzten beiden Wachen hielt er mit gesenktem Kopf an und schwieg. Fragend tauschten die beiden Männer ein paar Blicke aus, bevor einer von ihnen das Wort ergriff.

 

   „Wer auch immer du bist, du darfst hier nicht hinein.“

   „Ich möchte die Prinzessin sprechen.“, flüsterte er zurück.

   „Tut mir leid, Freundchen. Sie empfängt niemanden weiters als diejenigen, die schon bei ihr sind.“

   „Ich möchte die Prinzessin sprechen.“, wiederholte er im selben Tonfall und hob auch seine Lautstärke nicht.

   „Geh zurück in die Eingangshalle und lass dir einen Audienztermin geben.“

   „Ich möchte sie jetzt sprechen.“, er klang schon etwas fordernder.

   „Tja, Pech gehabt. Entweder du gehst und machst einen Termin aus, oder wir müssen dich abführen.“

   „Glaub mir, das wollt ihr nicht tun müssen.“

   „Ach ja?“

   „Ich bin mir sicher, die Prinzessin hat nichts dagegen, mich zu empfangen.“

   „Wie ist dein Name, Bürschchen?“

   „Mein Name tut nichts zur Sache. Und ein Bürschchen bin ich schon lange nicht mehr.“

   „Schön, dann zeig dich wenigstens.“

   „Auch mein Gesicht tut nichts zur Sache.“

   „Tut mir leid. Dann kann ich dir nicht weiterhelfen. Geh jetzt.“

   „Das werde ich nicht.“

   „Dann lässt du uns keine Wahl.“, sie machten Anstalten, ihn zu packen, doch er erhob die Hand und die Wache, die mit ihm gesprochen hatte wurde um Luft ringend an die Wand gedrückt.

   „Bitte lass mir die Wahl, nicht wieder in meine alten Gewohnheiten zu verfallen. Ich will dir nicht wehtun.“, die anderen Wachen beobachteten nur fassungslos, wie er den Mann wieder herunter ließ. „Lässt du mich nun zur Prinzessin oder muss ich das Tor selbst aufmachen?“

   „Du gehst nirgendwo hin, außer nach draußen.“, raffte sich der zweite Wachmann am Riemen.

   „Oh – wie sehr du dich täuschst.“

 

   Mit einem leichten Schlenker beider Hände wehte er die großen Flügel des massiven Holztores auf und trat ein. Mehrere Personen saßen an einer Tafel und genossen gerade das Mittagessen, als ihre Ruhe doch sehr heftig gestört wurde. Alle starrten ihn an. Die Wachen versuchten ihn zu ergreifen, jedoch erging es ihnen nicht viel anders als dem Tor. Scheppernd landeten sie auf dem Boden. Er entfernte die Kapuze und den Schal. Was dann geschah, war zu erwarten gewesen. Die Personen um den Tisch verfielen leicht in Panik, doch Zelda schaffte es, sie zu beruhigen.

 

   „Schon in Ordnung.“, sie hatte sich von ihrem Platz erhoben, machte einen Schritt zur Seite und bat ihn mit einem Lächeln zu sich. „Tritt ein.“, schon etwas zaghafter schritt der gar nicht so Fremde auf die Prinzessin zu. „Ich sorge schon dafür, dass sie dich nicht zerfleischen.“

   „Bitte verzeiht mir mein Benehmen, Hoheit.“, er fiel demütig vor ihr auf die Knie. „Ich weiß, diese Männer tun nur ihre Arbeit. Es lag nicht in meinem Interesse, ihnen zu schaden. Sie wollten nur nicht verstehen, warum ich mich ihnen nicht zeigen wollte.“

   „Ich bitte dich. Steh auf.“, er tat was sie sagte, ließ den Blick aber gesenkt. „Meine Güte.“, hörte er sie seufzen und spürte den weichen Stoff und den sanften Druck, als ein zierlicher Finger sein Kinn anhob. „Bitte. Du kannst mich ruhig ansehen. Es ist mir zwar ein Anliegen, dass die Leute wissen, wen sie vor sich haben, aber ich verlange von niemandem absolute Demut, wenn es die Situation nicht erfordert.“, sie blickte ihn freundlich an und niemand außer ihr sah sein verlegenes Lächeln, bevor sie ihm die Hand auf die Schulter legte. „Ach – Wachen, ihr könnt den Saal wieder schließen. Warum setzt du dich nicht und isst mit uns?“

 

   Sie deutete auf den Stuhl zu ihrer Rechten, den einzigen Sitzplatz neben ihr an der Stirnseite der Tafel, der seit Impa vor zwei Jahren ihren Platz in der Halle der Weisen eingenommen hatte, leer geblieben war, aber trotzdem immer gedeckt wurde. Während die Wachmänner versuchten, das äußerst schwere, zweiflügelige Holztor zu schließen und ihre Positionen wieder einzunehmen, setzte Vaati sich zögerlich auf den ihm angebotenen Platz und ließ den Blick über den Tisch schweifen.

   Die Blicke, die ihn trafen, waren ein Gemisch aus Angst, Verzweiflung und Wut, wenn nicht gar Hass. Er kam sich noch kleiner vor, als er ohnehin schon war. Zelda setzte sich und aß weiter. Erst als sie es tat, taten es auch die anderen und sie gab ihm zu verstehen, dass er sich nehmen konnte, was er wollte. So nahm er sich von allem, was in seiner Reichweite war. Nur Salat konnte er keinen erreichen, auch nicht die näherste Schüssel, obwohl er dazu aufstand. Keiner fand es für der Mühe wert, ihm zu helfen. Ganz im Gegenteil, sie lehnten sich auch noch von ihm weg. Doch etwas genervt, setzte er sich wieder hin, hob die flache Hand vor sich an, dirigierte die Schüssel schwebend zu sich, gab etwas auf seinen Teller und schickte die Schüssel geschmeidig zurück. Zelda waren die Reaktionen ihres Hofstaates nicht entgangen, jedoch beschloss sie, vorerst nur zu beobachten.

 

   „Sag, wie ist die Lage in Termina?“

   „Erstmals möchte ich Euch von ganzem Herzen für alles danken, was Ihr für mich getan habt. Ich wüsste gar nicht, wie ich mich revanchieren könnte.“

   „Das ist nicht der Rede wert und du hast es bereits, indem du geholfen hast, ein Land von einer Plage zu befreien.“

   „Dennoch. Wenn ich irgendetwas tun kann, lasst es mich bitte wissen.“

   „Natürlich. Also?“

   „Die Wunden wurden versorgt, die Pferde feuerbestattet. Es wurde schon teilweise mit dem Wiederaufbau begonnen. Alle die anpacken können, packen an. Und es ist seltsam. Sie feiern beim Arbeiten. Sie singen und machen Scherze, während sie schwere Steine und Holzbalken heben. Was Kafei betrifft, er hat sich so schnell gefangen, dass es fast schon utopisch ist. Dieses Übermaß an Kraft tut ihm nicht gut. Aber ich weiß, dass es nur richtig war und dass er schnell lernen wird, seine verstärkten Fähigkeiten richtig und gewissenhaft einzusetzen. Er ist zwar immens kindisch, aber er ist auch ein vernünftiger Mann. Ihr müsstet die Drei erleben. Sie benehmen sich wie kleine Kinder. Wenn aber Ernsthaftigkeit gefragt ist, unterbrechen sie und setzen dann genau an diesem Punkt wieder fort. Und der Rest der Familie ist nicht viel anders. Sie haben alle so eine Lebensfreude, selbst nach allem was ihnen widerfahren ist.“

   „Das sind wahrlich erfreuliche Neuigkeiten. Und warum bist du dann nicht geblieben und feierst mit?“

   „Ich wollte Euch unbedingt für alles danken. Außerdem brauchte ich eine Auszeit von dieser Chaos-Bande. Ich habe ihnen nicht gesagt, wann ich zurückkommen werde, aber ich habe versprochen, in Briefkontakt zu bleiben.“

   „Das klingt, als hättest du vor, länger zu bleiben?“

   „Sofern ich erwünscht bin.“

   „Natürlich bist du das.“

   „Ich weiß Eure Akzeptanz durchaus zu schätzen, doch wäre es schön, wenn sie auf andere überfärben würde, sodass ich mir zumindest das neue Hyrule ansehen kann, ohne mich gleich gegen Heerscharen von Bauern verteidigen zu müssen.“

   „Dafür könnte ich durchaus sorgen. Selbstverständlich werde ich niemandem die Meinung verbieten, aber ich könnte dich herumführen.“

   „D-das würdet Ihr tun?“, er blickte verblüfft zu ihr auf.

   „Mir liegt sehr viel an meinem Land und kein Land lässt sich von einer steinernen Halle aus verbessern. Wenn man mit eigenen Augen sieht, wo die Probleme liegen, kann man sie leichter beheben.“

   „Apropos, Hoheit,“, warf ein dünner, griesgrämiger Mann mit kurzen dunkelbraunen Haaren und Schnurrbart ein, der drei Plätze weiter, gegenüber saß, „Eure Unbekümmertheit ist zwar Eure Sache, aber Ihr wisst schon, wen Ihr hier gerade so freundlich willkommen heißt, oder?“

   „Das ist mir durchaus bewusst, Kurim. Auch möchte ich erwähnen, dass ich daran Schuld habe, dass er überhaupt in der Lage ist, hier sitzen zu können. Ich habe ihm eine zweite Chance gewährt, um seine Fehler zu begleichen und ein für seine Verhältnisse, normales Leben führen zu können.“

   „Wieso?“, raunte eine ältere Frau in der Mitte des Tisches, rechts von Vaati, mit zwei strengen, grauen Haarknödeln zu ihren Kopfseiten. „Mir ist nicht klar, warum jemand wie er eine zweite Chance verdient hätte.“, er fand es zwar äußerst dreist von ihr, in seiner Gegenwart so zu sprechen, aber warum hätte er etwas anderes erwarten sollen?

   „Weil er aus reiner Verzweiflung gehandelt hat, nicht aus purer Lust nach Macht.“, sagte Zelda knapp.

   „Und dieser Auftritt war sicherlich auch nur Verzweiflung.“, sagte ein Mann mit stark gewellten, schulterlangen, grauweißen Haaren verhalten hinter Kurim hervor.

   „Es war die einzige Möglichkeit, ohne drei Monate auf einen Termin warten zu müssen, den ich nicht einmal zugeteilt bekommen hätte.“, entgegnete Vaati kalt.

   „Daran habe auch ich Schuld.“, seufzte Zelda. „Ich hätte ihnen sagen sollen, dass sie dich hereinlassen dürfen.“

   „Dann hätte ich aber vermutlich auch nicht in ihren Köpfen nachgesehen, ob sie so eine Information erhalten haben. Ich bevorzuge doch noch etwas Diskretion.“

   „Die bevorzuge ich auch.“, sagte Kurim. „Ich bin ja sehr für freie Meinungsäußerung und das Recht dazu, sich selbst zu gestalten, wie man will. Aber vielleicht wären die Leute weniger abgeneigt, wenn der Herr Magier sie zumindest mit beiden Augen ansehen würde.“, Zelda’s Augen weiteten sich, doch sie nahm weder den Blick vom Teller, noch hörte sie auf zu essen.

   „Ich wüsste nicht, wie den Leuten diese Wunschvorstellung nützen könnte.“, meinte Vaati nur und biss fast genüsslich von seiner Hühnerkeule ab. „Ich sehe hier keine allgemeine Kleidervorschrift, außer etwas Eleganz. Auch scheinen weitaus ausgefallenere Frisuren hier nicht ganz so unwillkommen.“, er verwies auf die Frau mit den Haarknödeln und eine weitere, die am ersten Platz links neben Zelda saß und ihre grün-rosa Pracht zu einem Kegel hochgesteckt hatte.

   „Das mag sein, aber auch wenn die Prinzessin offenbar Vertrauen hat, so weiß ich nicht, ob das andere Auge hinter seinem Vorhang nicht Mordpläne ausheckt.“, Zelda legte wütend ihr Besteck zur Seite, kam aber nicht zu Wort.

   „Mir sind bisher keine Toten begegnet, die gezielte Morde verübt hätten. Falls Ihr einen kennt, würde ich mich freuen, wenn Ihr uns bekannt macht, damit ich ihn fragen kann, warum er selbst in diesem Stadium noch so klar denken kann.“, mit dieser Antwort wusste niemand außer Zelda etwas anzufangen.

   „Es tut mir leid, aber ich schätze, keiner von uns kann dieser kleinen Anekdote folgen.“, sprach ein junger Mann mit zu einem Pferdeschwanz gebundenen, blonden Haaren, direkt zu Vaati’s Rechten.

   „Würdest du einen Tauben bitten, dir zu zu hören? Oder einem Stummen sagen, dass er lauter reden soll?“

   „Wie jetzt – “, hauchte eine Goronin am anderen Ende des Tisches.

   „Schön.“, schnaubte Vaati. „Wenn euch die Genugtuung erfreut – “

   „Nein. Bitte.“, jammerte Zelda leise zu ihm. „Du musst dich nicht demütigen lassen.“

   „Demütigen lassen würde ich mich, wenn ich mich den Rest dieses Mahles über geistig massakrieren ließe. Die Dinge die wir hatten, werden uns erst bewusst, wenn wir sie nicht mehr haben. Aber vielleicht kann man anderen bewusst machen, was sie haben, wenn man ihnen zeigt, wie es ist, sie nicht mehr zu haben.“, mit diesen Worten streifte er sich die überhängenden Haare hinter das rechte Ohr. „Mir selbst tut es nicht mehr weh, ob ich die Haare hinter dem Ohr habe oder vor dem Gesicht. Ganz im Gegenteil. Es würde meiner Haut vielleicht sogar gut tun, ihr ab und an etwas mehr Luft zu gönnen. Auch sehe ich dadurch nicht mehr. Aber mir scheint, es ist wesentlich angenehmer für die meisten von Euch, wenn sie mehr von meinem Gesicht sehen, oder täusche ich mich?“, sein blasses, vernarbtes Auge wanderte dennoch mit dem intakten mit, als er sie genau musterte.

   „Ich kann durchaus verstehen, was es heißt, etwas nicht mehr zu haben.“, sagte der Zora an Kurim’s rechter Seite, dessen Füße in einer Metallschüssel mit Wasser unter dem Tisch steckten und zog einen langen, sich farblich nicht unterscheidenden, Handschuh von seiner linken Hand, unter dem eine aufgesteckte Holzprothese zum Vorschein kam. „Ich habe gelernt, damit umzugehen. Der Stoff hält so gut, dass ich sie auch im Wasser zum Paddeln benutzen kann. Allerdings trocknet sie nur sehr langsam und auch ist sie zu sonst zu nichts zu gebrauchen, außer zur Vortäuschung eines gesunden Körpers.“, Vaati atmete leicht auf, da er zumindest einen Sympathisanten gefunden hatte.

 

 

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   „Wenn es an der Zeit ist, für sie zu gehen, verlassen die sterblichen Träger unserer Kräfte ihre Welt. Dabei nehmen sie die ihnen geschenkte Macht mit sich in unser Reich. Dort verweilen die Kräfte bis zur Geburt deren Nachfolger. Es war immer so, dass der Träger meiner Kraft zuerst geboren wurde – ein König im weiten Land zwischen Ozean, Bergen und Wüste. Nayru schickte ihre Kraft stets unter die weisen Anführer Hyrules, Farore hinaus aufs Meer, zu einem scheinbar unwichtigen Kind doch in gewisser Weise mit einem der Königshäuser verbunden, ein Nachfahre eines großen Helden. Wenn diese anderen beiden gefolgt sind, beginnt eine neue Ära. Dies ist der Zyklus. Onnoru, vom Dämon Ganon besessen, tötete die Träger. Eure Welt stürzte in Chaos. Er zerschmetterte das Tor der Zeit und steckte das Masterschwert so gewaltsam in den Zeitenfels, dass dieser zerbrach und die Klinge splitterte. Dennoch schuf dies eine Verbindung und er betrat zum ersten Mal das Heilige Reich. In diesem Moment starb er. Er starb kontinuierlich. Am Ende seiner Kräfte, die Wachen vernichtet, stand er vor den schützenden Hüllen unserer Kräfte. Er strebte nach meiner Macht. Es war ihm nur möglich, meine Macht an sich zu reißen, da ihn in genau diesem Moment der Lebenshauch verlies. Er starb und wurde zugleich wiedergeboren.

Doch war er gefangen. Trotzdem hielt ihn meine Kraft am Leben, bis die Schmiede deines Volkes, ja, man könnte sie fast töricht nennen, das Schwert wieder erneuerten. In dem Moment als sie es in den neu errichteten Zeitenfels steckten, kam er frei und fuhr über eure Welt hinweg. In seiner Rage landete er weit entfernt von Hyrule, selbst nicht einmal wissend, wo er war. Dort setzte er seine Gräueltaten fort. Bis er eine Frau kennen lernte, die ihn nicht fürchtete. Sie erkannte den unschuldigen Onnoru hinter der mordenden Fassade des Dämons und verliebte sich in ihn. Dies kränkte den Dämon so sehr, dass er sich in die tiefsten Tiefen von Onnoru’s Seele zurückzog und einen Plan ausheckte, dieses Gefühl, das nun auch in seinem Wirt aufkam, zu zerstören. Doch Liebe war etwas Unbegreifliches für ihn. Er musste sie erst studieren, um einen Weg zu finden, ihre Hartnäckigkeit zu zerstören.

Du warst schon längst geboren, dich durch eine Welt von Vorurteilen schlagend. Du kämpftest dich durch, mit dem angeborenen Rest der Kraft die dir eigentlich zugestanden hätte. Er hat dir deine Bestimmung gestohlen. Es war mir zwar möglich, dich zu schützen, aber nicht, dir das zu geben, was für dich vorgesehen war. Vielleicht hast du die Zusammenhänge noch nicht gesehen. Ja, es mag unfair gegenüber den anderen Rassen sein, doch habt ihr Shiekah und die Hylianer den meisten Einfluss auf alle anderen Lebewesen. Ihr könnt sie zur Vernunft bringen, wenn sie kurz davor stehen, sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Leider habt ihr euch im Laufe der Zeit immer mehr ihnen angeglichen.

Aber dies ist ein anderes Kapitel. Ich schenkte meine Kraft immer einem von deinem Volk, Farore einem Hylianer und Nayru jemandem dem euer beider Weisheiten zu Teil waren.

Zurück zu Ganon. Link hat den Dämon und den von ihm bestimmten Dieb meiner Kraft so sehr geschwächt, dass er wieder an dem Punkt angelang war, wo er war, als er zum ersten Mal das Heilige Reich betreten hatte. Er war so geschwächt, dass das Heilige Schwert die letzte Verbindung zur gestohlenen Macht kappen konnte. Sie verließ ihn und kehrte zu mir zurück. In dem Moment als Link Ganon tötete, war Onnoru gerade noch so am Leben. Seines Bewusstseins wieder mächtig, erkannte Zanto die Situation, erlöste Onnoru von seiner Qual und verhinderte damit, dass Link zum Mörder werden würde. Zelda bemerkte diese Tat und sah die Wahrheit ebenfalls. Deshalb bat sie uns darum, Onnoru’s gemarterter Seele ewigen Frieden zu schenken. Als Midna ins Zwielicht zurückkehrte und Zanto sah, merkte sie, dass noch nicht alles in Ordnung war. Sie fanden heraus, dass anderswo, gegen alle Logik, die von Zanto im Wahn verfluchten Twili noch ihr Unwesen trieben. Sie zerstörten den Spiegel auf der Insel und befreiten diese. Jedoch war der dritte und schwächste Spiegel bereits zerbrochen. Was da fehl gelaufen ist, weiß selbst ich nicht. Der Spiegel ist vollständig zerstört und dennoch besteht eine Verbindung. Vermutlich besteht sie noch durch die bloße Anwesenheit der Zwielichtswesen.

In diesem Moment scharen sie die letzten Krieger um sich. Zelda hat um Hilfe gebeten und Midna hat sie erhört. Sie werden euch von der Plage befreien. Nun zurück zu dir. Du sollst nun endlich bekommen, was du schon vor vielen Jahren bekommen hättest sollen. Nutze meine Kraft mit Bedacht. Ich kann dir nur dann weiterhin beistehen, wenn du deine Fähigkeiten nach wie vor lediglich zum Wohle der Unschuldigen gebrauchst. Du hast bewiesen, dass du meines Segens würdig bist. Es ist ein Jammer, dass Ganon ihn dir gestohlen hat. Nun nimm meine Kraft und trage sie hinaus in deine Welt, Kafei.“

 

   „Kafei?“, jäh schrak er aus seiner Trance.

   „J-ja?“

   „Alles in Ordnung?“

   „Äh – ja. Ich hab nur – wieder – was Din zu mir gesagt hat, will mir einfach nicht aus dem Kopf gehen. Aber egal.“, seufzte er und verschwand.

 

   Dass das Leuchtfeuer schon während Dotour’s Amtszeit gegen eine Kugel Ewigen Lichts ausgetauscht worden war, erleichterte die Sache erheblich. So wurde kein Turmwart benötigt und auch verrußte nichts. Das Licht ging an und strahlte einwandfrei über die Stadt hinweg. Kafei tauchte wieder zwischen Link und Anju auf, die blaue, hüftlange Mähne zu einem recht massiven Kranz aus Zöpfen gebunden. Hinter seinem rechten Ohr steckte ein Bleistift. Sein einst weißes Leinenhemd strotzte vor allen Arten von Dreck und auch seine robuste, schwarze Hose hatte schon bessere Zeiten erlebt. Was an Haut frei war, hatte die selbe Oberflächenbehandlung erhalten wie das Hemd.

   Die anderen Handwerker und mithelfenden Bewohner sahen nicht viel besser aus. Franin lag geschafft mitten auf dem Südplatz. Um ihn saßen seine Eltern und die Milchschwestern. Link fühlte sich wie ein Sack Steine. Auch wusste er, dass wenn er sich hinsetzen würde, ihm seine Beine mehr weh tun würden, als wenn er mehrere Tage durchgelaufen wäre. Es dämmerte bereits. Die Kinder waren schon lange im Bett und verpassten somit dieses historische Ereignis. Kafei war so unverschämt gewesen und hatte einen Mythenstein aus einem Erdloch entwendet. Link hatte die wunderbare Aufgabe gehabt, ihn bei Gelegenheit mit seinem Schwert zu schlagen. Nun bekam er es wieder angeordnet.

   „Gut. Das dürfte sich ausgehen.“, sie hatten die schweren, zurückfedernden Tore des Uhrturms aufgekeilt. „Wasser Marsch, Stufe zwei!“, schrie er laut genug, damit es im Inneren hörbar war.

   „Wieso schon Stufe zwei?“, fragte Anju.

   „Ist besser so. Sonst müssen wir die Uhr nachziehen.“

 

   Es rauschte. Link konnte sehen, wie ganze Pfosten im Inneren hochgeschoben wurden. Auch das Ziffernblatt und die Kugel hoben sich, bis sie an der Kippe waren und nach hinten umklappten. Die Bolzen für das Stufentor nach oben fielen ebenfalls. Kafei kletterte hinauf und sah sich alles von innen an. Auch von oben sah alles einwandfrei aus. Er kletterte auf die Kugel und überprüfte sie auf eventuelle Schäden. Nichts. Er hantelte sich wieder nach unten und trat auf den Platz zurück.

 

   „Hau ihn noch einmal.“, sagte er zur Sicherheit – eine Minute vor sechs Uhr – Kafei zählte in Gedanken herab. „Wasser reduzieren, Stufe eins!“

 

   Die einzelnen Stufen wurden wieder hochgeschoben und verriegelt. Die Pfosten senkten sich und zogen Ziffernblatt samt Kugel wieder in Position. Die Räder begannen sich vollständig zu drehen, auch die Kugel drehte sich, das Ziffernblatt rührte sich kaum merklich, die Glocke läutete ein Mal schallend und das Ziffernblatt sprang auf Punkt sechs Uhr. Auch die Tag-Nacht-Scheibe drehte sich problemlos herum. Der ganze Platz brach in Jubel aus. Jetzt ließ bei Kafei alles nach. Es war geschafft. Und er auch. Schlaff legte er die Arme um die Schultern seiner Lieblinge.

 

   „So. Wen von euch soll ich jetzt zuerst küssen?“, kicherte er mit Blick auf die Uhr.

   „Damen vor.“, meinte Link lächelnd.

   „Auf deine Verantwortung.“, sagte Kafei und küsste zuerst seine Frau, dann ihn.

   „Es ist schön zu sehen, dass die Stadt wieder ein Herz hat.“, seufzte Anju. „Gut, dass wir das relativ schnell angepackt haben.“

   „Ja.“, hauchte Kafei und wandte sich dann an die anderen. „So, Leute! Feierabend – äh – Morgen! Die nächsten drei Tage habt ihr Pause! Entstaubt was von euren vier Wände übrig ist oder tut was auch immer ihr sonst tun wollt! Wenn ihr was braucht, wisst ihr, wo ihr eine Nachricht hinterlassen könnt!“

   „Das ist gut.“, schmunzelte Link. „Heißt das, du wirst in den nächsten drei Tagen dein Amt vernachlässigen?“

   „Ja. Ich spinne doch nicht, dass ich mich nach dieser Schufterei ins Büro setze. Heute ist Ausschlafen angesagt. Morgen schau ich in die anderen Regionen, ob sie dort auch so gewütet haben. Der Rest ergibt sich. Und wisst ihr, was ich jetzt brauche? Unsere übergroße Badewanne in Ikana, warmes Wasser, viel Schaum und eine dampfende Tasse heiße Schokolade. Und dann nur noch unser Bett.“

 

   Er pfiff nach Ijaron. Doch ein anderes Pferd war schneller. Es war ein Kurier. Kafei ging auf ihn zu und verwickelte ihn in ein kurzes Gespräch, während dem er einen Brief überreicht bekam. Der Reiter machte kehrt. In diesem Moment kam Ijaron hereingaloppiert. Beinahe wären sie zusammen gestoßen, doch der schwarze Hengst hatte eine Reaktion wie eine Fliege und wich im letzten Moment so knapp aus, dass der Bote ihm entgeistert nachstarrte, bevor er wieder aus der Stadt ritt. Kafei begrüßte sein Pferd mit Streicheleinheiten, war aber mehr auf den Brief fixiert. Während er ihn öffnete, gingen die anderen beiden zu ihm. Er begann in Vaati’s Stimme vorzulesen.

 

   „`Ich darf auf – ´ was? Hört auf zu lachen. Ich mach das nur professionell.“

   „Oh, ja. Sehr.“, kicherte Link.

   „Klappe. Also. `Ich darf auf ihrem Briefpapier schreiben! Auch darf ich das königliche Siegel verwenden! Sie meint, es würde dadurch wesentlich wichtiger aussehen. Egal. Wie sieht es bei euch aus? Uhrturm fertig repariert? Hier ist es einfach traumhaft. Zelda ist so gütig. Sie hat mich bereits im Schloss herumgeführt. Ich durfte Impa’s Zimmer beziehen, da sie mich gleich am ersten Tag zu ihrem obersten Berater und Leibwächter gemacht hat! Ist das zu fassen?´

   „Nein, ist es nicht.“, fauchte Dotour und Link sah ihn nur fragend an, aber Kafei ignorierte beide.

   `Heute sind wir ein wenig in Hyrule herumgeritten, weil das Wetter dazu einfach wundervoll war. Sie behandelt mich wie einen langjährigen Freund und erwartet von mir, ihr gegenüber genau so ungehemmt zu sein. Es ist noch ein bisschen schwer für mich, aber langsam habe ich den Dreh raus. Diese Frau hat so viele verschiedene Seiten.“

   „Ach was du nicht sagst.“, meinte Link.

   „`Einerseits ist sie einfach nur eine sehr mädchenhafte junge Frau, andererseits eine sehr dominante und konsequente Herrscherin. Wir essen immer mit ihrem gesamten Stab. Bei meiner Ankunft waren sie gerade beim Mittagessen. Ich sage euch, die haben mich regelrecht ausgezogen. Ich habe zwar früh einen Verbündeten gefunden, einen Zora namens Aris, dessen linker Unterarm zur Hälfte abgetrennt wurde, aber Zelda musste dennoch laut werden, damit sie die Meute schlussendlich auf den Boden bringen konnte. Jedenfalls versuchen sie mich zu akzeptieren, auch wenn es hart ist, da sie nun nach versteckten Wegen suchen, mich zu erniedrigen. Ich habe beschlossen, diese unreifen Idioten zu ignorieren. Zelda muss selbst wissen, wen sie zu ihrem engsten Kreis zählen will. Und in dieser Hinsicht hat sie einen Entschluss gefasst, der mir wie ein Traum erscheint. Genug der Schwärmerei. Ich weiß nur, dass ich so schnell nicht wieder nach Termina komme. Ich hoffe, euch allen geht es so gut wie mir und an euch ist noch alles dran. Grüße, Vaati´“

 

 

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   „Ich will euch ja nur ungern stören.“, murmelte Link mit geschlossenen Augen und zurückgelehntem Kopf zu dem sich küssenden Ehepaar.

   „Nein, nein. Schon in Ordnung.“, lächelte Anju, als Kafei sich von ihr weggedreht hatte. „Was gibt’s?“

   „Ich frag mich nur – schon seit Jahren – was es – mit den Felsentürmen auf sich hat.“, hauchte Link, sah aber nur zur Raumdecke hoch.

   „Inwiefern?“, fragte Kafei nach, hievte seine Haare nach vor über die linke Schulter und lehnte sich rückwärts mit dem Kopf an Anju’s Decolleté.

   „Sie sind mir ein Rätsel. Ich hab dort so viele Symbole gesehen, die ich erst jetzt verstehe. Aber noch immer beschäftigen sie mich. Und ich bin mir sicher, da ist noch viel mehr, das ich nicht einmal bemerkt hab. Warum zum Beispiel kann man durch Schießen von Lichtpfeilen auf das Königliche Siegel die Gravitation in den Türmen umkehren? Warum finden sich gleichermaßen Symbole für die Giganten und die Göttinnen in ihnen? Warum wird das Symbol der Göttinnen auf der Unterseite von Steinblöcken dargestellt, die aussehen wie ein Dämon, der seine Zunge heraushängen lässt? Und warum um alles in der Welt befindet sich dort drinnen ein Portal das einen in einen Teil der Wüste teleportiert, wo Steinblöcke mit Majora’s Maske drauf aufgestellt sind? Und überhaupt – sie kommt auch noch an anderen Stellen vor. Warum sieht zum Beispiel das Tor aus wie diese Maske, hat aber die Vereinigung vom Königlichen Emblem und dem Shiekah-Auge drauf? Oder der Eingang an sich?“

   „Diese Türme waren auch für mich immer ein Rätsel. Das mit dem verschmolzenen Symbol in Verbindung mit der Maske lässt sich erklären. Wie du hoffentlich noch weißt, war Majora am Anfang nicht wirklich böse. Die Hohepriester haben diesem Dämon gehuldigt. Der Legende nach, führt das Portal ins Heilige Reich. Aber ich glaube dem was du gesehen hast. Das führt mich zur Annahme, dass Majora das Portal umgepolt hat. Und das mit der Gravitationsumkehrung wird in den Geschichten als Fluch der Göttinnen erklärt. Ich weiß allerdings aus Aufzeichnungen, dass die Türme in Zusammenarbeit mit den Kumulanern entstanden sind. Sagt dir das was?“

   „Wenn du nicht so diskret wärst, wüsstest du, dass ich in einer ihrer Städte war.“

   „Oh.“, kicherte Kafei. „Sie sind dieses verbündete Volk, von dem ich dir erzählt habe.“

   „Jetzt ist mir durchaus klar, warum der Schädelbuchttempel so ist wie er ist. Es überrascht mich allerdings, um ehrlich zu sein, dass ein Volk wie dieses zu solchen Bauten fähig ist. Aber wenn du sagst, sie hätten schon vor Urzeiten Mechanismen entwickelt, die die Gravitation völlig umkehren können – “

   „Ganz so lange ist das nicht her. Aber du hast Recht. Angeblich sind sie schon seit Jahrhunderten auf einen technischen Stand, von dem wir hier unten nur träumen können. Was es aber wirklich mit all den anderen Symbolen in den Türmen auf sich hat, weiß ich nicht. Aber ich glaube, Vater weiß mehr. Ich hol ihn, wenn das in Ordnung ist?“

   „Das musst du nicht. Bleib hier. Ich kann auch später mit ihm reden.“, meinte Link und sah ihn zum ersten Mal seit fast einer Stunde an.

   „Ich hab nicht gesagt, dass ich diese überaus gemütliche Wanne verlasse.“, grinste Kafei schelmisch.

   „Was?“, stutzten die anderen beiden.

   „Kafei! Du – argh!“, so schnell wie er aufgetaucht war, hatte er sich zur Wand gedreht und den Kopf dagegen gelehnt. „Kannst du mich das nächste Mal warnen?“

   „Was hast du erwartet, wenn ich dich ins Bad bitte?“

   „Ja, ja. Schon gut.“, seufzte Dotour und drehte sich wieder zu ihnen. „Ich hoffe, es ist dringend. Ich wollte schlafen gehen.“

   „Ich hab dir doch gesagt, es kann warten.“, raunte Link und ließ den Kopf wieder zurückfallen.

   „Kann es nicht.“, entgegnete Kafei stur. „Sonst kann ich nicht schlafen. Komm her, Vater. Setz dich.“, mit einem Handschlenker schnellte der hölzerne Hocker neben die Badewanne und Dotour setzte sich leicht niedergeschlagen. „Link will mehr über die Felsentürme wissen. Und ich auch.“

   „Wenn es unbedingt sein muss.“, seufzte er und starrte Link durchdringend in die Augen. „Gut. Du hast also schon sehr viel bemerkt.“

   „Da! Siehst du?“, warf Link an Kafei gewandt ein. „Er stöbert sehr wohl in meinem Gehirn herum. Ich hab dir doch gesagt, dass du wieder darfst. Warum tust du es nicht?“

   „Weil ich lieber deine Stimme höre.“, murmelte Kafei und wurde leicht rot.

   „Oh.“, hauchte Link erstaunt. „Das – “, er fuhr sich doch etwas verlegen durch die nassen Haare.

   „Das ist alles etwas kompliziert.“, überlegte Dotour. „Ich weiß gar nicht richtig, wo ich anfangen soll. Ich war ja erst vier Jahre alt, als sie gebaut wurden. Soweit ich weiß, hat es damals Streite unter den Hohepriestern gegeben, ob die Giganten nun den Göttinnen gleichgestellt waren. Was aber ein vollkommener Schwachsinn ist, da die Giganten nur Wächter sind, die von den Göttinnen eingesetzt wurden. Es hat alles mit diesem verdammten Kobold angefangen. Ehrlich gesagt wundert es mich nicht, dass er die Maske gestohlen hat. Ich denke, Majora hat ihn zu sich gerufen.

Jedenfalls sind die Türme und der Tempel unter gespaltenen Meinungen entstanden. In dieser Zeit wurde Ikineij umbenannt. Die Shiekah haben weiterhin an den Göttinnen als einzig wahre Führerinnen festgehalten und jene die anders dachten vertrieben. Sie gingen auch recht freiwillig. Mein Großvater Termin verteidigte die Meinung, dass die Giganten wie Götter anzusehen waren und wurde zum Bürgermeister eines Landes, das es nicht für nötig hielt, einen einheitlichen König zu haben. Die Völker spalteten sich endgültig auf, aber in Unruhstadt war jemand, an den sie sich wenden konnten, wenn es Probleme gab, die ihre Regionen überstiegen. Er hat zwar zwischen Termina und Ikana gelebt, jedoch nie wirklich versucht, sie wieder zu versöhnen. Auch als mein Vater dreißig Jahre später sein Amt übernommen hat, hat sich nichts daran geändert. Und als ich an der Reihe war es weiterzuführen, war Ikana ein totes Land. Ausgerottet von seinen eigenen Fehlern. Auch Termina, das ist mir nun klar, hätte für diese Fehler bezahlen sollen. Die Fehler meiner Familie und derer, die der selben törichten Meinung waren.

Ich habe aufgehört, diese Dinge zu hinterfragen und zu analysieren. Diese Intrigen sind nicht nur in unserer Welt verwurzelt, sondern verstricken sich tief in das Heilige Reich hinein. Das übersteigt meinen Willen zur Vorstellungskraft. Höhere Dinge, mit denen ich nichts zu tun haben will. Vielleicht auch aus Angst davor, dass ich dadurch die selbe Dummheit begehen könnte, wie meine Vorfahren. Ich weiß es nicht. Wenn ihr euch damit beschäftigen wollt, meinetwegen. Aber lasst mich aus dem Spiel. Und vor allem – passt bitte auf, dass ihr euch nicht zu weit hinein wagt. Ja – eure Stellung im Universum ist eine andere als meine. Dennoch. Das sind Dinge, mit denen man nicht leichtsinnig umgehen sollte. Ich bevorzuge es lediglich, weder die Göttinnen, noch die Giganten als auch nur irgend sonst jemandem zu huldigen. Das wahre Gute muss nicht verehrt werden, um zu helfen. Es hilft gerne und aus eigenen Stücken. Wenn ihr mich entschuldigt, ich bin müde.“, alle drei nickten und wünschten ihm einen guten Schlaf. „Euch auch.“, lächelte Dotour leicht niedergeschlagen. „Und bleibt mir nicht zu lange da drinnen. Sonst werdet ihr noch zu Zoras. Auch wenn ich nicht weiß, wie das gehen soll.“

   „Ich wurde mehrmals in diese Richtung gedrillt.“, schmunzelte Link. „Ich denke, ich würde ganz gut damit zurecht kommen.“, Dotour lächelte noch einmal und teleportierte sich aus dem Raum. „Wie alt ist er bitteschön?“, fragte Link mit großen Augen.

   „Hundertzwei.“, sagte Kafei knapp.

   „Was?“, er rutschte vor Schreck ein Stück mehr ins Wasser und setzte sich wieder auf.

   „Hundertzwei.“, wiederholte Anju.

   „Aber – er sieht aus wie – Sechzig – maximal Fünfundsechzig!“

   „Ich hab doch gesagt, wir werden alt.“, schmunzelte Kafei.

   „Verdammt!“, jammerte Link und verzog das Gesicht. „Das heißt – er ist erst mit Vierundsiebzig Vater geworden?“

   „Ja.“, bestätigte Kafei.

   „Und deine Mutter?“

   „War fast ein Jahr älter.“

   „Weiß Esra das?“

   „Nein.“, sagte Kafei mit leerem Blick. „Sie hält ihn auch für vierzig Jahre jünger. Er wollte ihr sein Alter nie verraten. Als sie sich verliebt hatten, hatte er Angst, ihre Eltern würden die Beziehung verhindern wollen. Aber Esra hat ohnehin den Kontakt zu ihnen abgebrochen. Sie hatten eine ähnliche Einstellung wie Anidja, weißt du? Trotzdem hat er nie gewollt, dass sie erfährt wie alt er ist. Igos war hundertachtundsiebzig als er starb.“, Link schluckte.

   „Heißt das, du wirst uns beide überleben?“

   „Das werde ich nicht zulassen. Ich wüsste nicht, wie ich ohne euch leben könnte.“

 

   Anju senkte den Kopf und vergrub Mund und Nase in Kafei’s Haaren. Link krabbelte durch das bereits schaumlose Wasser auf ihn zu und schmiegte sein Gesicht gegen Kafei’s.

 

 

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   Es war der erste Markttag. Zwar war es bereits der zweite Markttag für Link in Unruhstadt, aber es war der erste Markttag seit der Katastrophe. Nachdem das riesige Stück Mauer, das Kafei letztendlich doch zu seiner vollen Bestimmung verholfen hatte, wieder repariert worden war, hatten auch Ydin und Frano ihre Werkstatt wieder eröffnet. Ihr Sohn war indessen zu Romani und Cremia gezogen und tat seiner Meinung nach endlich etwas Sinnvolles. Er wollte Pferde züchten, um der großen Grünfläche einen Nutzen zu geben. Auch mussten sie ihren Bestand an Kühen wieder aufpäppeln.

   Lulu hatte sich kurzerhand selbst zum Oberhaupt der Zoras von Termina ernannt und sich mit den Piratinnen versöhnt. Gemeinsam bauten sie nun an einem ordentlichen Hafen für Termina, um das Einführen von Waren zu erleichtern. Seltsamerweise beteiligten sich sogar ein paar Goronen an den Bauarbeiten, wenn auch jeder Schritt mit äußerster Vorsicht gemacht wurde, da er für sie schnell zum letzten werden konnte. Schließlich gab es nicht viele Goronen, die unter Wasser die Luft anhalten konnten und auch die Kraft hatten, sich selbst wieder an die Oberfläche zu befördern.

   Ein Suro hatte den Postboten abgefangen und wieder nach Unruhstadt zurück verschleppt, wofür dieser ihm gar dankbar war, da er sich in Hyrule viel zu oft verlaufen war. Auch der Buchladen und die Bank waren wieder offen. Die Lotterie war nun eine Drogerie. Viele Wohnungen standen leer und es würde dauern, bis sich jemand finden würde, der sie neu bezog.

   Link hatte schwermütig Kafei’s Idee zugestimmt, seine Berühmtheit auszunutzen. So sollte er ab sofort gegen höheren Preis vereinzelt Sonderunterricht in der Kampschule geben. Die dadurch eingenommen Rubine würden dem Wiederaufbau und den schwerer getroffenen Opfern der Katastrophe zugute kommen. Zwar hielt sich die Begeisterung noch in Grenzen, aber Kafei war zuversichtlich. Leider schienen Dotour und Link selbst die einzigen zu sein, die den größten Grund dafür bemerken wollten: Sehr viele hatten nicht gerade Verständnis für Link’s Beziehung mit Kafei.

   Wie gesagt, es war der erste Markttag. Es gab nicht zwar nicht viel, aber immerhin das Nötigste. Es war sogar schon jemand so dreist, Schmuck anzubieten. Als Link gerade am Obststand zweier Dekus vorbeischlenderte, wurde er plötzlich von hinten attackiert. Ein größeres Etwas war von unten auf seinen Rücken gesprungen und klammerte sich fest.

 

   „Taya!“, lachte Link nur und versuchte sich nach ihr umzusehen, was ihm nicht wirklich gelang, da sie immer wieder ihren Kopf auf die andere Seite lehnte. „Was hab ich denn verbrochen, dass du mich so in die Mangel nimmst?“

   „Gar nichts.“, kicherte sie und klettere ohne Mühe auf seine Schultern, wo sie sich ebenfalls alleine hielt.

   „Tz. Was? Nicht du auch noch.“, jammerte Link gespielt, als ihr Bruder, einmal nicht in Bomber-Uniform, vor ihm Stellung bezogen hatte und die Arme nach oben streckte. „Auf eure Verantwortung, ja? Ich bin nicht schuld, wenn ich wen fallen lasse.“

   „In Ordnung.“, grinste Klein-Link und ließ sich von seinem Vorbild auf die Arme heben, wobei sich dieser nicht ungeschickter hätte anstellen können.

   „Und wo soll es hingehen?“

   „Egal.“, strahlte Taya. „Hüa!“, sie gab ihm einen leichten Tritt, aber nur mit der rechten Ferse, da sie sonst ihrem Bruder in den Kopf treten hätte müssen.

   „Du musst mich schon füttern.“, scherzte Link, bereute es aber sofort.

   „Dummer Gaul.“, kicherte sie, ließ eine Karotte vom benachbarten Gemüsestand zu sich schnellen und warf dem Verkäufer einen Rubin aus ihrem Medaillon zu. „Da.“, sie steckte dem grinsenden Link die Karotte in den Mund. „Und jetzt Abmarsch.“

 

   Link schüttelte nur den Kopf, versuchte aber, die Karotte möglichst schnell wegzuessen, was natürlich schwierig war, da er seine Hände nicht benutzen konnte. Zusätzlich dirigierte Taya ihn an den Haaren hin und her. Jetzt wusste er zumindest, wie Kafei Ijaron ohne Zügel reiten konnte. Auf diese Tierquälerei würde er ihn noch ansprechen - doch da fiel ihm plötzlich, zu seinem großen Unbehagen ein, dass er selbst als Kind Epona ohne Sattel und Zügel geritten hatte. Die gemischten Blicke ignorierend, trug er die beiden Kinder zwischen den Marktständen durch die Stadt. Auch konnte er die Leute hinter sich tuscheln hören.

 

   „Ja. Die armen Kinder.“, hörte er eine Frau flüstern. „Jetzt beansprucht er auch noch sie.“

 

   Nicht glaubend, was er da hörte, machte er Halt und drehte sich um. Noch immer die Hälfte der Karotte im Mund, zog er eine Augenbraue hoch. Und sie hatte eindeutig über ihn gesprochen, denn in diesem Moment nahm sie hektisch den Blick von ihm und tat so, als würde sie etwas unter ihrem Tisch suchen. Auch ihre Freundin sah nach unten, als ob nichts gewesen wäre. Das Rot, das in ihr Gesicht trat, war jedoch unmissverständlich. Auch das andere Rot, das plötzlich vor Link’s Augen trat. Es waren weit geöffnete, schwarz geschminkte Augen, die er nur zu gerne sah.

 

   „Was ist denn hier los?“, gluckste Kafei. „Warum hast du eine Karotte im Mund?“

   „Link ist unser Pferd!“, grinste sein Sohn und das widerwillige Reittier nickte verzweifelt.

   „Was?“, kicherte Kafei und nahm ihm die Karotte aus dem Mund.

   „Danke.“, seufzte Link erleichtert und lockerte seine Kieferpartie auf.

   „Du hast sie doch nicht etwa so gegessen?“, stutzte Kafei und betrachtete die Bissstelle.

   „Ich spucke doch kein frisch gekauftes, vollwertiges Nahrungsmittel auf den Boden.“

   „Gut. Dann sei bitte so nett und bring die beiden in den Gasthof. Mittagessen ist fertig.“, lächelte Kafei und steckte ihm die Karotte wieder in den Mund, woraufhin Link fast die Tränen kamen, da Taya heftig an seinen Haaren zog und ihn zum Wenden brachte.

   „Geschieht ihm recht.“, flüsterte die Frau, die sich schon zuvor herablassend geäußert hatte, Kafei bemerkte es aber nicht.

   „He! Sei bloß vorsichtig mit ihm. Er ist mir heilig.“

   „Bin ich dir auch heilig?“, fragte Taya und drehte Link abermals herum, der nun wirklich die Augen zusammenkniff und versuchte, die Karotte nicht zu verlieren.

   „Ja.“, schnaubte Kafei.

   „Würdest du ihn auch ermahnen, wenn er auf meinen Schultern sitzen würde?“

   „Was?“, Kafei’s Augen weiteten sich erneut. „Ich – äh – ja! Und ob!“

   „Danke.“, grinste Taya kichernd. „Aber du müsstest schnell sein. Wenn er sich auf meine Schultern setzen würde, wäre ich so flach wie eine zu langsame Fliege unter Oma’s Hintern.“, als sie ihn wieder an seinen Haaren zog, spielte Link tatsächlich mit dem Gedanken, den Spieß umzudrehen. „Ich frage mich, wie Opa diesen Hintern im Bett erträgt.“

   „Taya!“, nun war Kafei wirklich über die Gedankengänge seiner Tochter entsetzt und schämte sich ein bisschen für die offene Erziehung, die sie genossen hatte.

   „Was ist?“, seufzte diese, jedoch weil Link etwas sagen wollte und nahm ihm fairerweise die Karotte ab.

   „Opa.“, hauchte Link nur und drehte sich wieder zu Kafei um.

   „Bitte?“

   „Ich – äh – ich hatte einen Großvater.“

   „Ich nehme an, du hattest zwei davon, oder?“, gluckste Kafei.

   „Nein.“, Link drehte die Augen über.

   „Wie jetzt – “

   „Doch – aber – was ich sagen will – du weißt doch noch, als du mich über all diese Namen deiner Familie aufgeklärt hast – da habe ich auch von meiner Familie erzählt.“

   „Ja. Und?“

   „Und dabei hab ich völlig den Vater meiner Mutter vergessen. Durch ihn haben sich meine Eltern kennen gelernt. Er war Waffenschmied, unter anderem für die Soldaten von Hyrule. Und, naja, er hat längere Zeit nicht in Hyrule gelebt. Aber wenige Monate vor seinem Tod ist er wieder nach Hyrule zurück gezogen. In dieser Zeit hab ich bei ihm gewohnt. Danach bin ich ins Schloss gezogen. Ich – ich weiß nicht, wieso ich vergessen habe, ihn zu erwähnen. Vielleicht, weil es war, als Vaati über Hyrule hergefallen ist und ich nicht gerade viel Zeit mit ihm hatte. Keine Ahnung. Von ihm weiß ich auch, dass Vater angeblich einen Bruder hatte.“

   „Hm.“, war alles, was Kafei heraus brachte.

   „Ich hab mich nur – eben daran erinnert. Und da dachte ich – dass es dich vielleicht interess- ah!“, Taya hatte schon wieder an seinen Haaren gezogen. „Was soll das?“

   „Ich hab Hunger.“

   „Taya.“, mahnte Kafei. „Wenn du nicht warten kannst, dann iss die Karotte. Aber hör bitte auf, Link weh zu tun, ja?“

   „Vergiss es. Damit erreichst du nichts.“, seufzte Link und wandte sich wieder zum Gehen, damit die Tortur möglichst bald ein Ende fand.

   „Vielleicht warst du aber auch nur zu sehr damit beschäftigt, darüber zu klagen, dass du keine Familie hast?“, und wieder blieb Link stehen.

   „Was?“, Kafei ging um ihn herum, stellte sich knapp vor ihn und legte ihm die linke Hand auf die rechte Wange.

   „Ich liebe dich. Vater und Esra haben dich sehr gern und auch Anju mag dich wirklich. Und selbst unsere Kinder scheinen von dir angetan zu sein. Link. Du hast eine Familie.“, sagte er sanft und streichelte Link’s Wange.

   „Küssen! Küssen! Küssen!“, begann Juro und auch Taya stieg ein, woraufhin das Paar leise lachen musste, dem aber dennoch Folge leistete. „Geht doch auch so.“, raunte der Junge, nachdem die beiden ihre Lippen gelöst haben.

   „Was meinst du?“, lächelte Kafei, nahm seine kleine Nase zwischen die Finger und schüttelte sie kurz durch.

   „Ohne Zungen.“

   „Wie du meinst.“, grinste Kafei.

   „Wäh.“, schüttelte sich der Junge ab. „Hört auf damit. Das ist voll eklig.“

   „Ist doch gar nicht wahr.“, protestierte Taya und brachte ihren Vater so zum Lachen, dass er sich fast an Link’s Zunge verschluckte und umgekehrt.

   „Was weißt denn du schon?“, fauchte ihr Bruder. „Du siehst doch nur ihre Haare.“

   „Aber ich weiß, wie das aussieht. Und wenn sie sich lieben und das mögen, ist es in Ordnung.“

   „Tz.“

   „Ach ich geb’s auf.“, jammerte das Mädchen. „Du bist noch ein Kind. Du verstehst das nicht.“

   „Und du bist etwa kein Kind mehr?“, gluckste der ältere Link mit Blick nach oben.

   „Als du so alt warst wie ich, hast du Hyrule gerettet.“

   „Was hätte ich machen sollen? Es war ein Auftrag vom Deku-Baum. Das lehnt man nicht einfach so ab. Auch, wenn man ihn für verrückt hält.“

   „Du hast den Deku-Baum für verrückt gehalten?“, kicherte Taya.

   „Na uuuuuuuuuund?“, keuchte er, da seine Kopfhaut schon wieder gepeinigt wurde.

   „Taya. Bitte.“, jammerte Kafei.

   „Ach lass sie.“, seufzte Link. „Das lässt sie nicht aufhören. Außerdem hat sie Recht. Ich hab schon schlimmere Schmerzen überleeeeeeeebt!“

   „Du wärst wirklich ein guter Vater.“, kicherte Kafei.

   „Träum weiter.“, raunte Link. „Ich bin siebzehn Jahre alt. Da ich durch und durch Hylianer bin, bin ich noch immer minderjährig. Und ich habe auch nicht vor, auch nur irgendwann in meinem Leben diese Utopie umzusetzen. Der Gedanke – ich und eine Fraaaaaaaah!“

   „Jetzt reicht’s.“, fauchte Kafei.

 

   Er griff hinter Link herum und unter das linke Bein seiner kleinen Tochter. Mit dem anderen Arm packte er sie um den Bauch und zog sie mit Leichtigkeit herunter. Dabei zog er auch Link’s leichtes, knopfloses, weißes Leinenhemd über dessen rechter Schulter nach unten. In Shiekjiarnjinjú kichernd, drehte er sich mit dem quietschend lachenden Mädchen mehrmals um die eigene Achse, bevor er sich mit ihr auf den sandigen Boden des Nordplatzes sinken ließ. Inzwischen gab es nichts und niemanden, was nicht die Augen auf die Vier gerichtet hatte. Doch es war ihnen egal. Der kleine Link kuschelte sich an die linke Schulter seines beobachtenden Namenspatrons.

 

   „Ist schon in Ordnung, wenn du das eklig findest.“

   „Wirklich?“

   „Vollkommen. Ich hätte auch nie gedacht, dass ich so etwas einmal schön finde.“, lächelte er, da der Junge ein dumpfes Grummeln von sich gab.

   „Bin ich schwer?“

   „Nein.“

   „Wirklich nicht?“

   „Ich hab einen ziemlich großen Morgenstern. Den hab ich einer Echse abgeknöpft. Glaub mir. Diese Kugel ist schwerer.“

   „Wie groß ist sie?“

   „Riesig.“

   „Wie riesig genau?“

   „So groß wie Esra’s Hintern.“

   „Boah!“, seine blauen Augen drohten fast herauszufallen, als er aufsah. „Zeig!“

   „Doch nicht hier.“, gluckste Link.

   „Wieso nicht?“, er wischte sich ein Büschel seiner violett-roten Haare hinters linke Ohr.

   „Was denkst du, was das für einen Eindruck macht, wenn ich dir in aller Öffentlichkeit meine verheerendsten Waffen zeige?“

   „Was ist deine schlimmste Waffe?“

   „Das willst du nicht wissen!“, rief Kafei, der offenbar alles gehört hatte, obwohl er versuchte, seine umherlaufende Tochter zu fangen.

   „Wa- “, stockte Link.

   „Was meint Papa?“

   „Ich denke, das was er gerade gemeint hat, willst du erst recht nicht wissen.“, jammerte Link, interessiert beobachtend, wie sich Taya immer wieder wo anders hin teleportierte, aber Kafei sie immer erwischte, bevor sie wieder verschwunden war.

   „Hör – auf – immer – dort – zu – sein – wo – ich – bin!“, wütete Taya, bei jedem Wort an einem anderen Fleck des Nordviertels, was ein eigenartiges Gemisch aus Lautstärken ergab.

   „Dann – gib – endlich – auf!“, konterte Kafei kichernd.

   „Nie – mals!“

   „Ich – dachte – du – hast – Hunger?“

   „Was ist denn hier schon wieder los?“, Anju war gerade durch die östliche Passage gekommen und stellte sich an Link’s rechte Seite.

   „Fang gar nicht erst an zu fragen.“, antwortete dieser, als Kafei die angebissene Karotte in den Mund gesteckt wurde.

   „Und was soll die Karotte?“, hauchte sie. „Schon gut.“, Link’s Blick war mehr als deutlich gewesen. „Wie du rumläufst. Fast schon wie er.“, sie zog sein Hemd wieder über die Schulter hinauf.

   „Oh. Ist mir gar nicht aufgefallen. Danke. Das muss runtergerutscht sein, als er mich von Taya befreit hat.“

   „Befreit? Du liebe Zeit. Du klingst, als hätte sie dich belagert. Was ist das unter deinen Haaren? Wieso bist du so rot am Kopf?“

   „Und ich dachte, Kafei hätte viel Einfluss auf dich. Aber du hast eindeutig zu viel Zeit mit Romani verbracht.“

   „Was?“

   „Du fragst einfach nach allem, auch wenn dir die Antwort eigentlich klar sein sollte.“

   „Sie hat dich als Pferd missbraucht, oder? Und ich dachte, sie hätte damit aufgehört.“, leicht verträumt schüttelte Anju den Kopf.

   „Was ist los? Du klingst so abwesend.“

   „Was? Oh – ich denke, ich bin nur müde. Hat er dir gesagt, dass es Zeit fürs Mittagessen ist? Die Handwerker sind schon fertig. Ich wollte nicht einmal nachsehen, wie viel sie übrig gelassen haben. Ich hoffe, es reicht für uns alle. Ja, sie leisten gute Arbeit. Wenn sie nicht gerade beschließen, faul zu sein. Aber sie sind immens verfressen.“

   „Mama!“, mahnte Juro.

   „Ich weiß. Das sagt man nicht wirklich. Aber sie futtern uns einfach alles weg. Und Kafei bezahlt sie auch noch.“

   „Wem sagst du das? Ich muss das halbe Land abkämmen, um diese Gauner zu finanzieren.“

   „Und am Ende sind es doch wieder die Minish, die im dunkeln klopfen und für sie riesige Kristalle an die Oberfläche befördern, um sie dann mühevollst zu schleifen und – sie uns einfach zu schenken. Im Gegenzug für Müll.“, seufzte Anju.

   „Ja. Woher weißt du das eigentlich?“

   „Vaati.“

   „Oh. Sicher.“

   „So manche Tat lässt die Herkunft einer Person in Vergessenheit geraten.“, hauchte sie gedankenverloren, als Kafei ihre erschöpfte Tochter hochhob.

   „Wem sagst du das?“, wiederholte Link.

   „Natürlich. Du musst es wohl am besten wissen.“

   „Aber es ist nicht so, als würde es Vaati stören, dass – “

   „Ich weiß es nicht. Auch wenn er behauptet, die Minish gleichermaßen zu verabscheuen wie sie ihn, so sind es doch seine Wurzeln, die er verleugnet.“

   „Weil sie ihn verleugnet haben.“

   „Wohl war. Aber er wird immer mit ihnen verbunden sein. Es gibt sehr vieles, über das er nicht spricht. Das weiß ich, weil es sehr viele Dinge gibt, über die er nicht gerne spricht. Aber nur, weil er nicht darüber spricht, heißt das nicht, dass er davon nichts hören will. Ich hoffe nur, er zerbricht nicht an seinem Selbstschutz. Zelda hat ihn nicht zurückgeholt, damit er sich erneut vernichten lässt.“

 

 

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